Ausstellung

Die „Neue Frau“ im Blick

von Redaktion

Brynolf Wennerbergs Gemälde und Aquarelle in der Städtischen Galerie Rosenheim

Rosenheim – Die „Städtischen Sammlungen Rosenheim“ (Stadtarchiv, Städtisches Museum, Holztechnisches Museum und Städtische Galerie) gestalten und bewahren mit ihren spezifischen Sammlungsschwerpunkten das kulturelle Gedächtnis der Stadt. In dieser Serie wird regelmäßig ein ausgewähltes Objekt aus den Sammlungen im Detail vorgestellt. In diesem Beitrag schauen wir in die Städtische Galerie Rosenheim.

Gemälde „Fasching“

Eine junge Frau im eleganten, duftigen Ballkleid blickt kokett über die Schulter und lächelt ihren Verehrer, den Banjo spielenden Clown, an. Selbstbewusst thront sie auf dem marmornen Treppenpfeiler, während der Clown hinter ihr mit gekreuzten Beinen lässig an der Balustrade lehnt. Er ist offensichtlich entzückt von ihrem Anblick mit den vom Tanz geröteten Wangen. Es ist Fasching, wie der Clown, aber auch die Masken der mondänen Paare im Hintergrund offenbaren. Die Faschingsgesellschaft und das quirlige Ballgeschehen erahnt man auf dem obersten Treppenabsatz. Ob diese Szene jemals wirklich so stattfand oder allein dem Geist des Malers entsprang, ist ungewiss. Das kleine Gemälde schuf der schwedische Maler Brynolf Wennerberg 1935.

Geboren am 12. August 1866, begann Brynolf Wennerberg als Illustrator und als Gebrauchs- und Werbegrafiker. Von namhaften Firmen wie Klepper aus Rosenheim, Opel oder den Produzenten der Duftmarke „4711“ erhielt er große Werbeaufträge. Anfang 1909 zog Wennerberg nach München, wo ihn der Verleger Albert Langen als Illustrator bei der Satirezeitschrift „Simplicissimus“ engagierte. Ab 1915 lebte Brynolf Wennerberg mit seiner Familie in Bad Aibling. Für seine Arbeit mietete er das ehemalige Atelier des Künstlers Wilhelm Leibl an und widmete sich in Bad Aibling intensiv der Malerei.

Mit seinen Werken trug Brynolf Wennerberg entscheidend zur Jugendstil- und Art-Déco-Bewegung bei. Die fröhliche Stimmung der Menschen auf den damals beliebten und opulenten Faschingsbällen unterstrich er in seinen gefragten Karnevals- und Zirkusbildern mit einem duftig lockeren Farbauftrag. Gleichzeitig transportierte er in seinen Arbeiten aber auch ein damals modernes Frauenbild – sportlich, selbstbewusst, jung, mit einem strahlenden Lächeln visualisierte er die „Neue Frau“.

Die „Neue Frau“ war ein Ideal, das sich zwischen beiden Weltkriegen in den 1920er-Jahren, befördert von Illustrationen wie jenen Wennerbergs, in Presse, Werbung, Literatur und Kunst als Symbol für Fortschritt und moderne Weiblichkeit etablierte. Sie war unabhängig, berufstätig, selbstbewusst und genoss gesellschaftliche Freiheiten in Mode, Bildung und Sexualität. Sie rauchte, trug kurze Haare (Bob-Frisur), kürzere Kleider und nahm aktiv und eigeninitiativ am gesellschaftlichen Leben teil. Vor allem in urbanen Zentren wie New York, Paris, Berlin oder auch München wurde das Ideal von vielen Frauen gelebt. Sie arbeiteten als Journalistinnen, Künstlerinnen, Ärztinnen oder in Bürojobs, gingen alleine aus und trugen moderne Mode. Für die Mehrheit der Frauen blieb ein solcher Lebensstil jedoch unerreichbar.

Aquarell „ohne Titel“

Kess und verschmitzt, offen und direkt lacht die jugendlich wirkende Dame in Wennerbergs Aquarellzeichnung den Betrachtenden entgegen. Auch sie verkörpert die „Neue Frau“. Aus einem diffusen, mit schnellen Pinselstrichen gemalten Hintergrund löst sie sich als grazile Gestalt – leicht bekleidet und elegant frisiert, stemmt sie selbstbewusst die Hände in die Hüften. Mit Darstellungen solch selbstbestimmter Frauen mit einer naiv-erotischen, sportlich-eleganten Ausstrahlung wurde Wennerberg weitreichend bekannt.

Brynolf Wennerberg starb vor 75 Jahren, am 30. März 1950, in Bad Aibling. Der schriftliche Nachlass des Künstlers wird heute im Deutschen Kunstarchiv (DKA) im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt. Die Städtische Galerie verfügt über sieben Werke des Künstlers in ihrer Sammlung, die unter anderem 2019 im Rahmen der Ausstellung „Made in Rosenheim“ sowie 2021 in der Ausstellung „Jugendstil – La Belle Époque“ präsentiert wurden.

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