Wenig Platz, kaum Personal, viele Fragen

von Redaktion

Zahl der Pflegebedürftigen steigt – und damit die Angst vor dem Älterwerden

Rosenheim – Die Situation ist ernst. Daraus machen Irmgard Oppenrieder und Jochen Faßhauer kein Geheimnis. Oppenrieder ist die Vorsitzende des Seniorenbeirats, Faßhauer leitet seit einem Jahr den Verein „Pro Senioren“. „Wir machen uns seit einiger Zeit Gedanken darüber, wie wir die Situation für die Senioren in der Stadt verbessern können“, sagt Oppenrieder.

Fast jeder Vierte
ist über 65 Jahre alt

Den Ist-Zustand liefert die Pflegebedarfsplanung für die Stadt Rosenheim, die den Stadträten bereits im vergangenen Jahr in der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familien und Senioren vorgestellt wurde. In Rosenheim leben derzeit 65799 Einwohner, 15300 davon sind über 65 Jahre alt. „Das sind rund 23,5 Prozent. Tendenz steigend“, sagt Faßhauer.

Dem Pflegegutachten zufolge sind 2,9 Prozent der Gesamtbevölkerung pflegebedürftig. Das sind rund 1900 Rosenheimer. 305 davon werden stationär versorgt, um 571 Bürger kümmern sich die Mitarbeiter der zehn ambulanten Pflegedienste in der Stadt. „Das heißt, dass derzeit 1032 Menschen derzeit von Angehörigen allein gepflegt werden“, fasst es Jochen Faßhauer zusammen. Eine Besserung scheint hier nicht in Sicht. Im Gegenteil. Denn die Zahl der Menschen ab 85 steigt. Heißt: Es wird auch immer mehr Pflegebedürftige geben. Zugleich bestehen in der Stadt erhebliche Probleme, Pflegekräfte zu finden.

Angebot muss ausgeweitet werden

Die Konsequenz: Menschen, die künftig pflegebedürftig werden, müssen länger zu Hause durch Angehörige gepflegt und betreut werden, falls die Zahl der Pflegeplätze und das Angebot im Bereich der ambulanten Pflege in der Stadt nicht ausreichend ausgeweitet werden kann. Neben der Gewinnung von zusätzlichen Pflegekräften und dem Ausbau der häuslichen Pflege muss auch in den einzelnen Sozialräumen ein Konzept ausgearbeitet werden – ähnlich, wie es in der Jugendhilfe der Fall ist. „Im Moment ist es beispielsweise so, dass in einem Hochhaus fünf verschiedene Pflegekräfte aktiv sind“, sagt Irmgard Oppenrieder. Für die Vorsitzende des Seniorenbeirats ein Unding. Sinnvoller sei es, wenn sich die einzelnen Pflegeeinrichtungen miteinander vernetzen. Genau zu diesem Schluss kommt auch die Stadtverwaltung. Ziel sei deshalb, eine sozialraumorientierte Seniorenhilfe aufzubauen. „Wie in der Jugendhilfe wirkt pro Sozialraum ein Wohlfahrtsverband beziehungsweise Träger der Sozial- und Jugendhilfe als verlässlicher Partner der Stadt“, heißt es aus dem Rathaus.

In jedem Sozialraum sollen zudem sogenannte Sozialraumlotsen angestellt werden. Sie sollen frühzeitig den Kontakt zu Menschen mit Hilfebedarf herstellen, die Angebote im Stadtteil erkunden und mögliche Versorgungslücken aufdecken. Dass es diese Lücken im Moment noch gibt, davon sind Irmgard Oppenrieder und Jochen Faßhauer überzeugt.

Lange Wartelisten, steigende Kosten

So seien zahlreiche Angehörige auf Unterstützung angewiesen, erhalten diese aber nicht. Oppenrieder erzählt zudem von langen Wartelisten bei den ambulanten Pflegediensten und gestiegenen Pflegekosten. „Bald wird es so sein, dass sich nur noch die gut situierten Leute die Pflege leisten können“, sagt sie.

Es ist nicht das einzige Thema, das ihr Bauchschmerzen bereitet. „In Rosenheim leben 8800 Menschen alleine“, sagt sie. Diese Menschen haben keine Angehörigen, in diesem Fall kann die Pflege also nicht in der Familie bleiben. Die Vorsitzende des Seniorenbeirats fordert deshalb, dass niedrigschwellige Beratungen und Unterstützungen aufgebaut werden – ergänzend zur Pflege. Hier könnten Senioren die Fragen loswerden, die sie im alltäglichen Leben beschäftigen.

Ambulante Pflege dringend benötigt

Zudem braucht es mehr ambulante Pflegedienste. Derzeit gibt es nur zehn Anlaufstellen, einige davon sind aufgrund unzureichender Finanzierung von der Insolvenz bedroht. Fehlende Pflegeplätze führen automatisch dazu, dass Patienten beispielsweise länger im Krankenhaus bleiben müssen, wenn für sie im Anschluss keine Pflege organisiert werden kann. „Das bedeutet Defizite für die Kommune“, sagt Faßhauer.

Erste Lösungen sollen im Rahmen einer Infoveranstaltung erarbeitet werden. „Seniorenarbeit ist kommunale Daseinsvorsorge“, sagte der Vorsitzende des Vereins „Pro Senioren“. Deshalb sei es die Aufgabe der Stadt Rosenheim, entsprechende Strukturen zu entwickeln.

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