Rosenheim – Oft sind es Kleinigkeiten, die für die meisten kaum zu erkennen sind. Eine falsche Zahl hier, ein zusätzlicher Strich dort oder ein falscher Name da. Die Auswirkungen können jedoch gravierend sein – sogar bis ins Gefängnis führen. Immer wieder kommt es vor, dass Menschen mit gefälschten Rezepten in Rosenheimer Apotheken auftauchen. Erst vor wenigen Wochen wurden ein Rosenheimer (46) und eine Frau aus Kolbermoor (34) am Amtsgericht zu Haftstrafen verurteilt, nachdem sie beim 16. Versuch, an Medikamente zu kommen, aufgeflogen waren.
Kein Einzelfall, wie Markus Bauer weiß. Der Inhaber der Alten Apotheke und der Römerapotheke in Rosenheim bekommt hin und wieder falsche Rezepte in die Hand gedrückt. Wie oft genau, das sei schwierig zu beantworten. „Es kann sein, dass es einmal die Woche ist, es kann aber auch sein, dass es alle zwei, drei Monate passiert“, sagt der Apotheker. Aber: Es kommt regelmäßig vor – und es hat in den vergangenen Jahren zugenommen.
Polizei ist auf Mithilfe
angewiesen
Der Rosenheimer Polizei sind aktuell neun Fälle bekannt, sagt Polizeihauptkommissar Robert Maurer auf OVB-Anfrage. Allerdings – auch das betont der Polizist – sei man auf die Mithilfe der Apotheken angewiesen. Denn meist werde die Polizei auf Rezeptfälschungen nur aufmerksam, wenn die Apotheken sich melden. Ausnahmen davon gibt es Maurer zufolge nur, wenn Krankenkassen nach Ungereimtheiten bei der Abrechnung Fälle anzeigen oder Fälschungen bei Hausdurchsuchungen gefunden werden. Den Tätern jedes Mal auf die Schliche zu kommen, sei allerdings nicht immer so einfach, sagt Markus Bauer. Dafür brauche es einen „erfahrenen, geschulten Blick“. „Teilweise sind die Fälschungen schon gut gemacht“, betont der Pharmazeut. Trotzdem kenne man die Tricks der Fälscher. Eine „beliebte“ Variante sei, dass zunächst einen Rezeptblock mit leeren Blättern geklaut wird. „Darauf wird dann handschriftlich ausgefüllt, was man braucht“, sagt Bauer. Objekt der Begierde seien dabei ganz oft Benzodiazepine – Arzneimittel, die unter anderem sedierend, angstlösend oder muskelentspannend wirken – wie Diazepam oder Lorazepam. Bei diesen Wirkstoffen, die missbräuchlich als Drogenersatz genutzt werden können, schaue man allein deswegen schon genauer aufs Rezept als bei anderen Medikamenten. „Für ein Blutdruckmedikament wird vermutlich niemand ein Rezept fälschen“, sagt Bauer.
Ebenfalls heiß begehrt ist zurzeit das Medikament Ozempic – die sogenannte Abnehmspritze. Eigentlich für die Behandlung von schwer einstellbarem Diabetes Typ 2 gedacht. Allerdings hemmt das Mittel das Hungergefühl und „hilft“ so beim Abnehmen. Dementsprechend groß ist der Hype darauf, auch bei Nicht-Diabetes-Patienten. Das Problem: Um an das Medikament zu kommen, braucht es ein Rezept vom Arzt. Deshalb probierten es einige mit einer Fälschung. „Manchmal werden die Spritzen auch im Internet zum Weiterverkauf angeboten“, weiß Bauer.
Außer den „beliebten“ Wirkstoffen gebe es dem Apotheker zufolge auf den Rezepten noch andere Hinweise auf eine Fälschung. Neben Rechtschreibfehlern bei Medikamenten- oder Arztnamen, zerknüllten Rezepten oder nervösen Kunden müsse man hellhörig werden, wenn das Rezept von einem Arzt kommt, der nicht aus der Nähe ist. „Wenn eine Postleitzahl aus Norddeutschland draufsteht, dann stellt sich die Frage, warum das Rezept bei uns eingelöst werden soll“, sagt Bauer. Daher sei der erste Schritt auch immer der Anruf beim ausstellenden Arzt – um zu klären, ob es alles seine Richtigkeit hat.
Aufklärung der Taten
manchmal schwierig
Hin und wieder werden auch Rezepte gefälscht, die maschinell bedruckt werden. „Da sind die ‚klassischen‘ Auffälligkeiten, wenn irgendwelche Daten fehlen, die eigentlich drauf sein sollten“, sagt Florian Nagele, Pressesprecher vom Bayerischen Apothekerverband für Rosenheim und selbst Inhaber einer Apotheke unter anderem in Kolbermoor. Vereinzelt werde auch versucht, die Unterschrift zu fälschen oder die verschriebene Medikamentenmenge nachträglich noch zu ändern. „Wenn mehrere Packungen verordnet sind, was einfach nicht üblich ist, dann ist das für uns schon ein Signal“, erklärt Nagele.
Tätern droht eine
Gefängnisstrafe
Wenn sich die Apotheker sicher sind, dass eine Fälschung vorliegt, wird die Polizei gerufen. „Im Idealfall treffen wir den Täter dann noch vor Ort an“, sagt Robert Maurer. Schwieriger wird es, wenn der Täter den Laden verlässt und der Namen des „Rezept-Einlösers“ nicht notiert wurde. Die Aufklärungsquote bei den Rezeptfälschungen liegt dem Polizisten zufolge bei rund 50 Prozent. „Wir erhoffen uns aber noch weitere Tatklärungen, welche die Quote anheben könnten“, betont Maurer.
Und wer erwischt wird, dem droht eine empfindliche Strafe. Das Fälschen eines Rezepts ist nach Paragraf 267 des Strafgesetzbuches eine Urkundenfälschung. Darauf kann – genauso wie auf den Versuch – eine Geldstrafe oder eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden.