Aktivistin verklagt Rosenheimer Polizei

von Redaktion

Die Anschuldigungen wiegen schwer: Rosenheimer Polizisten sollen eine Aktivistin (19) dazu aufgefordert haben, sich in der Zelle bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Die junge Frau hat Klage eingereicht. Nun äußert sich das Innenministerium.

Rosenheim – Das Thema bewegt die Menschen. Vor allem in den sozialen Medien. Nachdem bekannt wurde, dass eine 19-jährige Frau Klage gegen die Rosenheimer Polizei eingereicht hat, weil sie sich in der Zelle bis auf die Unterwäsche ausziehen musste, ist im Internet eine Diskussion entbrannt. Einige loben die Arbeit der Beamten, andere hinterfragen, ob die Maßnahme wirklich notwendig gewesen ist.

Kein Regelfall, aber auch keine Ausnahme

„Der Regelfall ist eine Entkleidung nicht, aber es ist auch nicht so, dass es nie vorkommt“, erklärt der Rosenheimer Rechtsanwalt Peter Dürr auf OVB-Anfrage. Man müsse sich immer den Einzelfall anschauen.

In Rosenheim war die 19-Jährige im April 2023 von der Polizei mit auf die Wache genommen worden, nachdem sie ein leer stehendes Haus an der Münchener Straße besetzt hatte.

Auf der Wache wurde sie von den Beamten – so schildert sie es in einer Pressemitteilung – vollständig durchsucht und musste sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Während ihrer Zeit in der Zelle seien auch immer wieder männliche Polizisten vorbeigekommen, um sie zu befragen. Jetzt wirft die 19-Jährige den Polizisten vor, rechtswidrig gehandelt zu haben.

„Sofern eine Person durch die Polizei in Gewahrsam genommen wird, darf sie nach Gegenständen durchsucht werden, die geeignet sind, die Polizeibeamten oder Dritte anzugreifen und zu verletzen oder auch sich selbst Schaden zuzufügen“, teilt ein Sprecher des Innenministeriums mit. Hierunter fallen neben Waffen und Explosionsmitteln auch Nagelfeilen, Rasierklingen, Feuerzeuge oder Essbesteck. „Ebenso können es Gürtel oder Kleidungsstücke sein, mit denen sich die in Gewahrsam genommene Person ersticken oder strangulieren könnte. Derartige Gegenstände dürfen durch die Polizei sichergestellt werden“, fügt der Sprecher hinzu.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Bei der Durchsuchung muss ihm zufolge auf verschiedene Vorschriften geachtet werden. So darf eine Person nur von Personen gleichen Geschlechts oder von Ärzten durchsucht werden – außer in den Fällen, in denen eine sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Intergeschlechtlichen oder transidenten Personen soll zudem die Möglichkeit gegeben werden, die Durchsuchung einer Person, einem Arzt bestimmten Geschlechts oder einer Person des Vertrauens zu übertragen.

„Die Durchsuchung soll überdies, sofern die Umstände es zulassen, nicht in Gegenwart Unbeteiligter vorgenommen werden“, unterstreicht der Ministeriumssprecher. Bei jeder körperlichen Durchsuchung sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. „Die vollständige körperliche Entkleidung ist nur dann zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person in ihrer Kleidung oder an ihrem Körper Gegenstände versteckt, die sichergestellt werden dürfen.“ Insofern liegt ihm zufolge stets eine Einzelfallentscheidung der durchführenden Polizisten vor.

Sowohl Durchsuchungen als auch Entkleidungen müssen im Aufnahmenachweis der jeweiligen Gewahrsamseinrichtung dokumentiert werden. Im Falle der 19-Jährigen müsste eine entsprechende Dokumentation also auf der Dienststelle der Rosenheimer Polizei liegen. Und genau diese interessiert jetzt auch das Bayerische Verwaltungsgericht. Dort ging die Klage der jungen Frau am 13. Januar ein. Das bestätigt ein Pressesprecher auf OVB-Anfrage.

Polizei muss
Akten vorlegen

„Der Beklagte wurde aufgefordert, die Behördenakten vorzulegen und sich zur Sache zu äußern“, teilt das Gericht mit. Im vorbereitenden Verfahren werden ihm zufolge zunächst Schriftsätze ausgetauscht. „Dies ist aktuell abzuwarten, bevor es dann gegebenenfalls im späteren Verlauf zu einer mündlichen Verhandlung und gegebenenfalls streitigen Entscheidung kommt“, fügt er hinzu.

Wie es im Fall der Rosenheimer Polizei weitergeht, bleibt also abzuwarten. „Im Rahmen des Klageverfahrens wird die Behörde sicherlich einen Grund für die Maßnahme nennen müssen“, sagt der Rechtsanwalt Peter Dürr. Neben der Rechtsgrundlage gehe es immer auch um die Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit.

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