„Irgendwann muss man den Cut machen“

von Redaktion

Räumungsverkauf – Doch der Kinderladen in der Herzog-Otto-Straße bleibt erhalten

Rosenheim – Nach nunmehr 30 Jahren ist es jetzt so weit. Der Kinderladen „natura“ in der Herzog-Otto-Straße schließt seine Pforten. Inhaberin Jutta Zacher (69) ist darüber zwar traurig, blickt aber positiv auf die vergangenen Jahre – und auch in die Zukunft. „Ich wollte schon immer einen eigenen Laden“, erzählt Zacher. Sie war 20 Jahre als Lehrerin an einer Hauptschule tätig und orientierte sich schließlich um. Damals habe sie aussteigen und wirklich etwas bewegen wollen.

Und so eröffnete sie vor mittlerweile 30 Jahren im Alleingang das ökologische Geschäft für Kinder. Dass die nachhaltige Orientierung auch im Namen des natura Kinderladens steckt, habe sich als positiv herausgestellt. „Das war goldrichtig“, sagt Zacher. Damals habe es die Möglichkeit des Online-Shoppings noch nicht gegeben und der Laden sei gut angekommen.

Es geht ein Stück
Selbstidentifikation

Dabei fing alles ganz klein an. „Wir haben im eigenen Haus auf sieben Quadratmetern begonnen“, erinnert sich Zacher. Dann habe man sich vergrößert, nun waren es 16 Quadratmeter im Nebengebäude. Eine Zeit lang war der Laden dann in der Adlzreiterstraße zu finden. Im Jahr 2000 zog die Inhaberin schließlich in die Herzog-Otto-Straße, wo das Geschäft bis heute besteht.

Für Zacher persönlich war es immer ein Stück Selbstidentifikation, wie sie sagt. Nach dem Lehramt habe sie eine Alternative gewollt. Das habe ihr der Laden mit seinen Produkten ermöglicht. Anfangs sei der Markt dafür noch nicht so groß gewesen. „Natürlich hat man sich vorgetastet“, so Zacher. Im Laufe der Jahre habe es dann immer mehr Auswahl und so auch ein größeres Angebot gegeben. „Manche Kunden meinten, hört ja nicht auf, bis ich mein erstes Enkelkind kriege“, sagt Zacher und lacht. Es kämen auch immer wieder Leute, die schon mit den Kindern da gewesen seien. „Jetzt kaufen sie schon für die Enkel ein“, erzählt Zacher. Das seien sehr schöne Momente für sie. Außerdem habe sie immer ein tolles Team gehabt. Ohne ihre Kollegen sei vieles nicht möglich gewesen. „Es ist viel Arbeit“, weiß Zacher aus Erfahrung. Man habe immer versucht, modisch zu sein, und trotzdem den Fokus auf das Naturbelassene, auf gute Materialien zu legen. „Trotzdem sollte es nicht abgehoben teuer sein“, betont Zacher. Das sei ihr besonders wichtig gewesen. „Jeder sollte sich etwas leisten können“, sagt sie. So habe man immer geschaut, dass in jeder Preisklasse etwas dabei ist.

Nach 30 Jahren ist damit jetzt allerdings Schluss. Obwohl es in den vergangenen Jahren viele schöne Momente gegeben habe, ist Zacher der Absprung wichtig. „Ich werde jetzt 70. Irgendwann muss man diesen Cut machen“, sagt Zacher. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür. Bereits letztes Jahr habe man nach einem Nachfolger gesucht. Allerdings habe sich nichts Passendes ergeben. Jetzt aber will Zacher die Chance ergreifen. „Wer weiß, was nächstes Jahr ist“, sagt sie. Die Stammkunden seien am Anfang natürlich schon traurig gewesen. Man habe ihnen aber gesagt, dass man sich um eine Fortsetzung bemühe.

Die steht nun fest, denn mittlerweile gibt es eine Nachfolgerin. Eva Jell führt bereits in Neubeuern seit eineinhalb Jahren den Laden „Kind und Kegel“ und soll das Geschäft im nächsten Jahr übernehmen. „Ab nächsten Montag, 2. Dezember, verkauft sie hier für drei Wochen Spielwaren“, so Zacher.

„Das wird erstmal eine Art Pop-up-Store“, erklärt Eva Jell. Mit Blick auf Weihnachten wolle man vor allem Spielzeug verkaufen. Die Aktion läuft bis 23. Dezember, im Januar 2025 gibt es dann eine kleine Pause. „In der Zeit wird das Geschäft ein bisschen hergerichtet“, sagt sie. Für Jell sei es eine „Bauchentscheidung“ gewesen. „Es wäre natürlich schade, wenn der Laden nicht mehr weitergeführt werden kann“, sagt die Nachfolgerin. Außerdem habe sie sich ein zweites Standbein aufbauen wollen. Nach dem Spielwarenverkauf geht es im Februar 2025 mit dem Vollsortiment weiter.

„Grundsätzlich bleibt der Laden der gleiche, auch der Name bleibt bestehen“, betont Jutta Zacher. Es gebe aber natürlich auch neue Kleidung und Accessoires. Auf Wunsch vieler Kunden sollen dann auch Bücher angeboten werden.

Viele Kunden
beim Abverkauf

Zacher freut sich, dass ihr Laden weitergeführt werden kann. Sie ist der Meinung, dass Geschäfte wie diese Rosenheim bereichern. „Ich hoffe, dass auch junge Kunden wieder herfinden und die Stadt zum Einkaufen nutzen“, sagt Zacher. Sie sieht es als durchaus problematisch an, dass immer mehr Läden in Rosenheim schließen.

„Wenn diese Geschäfte nicht unterstützt werden, wird ein Fachhandel nach dem anderen gehen“, so Zacher. Sie ist der Meinung, dass die nächste Generation solche Läden schätzen wird. So könne man bummeln und vor Ort etwas besorgen. In den Wochen des Abverkaufs war sie erstaunt, wie viele Menschen den Weg in den Laden gefunden haben. „So viele junge Kunden haben gesagt, dass sie gerne früher von uns gewusst hätten“, erzählt Zacher. Sie wünscht sich, dass der ein oder andere regelmäßiger in die Stadt kommt und dort einkauft – und so die regionalen Händler unterstützt.

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