„Säure-Prozess“ geht in die finale Phase

von Redaktion

Die Verhandlung neigt sich dem Ende zu: Im Prozess um den Säure-Angriff in Rosenheim im Mai 2024 wurden zuletzt immer mehr Indizien bekannt, die gegen den Angeklagten (41) sprechen. Bald könnte bereits das Urteil fallen. Dennoch sieht die Verteidigung einen großen Haken an der Sache.

Rosenheim/Traunstein – Es war das gewohnte Bild. Zeugen kamen, sagten aus, dass eine solche Tat dem Mann (41) aus dem Landkreis Traunstein nicht zuzutrauen ist, und gingen dann wieder. Der Angeklagte selbst schwieg, saß leicht schief neben seinem Anwalt und blickte ins Leere. Dennoch war am dritten Prozesstag um den versuchten Mord und Säure-Angriff in Rosenheim eine kleine Veränderung zu erkennen: Der 41-Jährige wirkte mitgenommen und müde, ließ seinen Kopf immer wieder tiefer hängen als an den beiden Verhandlungstagen zuvor.

Vorwurf des versuchten Mordes

„So ein Prozess nimmt einen natürlich mit, da macht man sich auch viele Gedanken“, bestätigte sein Verteidiger Stefan Neudecker am Rande des Verhandlungstages. Vor allem, bei den „ganzen Dingen“, die plötzlich über einen öffentlich werden.

Seinem Mandanten wirft die Staatsanwaltschaft vor, am Abend des 13. Mai 2024 einem Rosenheimer (31) an dessen Wohnungstür hochgiftige Flusssäure über den Körper geschüttet zu haben. Und zwar aus Eifersucht, da der Mann mit der Ex-Freundin (37) des 41-Jährigen mehrfach etwas unternommen hatte. Das mit der Eifersucht sei aber so eine Sache, sagte eine enge Bekannte (39) aus dem Freundeskreis, mit der der Angeklagte früher einmal zusammen war.

Zweifel am
richtigen Motiv

Am 12. Mai – einen Tag vor der Tag – hätten sie und der 41-Jährige sich auf einem Fest noch kurz geküsst. Genauso wie ein paar Wochen zuvor in einem gemeinsamen Urlaub. Auch von einer Turtelei mit einer anderen Frau habe die 39-Jährige gehört.

„Da erschließt sich mir das Motiv der Eifersucht nicht“, sagte Stefan Neudecker. Klar scheint hingegen inzwischen zu sein, dass der Angeklagte sich im März eine zweite Handynummer besorgte, sich über diese als Frau ausgab und das spätere Opfer kontaktierte – um an dessen Adresse in Rosenheim zu kommen. Die gleiche Nummer verwendete der Mann aus dem Landkreis Traunstein auch bei der Bestellung der Flusssäure, von der weitere Flaschen in seiner Firma gefunden wurden. Für Neudecker gebe es trotzdem noch eine „entscheidende Frage“ zu klären: „Wir wissen immer noch nicht, wie mein Mandant nach Rosenheim gekommen sein soll.“ Im Fokus stehen dabei die Autos des Mannes. Zum Tatzeitpunkt habe der 41-Jährige sein eigentliches Fahrzeug nicht mehr besessen, ein anderes stand nicht fahrtauglich auf dem Firmengelände.

„Dann bleiben nur noch ein Mietwagen, den er zu der Zeit hatte und das Auto der Mutter“, betonte der Verteidiger.

Offene Fragen bei der Wahl des Fahrzeugs

Beim Mietwagen sei nachgewiesen worden, dass das Auto am Tatabend nicht gefahren wurde. „Das Auto der Mutter konnte er sich zwar ausleihen, aber nur auf Anfrage“, sagte der Rechtsanwalt. Und die habe bei ihrer Vernehmung angegeben, ihren Sohn am Abend des 13. Mai 2024 nicht gesehen zu haben. Wie ein Richter vom Amtsgericht Rosenheim, der die Frau während der Ermittlungen vernommen hatte, am Mittwoch, 12. Februar, berichtete, könne sich die Mutter nur an ein Telefonat gegen 20 Uhr erinnern. Da sei sie zu Hause gewesen.

Das schließe für Stefan Neudecker aus, dass der Angeklagte sich das Auto der Mutter ausgeliehen haben könnte. Auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln habe es der 41-Jährige nicht im besagten Zeitfenster – die Tat passierte gegen 21.30 Uhr – hin und zurück schaffen können. „So habe ich in der Schilderung der Staatsanwaltschaft eine Lücke von rund 70 Kilometern“, sagte Neudecker.

Beweisaufnahme
geht dem Ende zu

Trotz dieser – aus Sicht der Verteidigung – offenen Frage, biegt der Prozess auf die Zielgerade ein. Fortgesetzt wird die Verhandlung am kommenden Montag, 17. Februar. An diesem Tag soll auch das 31-jährige Opfer aussagen. „Dann neigt sich die Beweisaufnahme aber dem Ende zu“, sagte der Vorsitzende Richter Volker Ziegler. Am 25. Februar könnte so das Urteil fallen.

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