Rosenheim – Viele Menschen geben gerne Geld, wenn damit anderen geholfen werden kann. Manchmal wird das aber ausgenutzt. Die Erfahrung musste eine Raublingerin im Aicherpark machen. Dort wurde sie von einer Frau um Spenden gebeten, die sich als gehörlos ausgab.
„Ich wollte gerade in einen Laden gehen“, erinnert sich die Frau, die anonym bleiben möchte. Die Spendensammlerin sei auf sie zugekommen und habe ihr einen Zettel auf einem Klemmbrett gezeigt. „Es ging um ein Projekt für Gehörlose“, so die Raublingerin. Sie habe nicht sofort abgelehnt, da in ihrem privaten Umfeld eine Person Gehörlosenpädagogik studiert. „Deshalb war ich wohl etwas anfällig dafür.“
Sammlerin verlangt höhere Spende
Auf dem Zettel standen bereits einige Namen von Personen, die angeblich 30 Euro gespendet hatten. Die Raublingerin erklärte sich bereit, ebenfalls zehn Euro zu geben. Die vermeintlich taube Spendensammlerin habe sie umarmt, als sie auf dem Zettel unterschrieb.
Als die Raublingerin den Zehn-Euro-Schein übergeben wollte, habe die Spendensammlerin auf ihren Zettel gedeutet. „Dort stand unten im Eck etwas von 30 Euro. Sie wollte also, dass ich 30 Euro spende. Dann war bei mir Schluss.“ Die Raublingerin lehnte ab. In diesem Moment sei auch ihr Mann dazugestoßen. Die Spendensammlerin habe sich sofort entfernt. „Was ja auch verdächtig ist“, betont die Frau.
Die Hilfsorganisation Handicap International, die Menschen mit Behinderung unterstützt, weiß bereits von dieser Masche. „Sie ist uns seit vielen Jahren bekannt“, sagt Pressesprecherin Huberta von Roedern auf OVB-Anfrage. Ihr zufolge meldeten sich in diesem Jahr bereits 268 Menschen aus ganz Deutschland und machten die Organisation auf die illegalen Spendensammler aufmerksam, die sich als Angehörige der Organisation ausgeben.
„Sie behaupten, dass sie Spenden für Projekte von ‚Handicap International‘ sammeln, die behinderte Menschen unterstützen sollen“, erklärt von Roedern. Meist tragen sie eine Spendenliste mit sich, in der bereits einige angebliche Spender eingetragen sind. „So sollen Passanten zum Spenden animiert werden“, sagt die Pressesprecherin.
Anzutreffen seien solche Spendensammler oft auf Parkplätzen vor Supermärkten. Von Roedern rät deshalb dazu, die Marktleitung zu informieren und niemals Bargeld zu geben. „Wenn sich Passanten beschweren, verschwinden die falschen Sammler meist sehr schnell“, betont von Roedern. Oft würden sie „mit einem Transporter abgeholt.“
Handicap International selbst führe außerdem keine Haus- oder Straßensammlungen durch. „Wir bitten nicht um Bargeld“, sagt die Pressesprecherin. Dennoch sei die Zahl der Menschen, die einen Betrug melden, stark gestiegen. „Da die falschen Sammler täglich und im ganzen Bundesgebiet unterwegs sind, können wir nur in der Öffentlichkeit davor warnen“, betont von Roedern.
Sie bittet Betroffene darum, sich an die Polizei zu wenden.
Die Polizei Rosenheim hat solche Spendensammler bisher nicht angetroffen. „Uns sind keine Fälle bekannt, in denen Personen sich als Angehörige einer Institution für Gehörlose ausgeben oder andere Hilfsorganisationen widerrechtlich für Geldspenden nutzen“, sagt Polizeihauptkommissar Robert Maurer auf OVB-Anfrage.
Im vergangenen Jahr habe die Polizei Rosenheim insgesamt 18 bettelnde Personen angetroffen. „Ob oder wie viele Tatsachen vorgespiegelt haben, die nicht wahrheitsgemäß sind, ist nur schwer nachweisbar“, erklärt Maurer. Ihm zufolge kommen zwei Darstellungen besonders oft vor: „Zum einen wird eine Notlage vorgezeigt, häufig Hochwasser.“ Zum anderen die Hilfsbedürftigkeit aufgrund einer körperlichen Einschränkung wie einer Gehbehinderung.
Wie sich Bürger schützen können
„Jedes Handeln muss einzeln bewertet werden“, so der Polizeihauptkommissar. Am besten könne man sich als Bürger schützen, indem man sich gut überlege, ob man Geld gibt oder nicht. „Bei sogenannten ‚falschen Spendensammlern‘ muss die Betrugsabsicht genauer betrachtet werden. Das kann ein Ermittlungsverfahren nach sich ziehen“, erklärt Maurer. Er weist außerdem darauf hin, dass jederzeit die Polizei unter der Notrufnummer 110 verständigt werden könne, wenn Zweifel aufkommen oder jemand etwas Verdächtiges beobachtet.
Für die Raublingerin war es das erste Mal, dass sie von einer mutmaßlichen Betrügerin angesprochen wurde. Beinahe hätte sie Geld für einen vermeintlich guten Zweck gespendet. „Mir ist deshalb wichtig, dass davor gewarnt wird“, sagt sie. Auch Huberta von Roedern, Pressesprecherin von Handicap International, ist besorgt. „Es handelt sich vermutlich um eine große Anzahl an Betrugsfällen“, sagt sie. „Es tut uns sehr leid, dass hilfsbereite Menschen betrogen werden.“