ÖPNV vor dem Kollaps?

von Redaktion

Der Rosenheimer ÖPNV steckt in der Krise. Zumindest, wenn man bei einigen Fahrgästen nachfragt. Während der Feiertage kam es innerhalb von fünf Tagen zu fast 250 Ausfällen. Die Kritik ist groß – auch aus der Politik. Jetzt soll es kleine Verbesserungen und aktuellere Informationen geben. Doch reicht das?

Rosenheim – Frank W. hat vor einiger Zeit die Entscheidung getroffen, nicht mehr mit dem Auto zu fahren. Stattdessen setzt der Rosenheimer auf den ÖPNV. Jeden Morgen fährt er mit dem Bus in die Arbeit, am Abend zurück nach Hause. Doch in den vergangenen Wochen hat er immer öfter mit der Idee gespielt, doch wieder aufs Auto umzusteigen. „Die Bussituation in der Stadt ist dramatisch“, sagt er am Telefon. Um die Feiertage herum sei es besonders schlimm gewesen.

Bis zu zwei Stunden Verspätung

Laut W. sind die Busse entweder überhaupt nicht gekommen oder mit massiven Verspätungen. Es habe auch Tage gegeben, an denen er über zwei Stunden auf den Bus gewartet hatte – manchmal vergeblich. „Das ist nicht tragbar. Ich verstehe nicht, wie man so mit Fahrgästen umgehen kann“, sagt er.

An etlichen Haltestellen in der Stadt gibt es ihm zufolge keine Möglichkeit, sich unterzustellen oder hinzusetzen. „Gerade für ältere Menschen ist das ein Problem“, sagt er. Zudem mussten die Fahrgäste bei Minustemperaturen ausharren.

Kritik an fehlender Kommunikation

Frank W. ärgert sich insbesondere darüber, dass die Ausfälle zum Teil erst sehr spät oder überhaupt nicht kommuniziert werden. „So etwas habe ich noch in keiner anderen Stadt erlebt“, sagt der Rosenheimer. Weil er die Situation nicht unkommentiert lassen will, hat er bereits das Gespräch mit Tobias Weiß, Geschäftsführer der „Verkehrsgesellschaft Rosenheim“ gesucht. Zufriedenstellende Antworten habe es W. zufolge nicht gegeben.

Frank W. ist nicht der Einzige, der sich über die aktuelle Situation beschwert. Der Rosenheimer Günter Eberle hat sogar eine Online-Petition ins Leben gerufen, um gegen die Busausfälle vorzugehen. „Seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember fallen täglich über 50 Verbindungen ersatzlos aus“, sagt er. Dies habe „erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit der Bürger.“

Auch Eberle kritisiert, dass einige Stadtteile zeitweise für bis zu zwei Stunden nicht angefahren werden. „Fahrgäste werden einfach stehen gelassen“, sagt er. Ihm zufolge seien es vor allem Abendbusse, die ausfallen würden. „Viele Menschen haben also keine Möglichkeit mehr, nach Hause zu kommen“, kritisiert Eberle. Er hat sich die Mühe gemacht und jeden Ausfall dokumentiert: „An fünf Tagen hatten wir 250 Ausfälle.“

Dass es vor allem rund um die Feiertage im Dezember zu Ausfällen gekommen ist, weiß auch Christian Baab, Pressesprecher der Stadt Rosenheim. „Grund war ein punktueller Personalengpass aufgrund einer Krankheitswelle“, sagt er auf OVB-Anfrage.

An manchen Tagen hätten sich die Busfahrer erst um 4 Uhr in der Früh gemeldet, mit der Nachricht, dass sie den Bus in 15 Minuten nicht bedienen können. „In dieser Zeit kann man keinen Ersatz organisieren“, sagt der Pressesprecher. So würden sich die zum Teil kurzfristigen Ausfälle erklären. „In der Branche menschelt es eben auch. Niemand ist gerne krank“, unterstreicht er.

