Rosenheim – Battulga Battohztokh steht in der Manege. Sein Blick geht ins Leere, fast so, als ob er die zahlreichen Zuschauer überhaupt nicht wahrnimmt. Er trägt eine rote Hose, dazu Stiefel. Der Oberkörper ist nackt. Auf seinen Schultern balanciert er einen 60 Kilogramm schweren und sechs Meter langen Balken – der in Flammen steht. Er lächelt, drückt den Balken nach oben, wirft ihn in die Luft und fängt ihn mit seinem Nacken wieder auf, bevor er ihn durch die Luft wirbelt.
„Vor meinen Auftritten bin ich immer wahnsinnig aufgeregt“, sagt Battulga Battohztokh, den jeder nur „Tulga“ nennt, nach dem Auftritt. Er sitzt in den Rängen, bis auf einige Mitarbeiter ist das Zelt leer. Seit Mitte Dezember ist der 39-jährige Artist jetzt schon in Rosenheim – als ein Programmpunkt beim Weihnachtszirkus auf der Loretowiese.
„Mir gefällt es in Rosenheim sehr gut“, sagt er. Vor allem der Christkindlmarkt habe es ihm angetan, aber auch die Umgebung. Jeden Morgen joggt er von seinem Hotel zur Mangfall und wieder zurück. Er spaziert durch die Innenstadt, telefoniert mit seiner Familie und Freunden. Die meiste Zeit aber verbringt er in dem Zirkuszelt auf der Loretowiese. Dort, wo seine Bowlingkugeln und sein Holzstamm liegen. Hier fühlt sich der 39-Jährige am wohlsten.
Tulga ist in der Wüste Gobi geboren. Er studierte Geschichte, spielte mit dem Gedanken, Lehrer zu werden. Doch schon damals gehörte seine Leidenschaft dem Zirkus. Bereits als Jugendlicher habe er die Shows vom Zirkusfestival von Monte Carlo sowie dem Cirque du Soleil angeschaut. Immer und immer wieder. Sein Traum: irgendwann selbst einmal in der Manege stehen.
Athletisch sei er schon immer gewesen. Er habe es geliebt, sich mit seinen Brüdern zu wresteln und auf dem Bauernhof seiner Großmutter schwere Gegenstände von einem Ort zum anderen zu tragen. „Ich habe mir immer neue Herausforderungen gesucht“, sagt er. Statt nach seinem Studium also als Geschichtslehrer zu arbeiten, unterschrieb er einen Vertrag bei dem amerikanischen Zirkusunternehmen „Ringling Bros. and Barnum & Baily Circus“ – dem größten in den Vereinigten Staaten.
2009 zieht er gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern nach Chicago. Fast täglich steht er in der Manege, überlegt sich immer risikoreichere und schwierigere Nummern. „Es ist gefährlich“, sagt er. Vor einigen Jahren sei ihm bei einem seiner Auftritte eine Bowlingkugel auf den Kopf gefallen. Die Wunde musste mit sechs Stichen genäht werden. Noch heute erinnert eine Narbe an den Unfall. Auch Verbrennungen gehören für den 39-Jährigen zu seinem Zirkusalltag dazu. Trotzdem könnte er sich keinen schöneren Beruf vorstellen.
Doch es gibt auch Schattenseiten. Insbesondere die Tatsache, dass er einen Großteil des Jahres von seiner Familie getrennt lebt. „Manchmal kommen sie mich besuchen, aber Rosenheim war jetzt einfach zu weit weg“, sagt er. Trotzdem denkt er im Moment noch nicht über ein anderes Leben nach. Eines, in dem er nicht jeden Abend 15 Kilogramm schwere Bowlingkugeln jongliert. „Es macht mir zu viel Spaß, den Zuschauern zu zeigen, wozu wir Menschen in der Lage sind“, sagt er.
Einen Eindruck habe er so auch bei Dieter Bohlen, Bruce Darnell und Simon Cowell hinterlassen. 2018 nahm er bei der Show „America‘s got Talent“ teil, ein Jahr später stand er in Hamburg auf der Bühne und trat bei „Das Supertalent“ auf – in der Jury saß neben Darnell auch Dieter Bohlen. „Er ist der Lieblingssänger meiner Eltern“, sagt Tulga und lacht. Kurzerhand habe er Bohlen gebeten, sich auf eine Schaukel zu setzen. Diese war an einem Balken befestigt, welcher auf Tulgas Schultern lag. „Ich habe Bohlen dann durch die Luft gewirbelt“, sagt der 39-Jährige.
Insgesamt nahm er an 18 verschiedenen Talentshows teil, machte sich so weltweit einen Namen. Zudem hat der gebürtige Mongole gleich zwei Weltrekorde aufgestellt. Noch nie hat es jemand geschafft, einen brennenden Baumstamm für länger als eine Minute und 19 Sekunden auf den Schultern zu drehen. Niemand außer Tulga.
„Ich will Menschen auf der ganzen Welt mein Können zeigen“, sagt er. Bis Montag, 6. Januar, ist er noch in Rosenheim, anschließend geht es für ihn weiter nach Monaco. Dort findet das internationale Zirkusfestival von Monte Carlo statt. Jenes Festival, das er sich als Jugendlicher immer und immer wieder angeschaut hat. Jetzt steht er selbst in der Manege. „Für mich geht damit ein Traum in Erfüllung“, sagt er.