Parolen und Polizeieinsatz im Rathaus

von Redaktion

Aktivisten kapern Stadtratssitzung – Vereidigung von Stefan Bauer sorgt für Wirbel

Rosenheim – Um kurz nach 17 Uhr öffneten sich die Türen des großen Sitzungssaals. Hinein strömten Besucher, Mitarbeiter des Architektenbüros, die das Gebiet rund um die Eichfeldstraße planen – und etliche Demonstranten. Jung und Alt hatten sich an diesem Abend versammelt, um ihrem Ärger über die Vereidigung von Stefan Bauer Luft zu machen.

Bauer folgt auf AfD-Politiker Hans Raß, der am 24. November im Alter von 85 Jahren verstorben war. Bauer trat bei den Kommunalwahlen im März 2020 für die AfD für den Stadtrat an und landete auf dem Nachrücker-Platz. Seitdem hat er immer wieder mit Negativ-Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht.

Nach AfD-Ausschluss parteilos unterwegs

So lud er beispielsweise 2021 auf Telegram einen Clip hoch, in dem er Parallelen zwischen Impfgegnern und Verfolgten des NS-Regimes zog. Die AfD äußerte sich damals ungehalten über die Äußerungen und distanzierte sich von Bauer. Später wurde er sogar aus der Partei ausgeschlossen. Seitdem tritt Bauer als Parteiloser auf und zieht als solcher auch in den Rosenheimer Stadtrat ein.

Ganz in Weiß gekleidet, erschien er schon eine Stunde vor Sitzungsbeginn im Rathaus. Über den Messenger-Dienst Telegram hatte er Freunde und Anhänger dazu eingeladen, an seiner Vereidigung teilzunehmen. Einige mischten sich unter die Besucher und verfolgten eine Sitzung, die es so wohl noch nie gegeben hat.

Gleich zu Beginn zeigten die Mitglieder der Grünen und der SPD, dass sie mit der Vereidigung des neuen Stadtrats so gar nicht einverstanden sind. Während Bauer sich auf den Weg zum vorderen Teil des Sitzungssaals machte, um seinen Eid zu leisten, verließen sie geschlossen den Raum.

Grüne erfüllt mit Sorge und Wut

Bereits vorab äußerten sich die Politiker, machten deutlich, dass sie mit Bauer nichts zu tun haben wollen. „Die Tatsache, dass wir als demokratisch gewähltes Gremium im Stadtrat einen erklärten Querdenker-Propagandisten und Rassisten als Nachrücker eines verstorbenen Stadtratsmitglieds aufnehmen, erfüllt mich mit Sorge und Wut“, sagt Stadtrat Karl-Heinz Brauner (Grüne).

„Dass eine Demokratie Demokratiefeinde dulden muss, ist für mich unerträglich. Die Vereidigung eines Extremisten sollte den Gesetzgeber wachrütteln“, ergänzte Abuzar Erdogan, Fraktionsvorsitzender der SPD. „Nicht-Demokraten muss man demokratisch begegnen“, sagte hingegen CSU-Fraktionschef Herbert Borrmann vor der Sitzung am Telefon. Er zeigte sich davon überzeugt, dass Bauer relativ schnell merken wird, dass er „im Raum nicht erwünscht ist.“

Und genau dieses Gefühl wurde Bauer auch von den zahlreichen Aktivisten vermittelt. Noch bevor Oberbürgermeister Andreas März mit der Vereidigung beginnen konnte, begannen sie mit „Alle Nazis raus“-Rufen. Sie plädierten dafür, den „Rechtsruck zu stoppen“ und erinnerten die verbliebenen Stadträte im Raum daran, dass man gerade dabei sei, „einen Faschisten zu vereidigen.“

Bemühungen vonseiten der Verwaltung, die rund 20 Demonstranten zum Gehen zu bewegen, schlugen fehl. „Sie verstoßen gegen das Hausrecht“, sagte Oberbürgermeister Andreas März. Erneut forderte er sie zum Gehen auf – ohne Erfolg. Schließlich musste die Polizei gerufen werden. Etliche Beamte marschierten in den Sitzungssaal ein. Sie verschafften sich einen Überblick, konnten innerhalb kürzester Zeit alle Aktivisten aus dem Rathaus entfernen. Einige von ihnen wurden mit auf die Dienststelle genommen. Während Personalien festgestellt und Anzeigen wegen Hausfriedensbruch geschrieben wurden, wurde die Vereidigung von Stefan Bauer fortgesetzt. Mit der rechten Hand in der Höhe, schwor er „Treue dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaats“, schwor, „den Gesetzen gehorsam zu sein und seine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, und die „Rechte der Selbstverwaltung zu wahren und ihren Pflichten nachzukommen.“

Offiziell im Stadtrat willkommen geheißen

Wenige Sekunden später hieß Oberbürgermeister Andreas März, Stefan Bauer offiziell willkommen im Rosenheimer Stadtrat. Zügig ging er zurück zu seinem Platz, verfolgte die Sitzung. Er stimmte für die Pläne rund um die Eichfeldstraße, nickte, als vorgestellt wurde, wie es mit dem Kindergarten in der Hailerstraße weitergehen sollte. Hin und wieder schrieb er etwas in sein Notizbuch.

Die Aufregung um seine Person – so schien es zumindest – störte ihn während der gesamten Sitzung nicht.

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