Vom Alltag im Bett zum normalen Leben

von Redaktion

Wie ein Rosenheimer Arzt einer Erschöpfungssyndrom-Patientin wieder Hoffnung gab

Rosenheim – Es begann mit Fieber und grippeähnlichen Symptomen. Als Diana Hoffmann (Name von der Redaktion geändert) Anfang des Jahres 2022 erkrankte, hätte sie wohl niemals damit gerechnet, welche Folgen die harmlos erscheinenden Krankheitszeichen mit sich bringen würden. Was sich durch einen Test herausstellen sollte: Die heute 26-Jährige war am Epstein-Barr-Virus erkrankt, besser bekannt als Pfeiffersches Drüsenfieber.

Die Erkältungssymptome verschwanden – doch die Erschöpfung blieb. Es ging sogar so weit, dass Hoffmann nicht mehr fähig war, einem geregelten Alltag nachzukommen. Jede geringste Anstrengung führte sofort wieder zu einem „Crash“. „Ich hatte für nichts mehr Energie“, beschreibt sie. Nichts ging mehr. „Es musste dunkel und still sein.“ Hinzu kamen massive Schlafstörungen. „Das ist wirklich schlimm. Man ist ohnehin den ganzen Tag schon so erschöpft und dann kann man nicht mal schlafen“, erzählt sie.

Odyssee durch
die Arztpraxen

Es folgte eine Odyssee aus Arztbesuchen, Terminen bei Heilpraktikern, Osteopathen und in Kliniken. Doch wirklich helfen konnte der jungen Frau niemand. „Bei den meisten Ärzten war ich um die zehn Minuten und dann wurde mir eine Depression diagnostiziert“, erzählt sie. Viele hätten sich schlichtweg keine Zeit genommen – sie auch nicht ernst genommen. Hätten ihr geraten, sich einfach mehr zu bewegen, an die frische Luft zu gehen. Doch an Sport und Bewegung war nicht zu denken.

Sobald sich Hoffmann ein wenig fitter fühlte und mehr bewegte, folgte der nächste Einbruch. Von der gesunden jungen Frau, die einem Vollzeitjob nachging, ihren Haushalt schmiss und zusätzlich noch vielseitig sportlich aktiv war, blieb nicht mehr viel übrig.

Und auch im privaten Umfeld wurde Hoffmann immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Freunde und Bekannte versuchten ihr einzureden, dass sie sich ihre Beschwerden ja nur einbilde. „Das macht etwas mit einem, wenn man nie ernst genommen wird“, sagt sie. Heute kann sie sich das Verhalten ihrer Mitmenschen besser erklären. „Viele Menschen haben eine innere Ablehnung gegen solche Krankheiten, die für sie selbst solch eine schlimme Vorstellung sind. Daher reden sie sich selbst und den Betroffenen dann ein, sie würden sich die Krankheit nur einbilden. Um praktisch eine innere Barriere zu schaffen.“

Auch für Hoffmann war es anfangs schwierig, zu akzeptieren, erkrankt zu sein. „Man möchte und kann das einfach nicht akzeptieren. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft – und wenn man nichts leistet, ist man gestresst. Und auch das kostet eine Menge Energie.“

Diana Hoffmann hat in den vergangenen Jahren die verschiedensten Therapiemethoden getestet. Von Antidepressiva bis Vitamin-Infusionen. Allerdings ohne langfristige Erfolge. Bis sie durch eine Bekannte von Dr. Robert Niedermaier erfuhr. Der Rosenheimer Internist verfolgt einen anderen Ansatz. „In den vergangenen Jahren haben in meiner Praxis immer mehr Menschen über Erschöpfung geklagt. Daher habe ich mich dann zunehmend mit dem Thema – und nach eigenen positiven Erfahrungen – speziell mit der Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT) befasst.“, erzählt der Arzt.