Doch genau diese Aussage zweifelt zumindest Günter Eberle an. „Ich glaube nicht, dass die momentane Situation auf massive Krankheitsausbrüche unter den Fahrern zurückzuführen ist“, sagt er. Vielmehr glaubt er an ein strukturelles Problem. „Bis um 14 Uhr klappt es meistens, danach kollabiert das System“, sagt Eberle. Er fordert die Verantwortlichen deshalb auf, „einen zuverlässigen und konsistenten Stadtverkehr zu gewährleisten.“

Laut Christian Baab ist die Stadt ständig damit beschäftigt, den Fahrplan zu optimieren. „Wir haben ihn in Teilen schon angepasst. Es ist ein fortlaufender Prozess“, sagt er. Außerdem werden an den Haltestellen größere QR-Codes angebracht, mit denen für jede Haltestelle Echtzeitinformationen eingeholt werden können. Fahrgäste müssen lediglich den Code mit dem Handy scannen und erhalten dann Informationen, wann der nächste Bus kommt und ob er möglicherweise verspätet ist.

„Es gibt auch Überlegungen, an ausgewählten Haltestellen Echtzeit-Informationen anzubringen. Das wird derzeit geprüft“, sagt Baab. Im Moment gebe es die Möglichkeit, über die MVV-App eine Echtzeit-Information zu erhalten. Auch das soll noch weiter optimiert werden. Baab weist in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass sich der Busverkehr nach den Weihnachtsferien wieder normalisiert hat und kaum mehr Busse ausfallen.

Doch vom Tisch ist das Thema noch lange nicht. Denn sowohl die CSU als auch die Grünen sind auf der Suche nach Antworten – und fordern Verbesserungen. „Zahlreiche Eltern, Elternbeiräte und ältere Busnutzer waren stark beeinträchtigt“, sagt CSU-Fraktionsvorsitzender Herbert Borrmann. Vor allem das Informationsdefizit sei von den Betroffenen immer wieder beklagt worden.

Aus diesem Grund spricht sich seine Fraktion dafür aus, ein Qualitätsmanagement einzurichten und die Ergebnisse entsprechend zu dokumentieren. „Damit möchten wir unter anderem eine deutlich verbesserte Personalsteuerung der Busfahrersituation erreichen“, heißt es in einem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Zudem sollen Gespräche mit privaten Busunternehmen geführt werden, um im Notfall zusätzliche Kapazitäten zu bekommen.

Neben größeren QR-Codes schlägt die CSU zudem vor, dass die individuelle Haltestellen-„Live-Ansage“ per Telefon geprüft wird. Um die ÖPNV-Nachfrage zu verbessern, sollen zudem „Park-and-Ride“-Parkplätze an Bushaltestellen eingerichtet werden – zunächst im Süden der Stadt. „Diese könnten entlang der Happinger Straße mit einem kombinierten Park- und Busausweis ausgestattet werden“, sagt Borrmann.

Busse müssen verlässlich sein

Keine Vorschläge, dafür aber Aufklärung, fordern die Rosenheimer Grünen. „Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 häufen sich die kurzfristigen Ausfälle von diversen Linien im Rosenheimer Stadtverkehr“, sagt Fraktionsvorsitzende Sonja Gintenreiter. Sie unterstreicht, dass die Verlässlichkeit der Busse wesentlich für Akzeptanz und Erfolg des ÖPNV ist.

Aus diesem Grund wollen die Grünen eine Auflistung aller Ausfälle seit dem Fahrplanwechsel haben. Zudem soll in der nächsten Sitzung des Verkehrsausschusses geklärt werden, welche Gründe es für den massiven Anstieg der Ausfälle gibt, welche Maßnahmen deshalb unternommen wurden, wie die Ausfälle gegenüber den Fahrgästen kommuniziert werden und wie in Zukunft sichergestellt werden soll, dass solche Ausfälle vermieden werden.

Nächster Ausschuss Mitte März

Doch so schnell wird es keine Antworten geben. Der nächste Verkehrsausschuss, der am Donnerstag, 30. Januar, stattfinden sollte, wurde abgesagt. Der nächste findet erst wieder Mitte März statt.

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