Rosenheim/Grassau – Am Anfang konnte Lisa Mayer ihr Glück kaum fassen. Die Frau, die eigentlich anders heißt, aber lieber anonym bleiben möchte, wohnt derzeit in einer Wohngemeinschaft in Grassau. Schon seit Monaten ist sie auf der Suche nach einer neuen Bleibe, am liebsten in Rosenheim. Immer wieder schaut sie sich verschiedene Zeitungsanzeigen an, stöbert auf den unterschiedlichen Immobilienportalen, um eine geeignete Wohnung zu finden.
Besichtigungstermin
nicht angeboten
Mitte November wurde sie fündig. Angeboten wurde eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Herzog-Otto-Straße. 48 Quadratmeter, vollmöbliert, Warmmiete: 495 Euro. „Ich konnte es gar nicht fassen und habe mich sofort in die Wohnung verliebt“, sagt sie am Telefon.
Sie kontaktierte den Anbieter, holte zusätzliche Informationen ein. So erfuhr sie, dass Haustiere erlaubt sind und keine Nebenkosten anfallen. Zudem bestand die Möglichkeit, die Wohnung gleich für fünf Jahre zu mieten. Für Lisa Mayer ein Glücksfall. Doch je länger die Frau über das Angebot nachdenkt, umso mehr Zweifel kommen auf.
„Als es um die Bezahlung ging, bin ich dann richtig skeptisch geworden“, sagt Mayer. So forderte sie der angebliche Eigentümer der Wohnung auf, einen Betrag in Höhe von 1245 Euro auf ein ausländisches Konto zu überweisen. In den Kosten enthalten sei zum einen die Kaution und zum anderen die Miete.
Das Kuriose: Einen Besichtigungstermin gab es nicht. „Mir wurde gesagt, dass ich das Geld zurückbekomme, wenn mir die Wohnung nicht gefällt“, erinnert sie sich. Für die Frau aus Grassau ein Unding. Sie sei bereits viermal umgezogen, ein solches Prozedere sei ihr dabei aber noch nie untergekommen. Sie fragt ihre Freundinnen um Rat, recherchiert im Internet und kommt schließlich zu dem Schluss, dass es sich um eine fiese Betrugsmasche handelt. Keine Seltenheit, wie Pascal Kießling, Sprecher des Immobilienportals „Immowelt“ auf OVB-Anfrage bestätigt. „Vorkassenbetrug ist einer der am häufigsten von uns registrierten Betrugsmaschen“, sagt er.
Um die Immobilie zu besichtigen, wird der Interessent aufgefordert, eine Vorauszahlung als sogenannte „Reservierung der Immobilie“ zu leisten oder für die Abholung eines Wohnungsschlüssels eine Sicherheitszahlung zu tätigen. Unter falscher Identität wird dann dem Sprecher zufolge unter anderem auch der Besichtigungstermin vereinbart. „Die Wohnung inklusive Ausstattung in der Anzeige klingt verlockend, ist aber in der Realität nie für einen solch günstigen Miet- oder Kaufpreis zu haben“, sagt Kießling.
Er vermutet, dass dadurch ein möglichst großes Interesse an der Immobilie geweckt werden soll. Wohnungssuchende, die den geforderten Betrag überweisen, sehen ihr Geld in der Regel nie wieder. „Wir unterbinden eine Vielzahl von Betrugsversuchen bereits im Vorfeld, indem wir verhindern, dass betrügerische Inserate überhaupt online gehen“, sagt der Sprecher.
In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass sowohl private als auch gewerbliche Anbieter inserieren können. Gegenstand der Immobilienangebote dürfen nur Objekte sein, die für Kauf, Miete oder Pacht verfügbar sind und auf dem Immobilienmarkt angeboten werden. „Bei einem Verdacht auf eine Betrugsanzeige müssen sich Neu-Kunden, die diese Anzeige gebucht haben, über ein Video-Ident-Verfahren legitimieren“, sagt Pascal Kießling. Dabei werde online der Personalausweis des Kunden geprüft, um zu gewährleisten, dass dieser sich mit seinen richtigen Daten anmeldet.
Um gegen die Betrüger vorzugehen, wurde dem Sprecher zufolge ein mehrstufiges Sicherheitssystem etabliert, welches betrügerische Anzeigen identifizieren soll. „Dabei kommt auch künstliche Intelligenz zum Einsatz“, sagt der Sprecher. Ihm zufolge werden Fake-Inserate vom digitalen Betrugsscanner oft innerhalb weniger Minuten automatisch gelöscht, sodass nur ein Bruchteil aller betrügerischen Anzeigen online geht. „Eine zusätzliche Überprüfung von Auffälligkeiten erfolgt durch ein Sicherheitsteam“, erklärt Kießling. Die Anzeige wird im Anschluss gelöscht, zudem wird das dazugehörige Konto gesperrt.
Pascal Kießling rät Immobiliensuchenden dazu, vor allem bei Anzeigen, die zu gut klingen, um wahr zu sein, vorsichtig zu sein. „Bei Zweifeln sollten Interessenten – wenn möglich – die Immobilie vor Ort ansehen, dort ruhig einmal klingeln oder bei den Nachbarn etwas über das Objekt in Erfahrung bringen“, sagt der Sprecher.
Auch empfiehlt er Interessierten, auf Rechtschreib- und Grammatikfehler im Schreiben des Anbieters zu achten. „Treten diese vermehrt auf, lässt dies auf ein unseriöses Angebot schließen“, sagt Kießling.
Kaum Fälle
in der Region
Von Angeboten, bei denen eine Wohnungsbesichtigung – beispielsweise weil der Vermieter oder Verkäufer vermeintlich im Ausland weilt – angeblich nicht möglich ist, sollten Suchende Abstand halten. Das unterstreicht auch Kommissar Daniel Katz, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Seit dem Jahr 2022 sind jährlich Fälle im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich bekannt geworden. Die Fallzahlen für 2023 und 2024 bewegen sich Katz zufolge jeweils auf einem ähnlichen Niveau.