Sauerstofftherapie
für mehr Energie

Infolgedessen hat er sich auch näher mit der Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis oder auch Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) auseinandergesetzt, an der auch Hoffmann erkrankt ist. „Das chronische Fatigue-Syndrom bildet sich meist infolge eines akuten Ereignisses aus. Früher waren dies hauptsächlich Virusinfekte wie das Pfeiffersche Drüsenfieber oder auch gelegentlich eine Grippeerkrankung, in jüngster Zeit wurden aber viele Menschen nach einer durchgemachten Covid-Erkrankung über längere Zeit körperlich nicht mehr vollständig fit, bekannt als Long- oder Post-Covid-Erkrankung.“

„Bis jetzt konnte wissenschaftlich noch nicht geklärt werden, wie und bei welchen Personen ein derartiger Krankheitsverlauf entsteht. Deshalb besteht auch keine wirkliche ursächliche Behandlungsmöglichkeit“, erklärt der Mediziner. Bei leichtester körperlicher oder psychischer Belastung seien die Betroffenen völlig erschöpft, brauchen oft viele Stunden, um sich wieder zu erholen. „Es bestehen trotz Müdigkeit oftmals Schlafstörungen, die Patienten klagen häufig über Schwindel, Schmerzen, Magen-Darm-Probleme und Gewichtszunahme“, sagt Niedermaier. Sein Ansatz, um den Symptomen zu begegnen: Die Mitochondrien, die Energie und Kraft für die Zellen liefern, wieder anzuregen – und zwar mit Hilfe einer Sauerstofftherapie. Diese funktioniert ähnlich wie das Höhentraining bei Leistungssportlern. „Bei der IHH-Therapie gibt man dem Körper im Wechsel zunächst weniger Sauerstoff, danach mehr Sauerstoff als in der normalen Atemluft. Damit setzt man den Körper und seine Mitochondrien unter einen gewissen Stress“, erklärt Niedermaier. Das führe schließlich zu einer Vermehrung der gesunden Mitochondrien und so zu mehr Energie.

Bei Dr. Niedermaier fühlte sich Diana Hoffmann das erste Mal wirklich ernst genommen. „Er war der erste Arzt, der ein einstündiges Aufnahmegespräch geführt hat“, sagt sie. Im April 2024 startete sie die Sauerstofftherapie. Zweimal die Woche, je etwa eine Stunde, verbrachte sie in der Praxis am Sauerstoffgerät. „Es hat etwa zwei Monate gedauert, bis ich überhaupt eine Besserung bemerkt habe“, erzählt die 26-Jährige. „Am Anfang war es sehr anstrengend für mich. Mein Körper war ja zu diesem Zeitpunkt komplett untrainiert.“

Niedermaier ist überzeugt von der Methode: „Erfreulicherweise konnten bisher die meisten Patienten berichten, dass ihnen diese Methode – in unterschiedlicher Weise und Ausprägung – geholfen hat.“ Und das betrifft nicht nur Menschen mit dem Erschöpfungssyndrom. Auch Menschen mit Asthma, Lungenkrankheiten oder Personen, die aufgrund einer Tumorerkrankung eine Chemotherapie machen mussten, können ihm zufolge davon profitieren. Was er allerdings auch betont: „Es ist selbstverständlich kein Wundermittel, aber es kann durch sein überzeugendes Wirkprinzip die Krankheitssymptome meist deutlich bessern.“

Gesetzliche Kassen
zahlen Therapie nicht

Allerdings wird dieses Mittel von den gesetzlichen Krankenkassen bisher gar nicht bezahlt und auch die privaten Kassen übernehmen die Therapiekosten nur in Ausnahmefällen. „Dies ist besonders dann bedauerlich, wenn man offensichtliche Therapieerfolge vorzuweisen hat, die den Patienten nach oft langer Zeit wieder arbeitsfähig machen oder teure Krankenhausaufenthalte vermieden haben.“ Niedermaier hofft, dass die derzeit laufenden Studien zur IHHT bald dazu führen, dass die Therapie auch bei den Kostenträgern anerkannt wird.

Wertschätzung des
Lebens gestiegen

Für Hoffmann war die Sauerstofftherapie der Startschuss für den Weg zurück in ein normaleres Leben. Inzwischen ist sie einmal pro Woche zur Sauerstofftherapie in der Praxis. Und kann auch endlich wieder ihren Alltag bestreiten, ohne ans Bett gefesselt zu sein. „Es ist wirklich der Wahnsinn, wie sehr man sein normales Leben wertzuschätzen lernt. Dann kann man einen einfachen Spaziergang oder ein Essen mit Freunden viel mehr genießen.“

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