Rosenheim – Bei der 111. Jahreshauptversammlung des MGV Liederkranz Aising wurde deutlich, dass sich der Verein an einem Wendepunkt befindet.
Dirigent Erich Declara hat, wie bereits sei längerem angekündigt, sein Amt niedergelegt und teilte mit, dass der Chor in der jetzigen Besetzung nicht mehr öffentlich auftreten könne.
Schon lange hatte sich abgezeichnet, dass dieser Tag kommen würde.
Die Überalterung des Chores (mit einem aktuellen Altersdurchschnitt von fast 80 Jahren), aber auch die Tatsache, dass die Zahl der Sänger sich immer weiter verringert und bei den verbleibenden, momentan noch 16 Chormitgliedern Stimme und Atemmuskulatur nachlassen, haben den Dirigenten zu seiner Entscheidung geführt, die ihm, wie er mehrfach betonte, nicht leichtgefallen sei.
Vorsitzender Benno Rummel hob in seinem Jahresrückblick hervor, wie gut es war, im vergangenen Jahr noch einige wenige aber wichtige Auftritte absolviert zu haben, insbesondere die Mitwirkung beim Innkreis Sängerfest und am Weihnachtsabend das Singen in der Aisinger Kirche. Beide Auftritte seien noch einmal sehr gut gelungen, wurden mit großem Applaus bedacht und werden sicher in der Erinnerung als „guter Abschied“ in den Gedanken der Zuhörer erhalten bleiben. Für seine herausragenden Verdienste mit seiner 21-jährigen Chorleiter-Tätigkeit beim MGV ernannte Benno Rummel den scheidenden Dirigenten Erich Declara zum Ehrendirigenten.
Dieser bedankte sich mit bewegenden Worten und stellte fest, dass ihm die Arbeit mit den Sängern sehr viel Freude bereitet hätte. Er habe sehen können, dass seine Mühen in all den Proben Früchte getragen hätten und hätte zusammen mit dem Chor viele gute Aufführungen erlebt. Der Chor kam immer gut an – das war ihm eine große Freude.
Sänger Robert Stark erklärte, er sei nun schon seit fast 30 Jahren als aktiver Sänger im Verein und möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um seine Situation im Chor zu schildern. Als Spätaussiedler, Russland-Deutscher, kam er 1994 nach Rosenheim und hatte anfangs Mühe, sich zurechtzufinden. Er habe all die Leute gesehen, die zusammenstanden und wollte auch dazugehören – aber wie?
Auf einen Vorschlag seiner Frau erkundigte er sich bei der Stadt, ob es denn vielleicht irgendwo einen Chor gäbe, dem er sich anschließen könnte. So landete er in Aising, beim Männerchor. Vom ersten Tag an wurde er von allen freundlich aufgenommen, er habe nie den Eindruck gehabt, dass er fremd wäre oder jemand ihn nicht haben wollte.
Es sei für ihn bis zum heutigen Tage etwas Besonderes, dabei sein zu dürfen und anerkannt zu werden. Er habe mit dem Verein so viel erlebt, das bayerische Leben „von innen“ kennengelernt, das Wesen der Menschen, die Bräuche.
Er bedankte sich in bewegenden Worten bei seinen Sängerkollegen für dieses großartige Miteinander, und schenkte dem Vorstand zum Zeichen seines Dankes seine Biografie „Meine Umzüge“, in der er von den vielen unfreiwilligen Umzügen seines Lebens in Russland und Kasachstan sowie von seinem letzten Umzug nach Deutschland berichtete – und darüber, wie er hier mithilfe des MGV angekommen sei. Die Wahlen brachten innerhalb der Vorstandschaft zwei Neubesetzungen:
Fritz Bissinger, 39 Jahre lang Kassier des MGV, hatte seinen Posten bereits vor einem Jahr zur Verfügung gestellt. Als neuer Kassier wurde Rudi Wallner gewählt, der das Amt bereits kommissarisch geführt hatte.
Als neuer Schriftführer übernahm Sepp Hainz vom langjährigen Amtsinhaber Franz Weinzierl nach 35 Jahren dessen Ressort. Bissinger und Weinzierl waren beide aus Altersgründen nicht mehr angetreten. Benno Rummel bedankte sich bei ihnen für das jeweils außergewöhnlich lange und intensive Engagement und bei den beiden Nachfolgern für ihre Bereitschaft „im richtigen Moment“ einzusteigen.
Der MGV Liederkranz Aising wird als Verein weiter bestehen bleiben. Anstelle der Proben und Auftritte sind monatliche Treffen geplant, mit jeweils einem kleinen Programm, mit Musizieren und gemeinsamem Singen oder einer „Bilderreise der Erinnerungen“. Dazu ist die Bevölkerung, sind die Sängerfrauen, die Vereinsmitglieder, die treuen Freunde und alle anderen Interessierten bereits jetzt herzlich eingeladen.
Sollte ein Nachfolger für Erich Declara gefunden werden und vielleicht noch der ein oder andere neue Sänger (möglichst im Alter ab 50/60 Jahren) dazukommen – wer weiß, dann könnte sich das Blatt vielleicht noch einmal wenden und der Chor das aktive Singen wieder aufnehmen. Die Hoffnung aller auf ein derartiges „Vielleicht“ war deutlich zu spüren.