Rosenheim – Es war der große Knall, der dann doch etwas unerwartet kam. Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwochabend die Ampel-Koalition platzen lassen und Finanzminister Christian Lindner aus der Regierung geworfen. Alle anderen FDP-Minister – bis auf Volker Wissing, der seine Partei verlässt – traten zurück. Im Januar will Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, die den Weg für Neuwahlen im Frühjahr freimachen könnte. Die Union fordert allerdings die sofortige Vertrauensfrage. Das Politik-Beben sorgt auch in der Region für unterschiedliche Reaktionen und Forderungen.
Für die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) muss Scholz nun „Verantwortung für Deutschland übernehmen“ und den Weg für sofortige Neuwahlen freimachen. „Wir fordern den Bundeskanzler auf, bereits nächste Woche die Vertrauensfrage zu stellen“, sagt sie. So sei es möglich, noch vor Weihnachten neu zu wählen. „Das Ankündigen der Vertrauensfrage am 15. Januar ist niemandem logisch zu erklären“, sagt Ludwig auf OVB-Anfrage.
Insbesondere, da die politische Zukunft in Deutschland zu keiner Hängepartie werden dürfe. Eine solche stärke ansonsten Parteien wie die AfD und das BSW nur zusätzlich. „Wir können es uns nicht leisten, über mehrere Monate hinweg eine handlungsunfähige Regierung zu haben“, ist die CSU-Politikerin überzeugt. Auch in Anbetracht der US-Wahl.
Das Scheitern der Ampel ist für Ludwig die „logische Konsequenz einer unsäglichen Regierungskoalition, die vor allem durch Streit und Untätigkeit aufgefallen ist.“ Wirklich überrascht sei sie von den Entwicklungen am Mittwochabend (6. November) aber nicht. Bereits den ganzen Tag habe sich schon etwas abgezeichnet. Vom Vorschlag des Bundeskanzlers, auf die Union zuzugehen, um noch dieses Jahr einige Entscheidungen durchzubringen, hält Ludwig allerdings wenig. „Die CDU/CSU-Fraktion wird nicht die Hand für den Schlussakkord einer gescheiterten Regierung reichen“, sagt sie. Es sei keine Zeit für Triumphgefühle. Viel mehr brauche das Land jetzt „dringender denn je Klarheit und Stabilität“.
Ähnlich sieht das auch Stephan Mayer, CSU-Bundestagsabgeordneter aus Neuötting. „Es geht jetzt darum, die Benachteiligungen durch die bisherige Bundesregierung wieder wettzumachen“, sagt er. Dafür, dass es jetzt so gekommen ist, dafür tragen seiner Meinung nach alle drei Ampel-Parteien die Verantwortung. Die Entlassung Lindners sei zwar überfällig gewesen, gehe aber noch nicht weit genug. Er erwarte sich nun eine „stabile Regierung unter Führung der CDU/CSU mit einem Kanzler Friedrich Merz.“
Auch für die Traunsteiner SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Bärbel Kofler ist die Entlassung Lindners eine „richtige und bedeutsame“ Entscheidung. „Der FDP-Vorsitzende wollte keine Einigung, wie wir als Koalition mit den im Moment drängenden Herausforderungen umgehen“, sagt sie. Daher komme das Aus der Ampel zwar plötzlich, aber für sie nicht völlig überraschend. „Durch die jüngsten Äußerungen des Finanzministers und die mangelnde Kompromissbereitschaft der FDP hatte sich der Bruch bereits abgezeichnet“, teilt sie auf OVB-Anfrage mit.
Dennoch bedauert die SPD-Politikerin das Ende der Koalition. „Mit Blick auf die Menschen in der Region hätte ich gerne alle im Koalitionsvertrag vereinbarten Gesetzesvorhaben umgesetzt, das wird jetzt nicht mehr vollständig gelingen“, sagt Kofler. Jedoch glaubt sie auch, dass das Aus sogar vermeidbar gewesen wäre, „wenn alle Partner bereit gewesen wären, im Sinne des Landes zu entscheiden.“
Die FDP will sich hingegen nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen – sondern sieht die Schuld für den Bruch beim Bundeskanzler. „Er hat nicht verstanden, dass Reförmchen nicht mehr reichen“, sagt Sandra Bubendorfer-Licht, FDP-Bundestagsabgeordnete aus Ampfing. Scholz habe nicht ernsthaft über die Vorschläge der FDP für eine Wirtschaftswende sprechen wollen. Vielmehr verharre er in den ideologischen Vorstellungen seiner Partei, anstatt die Weichen zu stellen für die Überwindung der Wirtschaftskrise, teilt die FDP-Politikerin mit. „Wenn Olaf Scholz wirklich Schaden von diesem Land abwenden wollte, müsste er die Vertrauensfrage in dieser Woche stellen und nicht erst Mitte Januar.“
Wenn es dazu kommt, geht Bubendorfer-Licht davon aus, dass ihre Partei auch nach Neuwahlen präsent bleibe. „Die FDP wird mit einem Ergebnis deutlich über fünf Prozent wieder in den Deutschen Bundestag einziehen“, ist sie überzeugt.
Auch die Grünen wollen ab sofort in den Wahlkampf gehen, auch wenn man dort überzeugt ist, dass die Neuwahlen im Januar ausreichen. „Wir müssen aufwachen und wirklich für unsere Demokratie kämpfen“, sagt Gisela Sengl, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern. Sie betont, dass ihre Partei den Bruch der Ampel nie wollte. Vor allem in der jetzigen Zeit und kurz nach der US-Wahl. „Da hätte Deutschland dringend eine verantwortungsbewusste und stabile Regierung gebraucht“, sagt die Chiemgauerin. Das habe die FDP aber nicht so gesehen. „Sie hat daher wirklich vollkommen verantwortungslos gehandelt“, kritisiert Sengl.
Die Linke um den Rosenheimer Bundestagsabgeordneten Ates Gürpinar sieht es noch drastischer. „Dass sich am Tag der Trump-Wahl drei Koalitionspartner angiften, wer nun die Hauptschuld am Versagen hat, ist hochnotpeinlich“, sagt Gürpinar. Das zeige selbst am Ende der Koalition die „krasse Verantwortungslosigkeit der Regierung.“ Gürpinar sei froh, dass das „politische Trauerspiel der Ampel ein Ende hat.“
Schließlich sei die Regierung praktisch handlungsunfähig gewesen. „Daran ist auch Lindners FDP schuld, mit der ich nie zusammenarbeiten würde“, sagt der Politiker der Linken. Dennoch sei es abstrus, dass der Bundeskanzler nun jegliche Verantwortung von sich weise. „Seine SPD war die stärkste Kraft, seine SPD hat in ihrer Arbeit versagt, hat wieder einmal ihre Versprechen nicht gehalten.“ Nun sollen möglichst schnell die Neuwahlen kommen.
Ähnlich sieht das Andreas Winhart von der AfD. „Ich freue mich, dass das Drama ein Ende gefunden hat und jetzt Neuwahlen kommen können, sobald der Kanzler die Vertrauensfrage verloren hat“, sagt der AfD-Landtagsabgeordnete. Auch er fordert den Bundeskanzler auf, die Frage bereits in den kommenden Tagen zu stellen.