Rosenheim – Die Empörung ist groß bei Tom Berchtold. Er steht vor dem Gewerkschaftshaus in der Brixstraße und streikt. „Für mehr Geld und mehr Freizeit. Das steht uns zu“, sagt der Angestellte der Klinik in Rosenheim. Berchtold ist beim Hol- und Bringdienst und der Ver- und Entsorgung tätig. „Ich arbeite hart“, sagt er.
Berchtold ist einer von knapp 500 Menschen, die sich laut Angaben der Polizei am Freitag, 7. März, in Rosenheim versammelten. Sie demonstrieren für acht Prozent mehr Lohn, mehr freie Tage und ein Tageszeitkonto für jeden Mitarbeiter.
„Teilweise kommt man sich vor wie ein Leibeigener“, sagt eine Krankenpflegerin aus Traunstein, die lieber anonym bleiben möchte.
Sie will auch für ihre Kollegen streiken, die nicht von der Arbeit weg können. „Gewisse Notdienstvereinbarungen ermöglichen das einfach nicht“, sagt die Krankenpflegerin.
Sie fordert, dass Teilzeitkräfte mit Vollzeitkräften gleichgestellt werden. „Es gibt Teilzeitkräfte, die aus familiären oder gesundheitlichen Gründen einfach nicht mehr arbeiten können“, sagt sie. Das dürfe aber nicht zu Diskriminierung führen, was Vergütung oder Urlaubstage angeht. „Wir sind ein wichtiges Rad, das einfach laufen muss“, betont die Krankenpflegerin.
Mit der Meinung ist sie nicht allein. „Ich wünsche mir, dass die Arbeitgeber uns endlich respektieren“, sagt eine andere Teilnehmerin, die ebenfalls in der Traunsteiner Klinik arbeitet. Sie fordert bessere Arbeitsbedingungen, mehr Geld und mehr Personal.
„Wir wissen, ohne uns steht alles still“, sagt Katharina Heymann, Landesjugendsekretärin bei der Verdi Jugend Bayern. Sie betont auch, dass es kein Zufall ist, dass der Streik am sogenannten Equal Pay Day stattfindet. „Frauen in Bayern verdienen immer noch durchschnittlich fünf Euro weniger als männliche Kollegen“, so Heymann. Vor allem Frauen in sozialen Berufen würden systematisch schlechter bezahlt. „Das ist Diskriminierung“, sagt die Landesjugendsekretärin.
„In unserem Job bereiten wir die nächste Generation aufs Leben vor“, sagt eine Erzieherin, die im Kindergarten arbeitet. Dabei sei es wichtig, dass die Rahmenbedingungen stimmen und man auch Wertschätzung bekommt. „Ich liebe meinen Job und bin gerne Erzieherin“, betont eine ihrer Kolleginnen. Sie befürchtet, dass keiner mehr den Job erlernen will, weil er schlecht bezahlt ist. „Personalmangel müssen wir vorbeugen“, sagt sie.
Trotz großer Empörung wird es vor dem Gewerkschaftshaus für eine Minute ganz still. Bezirksgeschäftsführer Robert Metzger erinnert in seiner Rede an die Opfer des Anschlags in München. Dort fuhr am 13. Februar ein Mann mit seinem Auto in eine Demonstration von Verdi. „Wir wollen an die Toten, Schwerverletzten und die Angehörigen denken“, sagt Metzger und bittet die Streikenden um eine Schweigeminute.
Für die Demonstrationszüge und die Kundgebung wurden im Vorhinein etwa 500 Personen angemeldet. Das teilt Robert Maurer, Polizeihauptkommissar der Polizei Rosenheim, auf OVB-Anfrage mit. Er geht davon aus, dass auch etwa so viele Menschen vor Ort waren. Die Polizei betreue die beiden Demonstrationszüge mit einer „lageangepassten“ Anzahl an Kräften. Ihm zufolge kam es zu keinen Problemen oder Ausschreitungen.
Im Hinblick auf den Anschlag in München erklärt Maurer: „Wir bewerten jede Lage, wie hier das Versammlungsgeschehen im Einzelfall.“ Konkrete Hinweise zu Störaktionen lagen ihm zufolge bei der Demo in Rosenheim nicht vor. Magdalena Aberle