Kultur als Kitt für die Stadtgesellschaft

von Redaktion

Angriffe auf die Kulturfreiheit, geringe Förderung und Unterschätzung ihrer gesellschaftlichen Wirkung: Die Kultur steht laut Kulturstaatsministerin Claudia Roth vor vielen Herausforderungen. Darüber diskutierte sie nun in Rosenheim mit Kulturschaffenden.

Rosenheim – Rund um die kulturpolitischen Schwerpunkte des Bundes, um Fördermaßnahmen und Finanzen ging es kürzlich bei einem Termin in der Rosenheimer Asta-Kneipe. Claudia Roth von den Grünen war ausdrücklich nicht aus Wahlkampfgründen gekommen. In ihrer Eigenschaft als Staatsministerin für Kultur und Medien zeichnete sie den Rosenheimer Plattenladen „Bebop“ aus und stand nach eigener einleitender Rede für Fragen und Diskussion zur Verfügung.

Nicht auf der
Höhe der Zeit

Roth erklärte, dass viele Politikerinnen und Politiker in Fragen der Jugendkultur nicht auf der Höhe seien. „Vinyl is back“, sagte sie. Ebenso spielen ihr zufolge Comics wieder eine größere Rolle. Für Zuschüsse musste sie sich bereits als „Unkrautfinanziererin“ titulieren lassen, berichtete die Kultur-Beauftragte. Die Covid-Zeit habe bei Jugendlichen viele Probleme verursacht. So sei in Bayern zu einer Zeit schon wieder Fußball gespielt worden, als die Clubs aufgrund der Regularien noch geschlossen bleiben mussten.

Roth nannte in einem argumentativen Bogen Beispiele für Angriffe von Diktatoren auf die Kultur. So erwähnte sie das Todesurteil im Iran gegen einen jungen Rapper oder russische Angriffe auf ukrainische Kultur-Institutionen, wie die Philharmonie in Odessa. Roth erwähnte zudem, dass die AfD inzwischen aktiv und mit Delegationen vor Ort Druck auf Bibliotheken ausüben würde. So wolle die Partei beispielsweise das ihrer Ansicht nach „ungeeignete“ Leih-Angebot der Stadtbibliothek in Dresden beeinflussen – etwa mit einer AfD-kompatiblen Bücherspende.

Viele deutsche Großstädte, wie Berlin, Köln und auch München, kürzen derzeit städtische Zuschüsse für die Kultur. Roth bezeichnete ein reiches kommunales Kulturleben jedoch als „Kitt für die Stadtgesellschaft“. Die „TA Lärm“, die das Abdrehen von Mikrophonen bei Open-Air-Konzerten um 22 Uhr vorsieht, sei auch bei den Grünen innerparteilich umstritten. Es brauche eben auch Sound und nicht nur Ruhe, so Roth.

Lob für den
Kulturpass

In der anschließenden Diskussion kamen viele weitere Aspekte zur Sprache, wobei Roth sehr klar zwischen der Zuständigkeit von Bund, Ländern und Kommunen trennte.

So sei der „Kulturpass“ für junge Leute ein Riesenerfolg, es gebe neue Ansätze für nachhaltige Konzertveranstaltungen und „Green Shooting“ bei Filmproduktionen. Es sei noch nicht in den Köpfen, dass Kultur eben auch ein riesiger Wirtschaftsfaktor ist, so die Ministerin.

Aus dem Publikum meldeten sich Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Kultursparten zu Wort, so etwa von der Rosenheimer Initiative für Erinnerungskultur und Stolpersteine. Eine Frage betraf Theater für junge Leute: „Kinder- und Jugendtheater ist komplett unterschätzt“, erklärte Roth darauf, die auch ein Plädoyer für Kunst und Musik in den Lehrplänen der Bundesländer hielt.

Auch Filmförderung sei ein großes Thema im Bund, betonte Roth auf Nachfrage eines Vertreters von „Marias Kino“ in Bad Endorf.

Der Kampf ums
finanzielle Überleben

Die gastgebende Asta-Kneipe meldete sich mit einem leider traurigen Statement: Trotz über 50 Konzerten im Jahr und hoher Beliebtheit sowie hohen ehrenamtlichen Engagements kämpfe man ums finanzielle Überleben. Bei den Konzerten werde wenig getrunken, da ja der Eintritt schon gekostet habe. Man kämpfe mit Anzeigen wegen Ruhestörung und sei bei der Stadt Rosenheim nicht wohlgelitten. Beispielsweise, so der Vorwurf, wurde man nicht zum Ehrenamtsempfang eingeladen, obwohl in der Kulturorganisation viele hundert Arbeitsstunden auflaufen würden.

Die kompakte Veranstaltung war vollgepackt mit interessanten Informationen von mehreren Seiten. Roth gab zu, dass es in der Ampel immer wieder Konflikte mit Finanzminister Christian Lindner gab. Man könne nach zähen Verhandlungen aber auch auf Erfolge verweisen.

Die Ministerin hofft, dass die budgetierten Zuschüsse und Förderungen von der nächsten Regierung übernommen werden.

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