Oft eine Rettung aus höchster Not

von Redaktion

Interview Hubschrauberpilot Sascha Netzer über dramatische Einsätze

Rosenheim – Er wird gerufen, wenn es besonders brenzlig ist oder es um Leben und Tod geht: der Rettungshubschrauber. Immer wieder kommt es auch in Rosenheim zu Rettungseinsätzen nach schlimmen Verkehrsunfällen, schwerwiegenden medizinischen Problemen oder bei Unglücken in den Bergen, bei denen die Zeit eine entscheidende Rolle spielt. Oft müssen die Patienten deshalb mit einem Hubschrauber in die Krankenhäuser gebracht werden. Einer, der bei solchen Einsätzen ganz vorne mit dabei ist, ist Sascha Netzer. Er ist Pilot des Rettungshubschraubers Christoph München und Stationsleiter der DRF Luftrettung (vormals Deutsche Rettungsflugwacht). Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen berichtet er von den Einsätzen rund um Rosenheim, was das Besondere an den Rettungen in der Region ist und zu welchen Unfällen die Retter am häufigsten alarmiert werden.

Gibt es Einsätze rund um Rosenheim, die Ihnen bis heute im Gedächtnis geblieben sind?

Sascha Netzer: Da gab es einen Einsatz, bei dem wir die Kollegen vom Hubschrauber Christoph 1 auf der Skipiste unterstützen mussten und den Patienten aufgenommen haben, da deren Hubschrauber ein technisches Problem hatte. Oder auch die schweren Unfälle auf der Autobahn A8, die es manchmal gibt. Einmal mussten wir in der Region auch eine junge Patientin abholen, um sie in ein anderes Krankenhaus zu transportieren. Da hat es dann leider sehr, sehr lange gedauert, während des Fluges ein Intensivbett für sie zu besorgen. Eindruck hat auch eine nächtliche Landung im Schnee bei einer Berghütte westlich vom Schliersee hinterlassen. Dort wurde ein gestürzter Hüttengast versorgt und dann in eine Klinik geflogen.

Müssen Sie oft nach
Rosenheim fliegen?

Da gibt es bisher keine Auffälligkeiten. Das heißt: Wir sind hier nicht häufiger im Einsatz als anderswo.

Wie viele Einsätze gibt
es denn um Rosenheim?

Der Christoph München fliegt pro Jahr für die Leitstelle Rosenheim rund 80 Einsätze.

Wie ist das einzuschätzen – wie viele Rettungshubschrauber gibt es für die Region?

In Bayern haben wir 15 Rettungshubschrauber. In der Dunkelheit dürfen davon nur drei fliegen. In der Region gibt es unseren Christoph München der DRF Luftrettung, die ADAC Luftrettung ist mit dem Christoph 1 auch in München stationiert, in Traunstein ist der Christoph 14 und ab und an kommt auch der Rettungshubschrauber aus Reutte und Kufstein in Österreich.

Und wer entscheidet, welcher davon nach
Rosenheim kommt?

Die örtliche Leitstelle entscheidet, ob ein Rettungshubschrauber alarmiert wird. Welcher dann kommt, hängt von den Verfügbarkeiten ab. Denn es geht darum, schnellstmöglich einen Notarzt zum Patienten zu bringen. Zum Beispiel dann, wenn alle bodengebundenen Notärzte bereits im Einsatz oder zu weit weg sind. Das kann bei Unfällen, aber auch bei allen anderen medizinischen Problemen der Fall sein. Daneben wird bei gewissen Meldebildern wie schweren Verkehrsunfällen prophylaktisch der Rettungshubschrauber von der Leitstelle mit zum Einsatzort geschickt, weil davon auszugehen ist, dass dieser gebraucht wird. Es gibt aber auch die Nachalarmierung. Da ist meist schon ein Notarzt vor Ort, der entscheidet aber, dass ein bodengebundener Transport aufgrund der Verletzungen, zum Beispiel an der Wirbelsäule oder bei Verbrennungen, oder auch wegen der Strecke zum nächsten Krankenhaus nicht infrage kommt. Dazu sind wir ein Intensivtransporthubschrauber, heißt, wir transportieren Patienten von einem Krankenhaus in ein anderes – oft auch in Spezialkliniken. Das sind die sogenannten Interhospitaltransfers, also die Sekundärtransporte. Bei Unfällen oder ähnlichen Dingen spricht man von Primärtransporten.

Und um welche Art von Einsätzen handelt es sich in der Region?

Dabei sind rund ein Drittel Sekundäreinsätze. Die anderen zwei Drittel sind Primäreinsätze.

Wie hoch ist der Anteil von Unfällen und ähnlichen schweren Ereignissen um Rosenheim?

Hier gibt es natürlich Schwankungen. Man kann aber von rund 20 bis 25 Prozent der Primäreinsätze ausgehen.

Gibt es Orte in der
Region, die Sie besonders häufig anfliegen?

Bei den Sekundärtransporten die Krankenhäuser Rosenheim, Agatharied/Hausham, Vogtareuth und Bad Aibling. Die Primäreinsatzstellen sind im Wesentlichen zwischen Rosenheim und dem Tegernsee gleichmäßig verteilt.

Wie lang dauert der
Flug von Rosenheim
nach München?

15 Minuten.

Gibt es in der Gegend
besondere Herausforderungen für den Piloten?

Der Nebel um Rosenheim aufgrund des Inns. Da habe ich selber schon erlebt, dass der Landeanflug zum Krankenhaus gerade noch so funktioniert hat. Zum anderen die Nähe zu den Bergen und die dortigen Einsätze.

In diesem Jahr gab es in Rosenheim einen Einsatz des Hubschraubers
mitten im Stadtgebiet – wie läuft da die Suche nach dem Landeplatz?

Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine ist, dass zum Beispiel die Feuerwehr den Landeplatz aussucht, der für uns passen könnte. Das kann unter anderem ein Sportplatz sein. In der Nacht leuchten die Wehren auch die Fläche aus. Die Entscheidung liegt aber immer beim Piloten. Wir prüfen aus der Luft, wo die nächstmögliche Landestelle in der Nähe zum Einsatzort ist. Zu beachten ist dabei immer der Abwind, den die Rotoren erzeugen. Der kann unter Umständen einiges in der Umgebung kaputtmachen.

Wie viel Platz braucht ein Hubschrauber zum Landen?

Die Wunschvorstellung ist ein Kreis mit einem Durchmesser von 25 Metern um den Hubschrauber. In der Nacht ist der Platz allerdings entsprechend größer. Da ist eine Fläche von 25 auf 50 Meter ideal.

Interview: Julian Baumeister

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