Hunderte Kinder entbunden

von Redaktion

Seit 42 Jahren arbeitet Elisabeth Steer als Hebamme. Vor 25 Jahren hat sie mit mehreren Kolleginnen das Geburtshaus in Rosenheim gegründet. Was sich seitdem verändert hat und wie man dort auf Notsituationen vorbereitet ist.

Rosenheim – 25 Jahre ist es nun her, als im Geburtshaus Rosenheim am 2. Februar 2000 das erste Baby zur Welt kam. Seitdem hat sich einiges getan – und zwar nicht nur, was die Arbeit der Hebammen angeht. Auch das Lebensumfeld der Mütter ist inzwischen ganz anders, als es im Jahr 2000 der Fall war. Das erzählt Elisabeth Steer, Hebamme und Gründungsmitglied, im OVB-Gespräch.

Ein Ende wird
zum Anfang

Die Idee zur Gründung des Hauses entstand mit dem Ende der Frauenklinik in Rosenheim. „Wir waren damals zehn oder zwölf Hebammen und haben uns auf die Suche nach einer geeigneten Immobilie gemacht“, erzählt Steer. Fündig wurden sie schließlich dort, wo das Geburtshaus auch heute noch zu finden ist: in der Erlenaustraße 27 in Rosenheim – ganz in der Nähe des Klinikums. Dabei war die Nähe zum Krankenhaus damals gar kein dringendes Auswahlkriterium. „Das ist einfach ein praktischer Zufall. Hausgeburten macht man ja auch keine drei Meter neben dem Klinikum“, macht Steer deutlich.

In ihren inzwischen 42 Jahren als Hebamme hat Steer bereits Hunderte Geburten begleitet. Doch sie sieht sich nicht nur als Begleitung und Unterstützung für die Familien. Gerade in der heutigen Zeit sei es besonders wichtig, die Mütter auch durch die Fülle der Informationen zu führen, die durch das Internet, Familie, Freunde und Bekannte auf sie einprasseln. „Man hat als Hebamme auch den Auftrag, die Frau zu unterstützen und Bedenken oder Ängste aufzulösen.“ Einen besonderen Vorteil sieht sie hierbei auch in der Eins-zu- Eins-Betreuung im Geburtshaus. Heißt: Sie betreut eine Frau durch die gesamte Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett. Für sie ist auch klar: „Eine normale Geburt kann sich jede gesunde Schwangere zutrauen.“

Was allerdings vor der Geburt abgeklärt werden muss, sind gewisse medizinische Aspekte. Dazu gibt es in der 28. Schwangerschaftswoche ein großes Aufklärungsgespräch. Darin werden unter anderem Fragen geklärt wie „Was sind Verlegungskriterien während oder nach der Geburt?“ oder „Wie lange dauert es in der Regel, bis der Krankenwagen hier ist?“. Betrachtet man die Zahlen, kommt es gar nicht so häufig vor, dass es im Geburtshaus zu Verlegungen während der Geburt oder der Verlegung des Neugeborenen kommt. Bei den über 100 Geburten im Jahr 2024 wurde Steer zufolge nur ein Neugeborenes ins Klinikum verlegt. Bei den Geburten selbst liegt die Quote bei circa 15 Prozent.

Das liegt allerdings auch daran, dass es auch Ausschlusskriterien für eine Geburt bei Steer und ihren Kolleginnen gibt. So wird dort erst drei Wochen vor dem Geburtstermin entbunden – also keine Frühgeburten. Auch keine Zwillinge, keine Beckenendlagen, keine Frauen mit einem insulinpflichtigen Diabetes. Es gibt verschiedene Kriterien, bei denen eine Frau schlichtweg besser in der klinischen Geburt aufgehoben ist.

Für Steer und ihre sechs Kolleginnen sind die Geburten in ihrem Haus etwas ganz Besonderes. „Wir betrachten immer die Frau als Ganzes und können uns durch die Eins-zu-Eins-Betreuung viel Zeit nehmen“, sagt Steer. Auch die „heimeligen Räumlichkeiten“ und dass man als Hebamme so sehr auf die Ressourcen der Frauen eingehen kann, sind für sie große Vorteile des Geburtshauses. Die intensive Betreuung der Frauen bedeutet aber auch für die Hebammen eine Menge Einsatz. Drei der Hebammen sind in der Geburtshilfe tätig und bieten zudem noch Hausgeburten an. Da man eine Entbindung allerdings schlecht terminieren kann, bedeutet das Rufbereitschaft. „Wir haben einmal im Monat vier freie Tage“, erklärt Steer. Gäbe es mehr Nachwuchs, könnten die Hebammen in den Schichtbetrieb wechseln. Doch neue Fachkräfte zu finden, ist auch in diesem Berufszweig nicht leicht. Nach wie vor ist das Thema Haftpflichtversicherung für die freiberuflichen Hebammen eine teure Angelegenheit. „Das sind immer noch horrende Summen“, sagt Steer. „Wir haben je Hebamme in diesem Jahr 12000 Euro außerklinische Berufshaftpflichtversicherungssumme zu tragen. Und das wird jährlich um circa 20 Prozent erhöht.“

Dankbar für
den Zuspruch

Dennoch merkt man Elisabeth Steer an, wie sehr sie ihren Beruf, die Arbeit mit den Frauen, Familien und Kindern liebt. „Ich bin sehr dankbar für den Zuspruch der Frauen, der mir meine berufliche Kompetenz widerspiegelt“, sagt Steer. Für sie ist jede Geburt ein gemeinsames Erfolgserlebnis.

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