Rosenheim – Am 14. April 1912 gegen 23.45 Uhr kollidierte die Titanic rund 550 Kilometer südöstlich von Neufundland mit einem Eisberg. In etwas mehr als zweieinhalb Stunden sank das riesige Schiff und riss 1496 Menschen mit in den Tod. Auch über 100 Jahre später fasziniert die Schiffs-Tragödie Menschen auf der ganzen Welt und wurde auch schon einige Male erfolgreich verfilmt. Eine wichtige Rolle spielt dabei immer das kleine Schiffsorchester der Titanic. Es soll beim Untergang bis zuletzt gespielt haben.
Erinnerungen an diese Szenen wurden beim heutigen Presserundgang wach. Denn zu Beginn gab es Musik vom „White Star Line Quintet“ inmitten der Ausstellung. Das Besondere: Das Steinway-Klavier, auf dem gespielt wurde, stammt aus dem Restaurant des Schwesternschiffs der Titanic, der Olympic. Es ist fast identisch mit dem Klavier, das mit der Titanic unterging.
Besonders nah ging dieser besondere Empfang Joan Randall. Sie ist die Tochter einer der 712 Menschen, die den Untergang der Titanic überlebt haben. Zur Eröffnung der Ausstellung „Titanic – Ihre Zeit. Ihr Schicksal. Ihr Mythos“ ist sie aus Amerika nach Rosenheim gereist.
Mit im Gepäck hatte sie einige Leihgaben, darunter eine Brosche und eine Kette mit einem kleinen Anhänger mit dem Bild ihrer Großmutter – Gegenstände, die mit dabei waren auf der Titanic. „Als ich das Orchester hier jetzt hörte und spielen sah, war mir, als würde ich meine Mutter sehen, wie sie damals die Titanic erlebt hat“, erzählte sie sichtlich bewegt. Joan Randalls Mutter war gerade mal vier Jahre alt, als sie zusammen mit ihren Eltern die Reise mit der Titanic antrat. Grund für ihre Reise: Der Erste Weltkrieg warf bereits seine Schatten voraus. „Meine Familie stammte aus Österreich und Deutschland und wollte dem Krieg auf diese Weise entkommen“, erzählte Joan Randall und meinte dann nachdenklich, dass sie leider aktuell wieder Parallelen zu der damaligen Zeit sehe – die Angst vor einem Krieg sei bei ihr wieder da.
Parallelen zur heutigen Zeit finden sich in der Titanic-Ausstellung im Rosenheimer Lokschuppen immer wieder. Technik und Verkehr entwickelten sich zu Zeiten der Titanic rasant weiter. „Das ist bei uns heute wieder ganz ähnlich“, meint Dr. Jennifer Morscheiser, Leiterin des Ausstellungszentrums. Sie hatte sich extra für den Pressetermin passend zur damaligen Zeit gekleidet.
Die Ausstellung wurde mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Die Besucher erwarten viele emotionale Geschichten und Schicksale von Passagieren und Crewmitgliedern der Titanic. Anschaulich dargestellt wird aber auch, wie das Leben an Bord sowohl für die Luxusgäste in der 1. Klasse als auch für das einfache Volk in den Klassen darunter war.
Die Kuratoren der Ausstellung, Günter Bäbler, Vorstand und Mitgründer des Titanic-Vereins Schweiz, Siebo Heinken, Autor, Redakteur und Podcaster und Dr. Peter Miesbeck, ehemaliger Leiter des Ausstellungszentrums Lokschuppen, tauchten im vergangenen Jahr tief in die Geschichte des legendären Schiffs ein. Dabei beschäftigten sie sich auch viel mit dem genauen Ablauf des Untergangs und mit der Frage, wer nun letztendlich schuld daran ist, dass es nur so wenig Überlebende gab. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist eine poetisch-immersiv inszenierte Video-Projektion, bei der die Besucher selbst in einem Rettungsboot sitzen, umgeben von projiziertem Eiswasser, und von dieser Perspektive aus den Untergang der Titanic in einer mondlosen, dunklen, aber klaren Nacht miterleben. Wie kalt und lebensgefährlich das Wasser wirklich war, lässt sich danach mit einem Griff in ein -1,8 Grad kaltes Wasserbecken ebenfalls hautnah miterleben. Doch nicht nur der Erlebnisfaktor wird großgeschrieben bei der neuen Lokschuppen-Ausstellung. Gezeigt werden über 300 handverlesene Exponate. Ein Großteil davon stammt original von der Titanic, ihrem Schwesternschiff der Olympic oder aus deren Ära. Dabei sind es oftmals auch die von ihrer Erscheinung her eher unspektakulären Dinge, die bewegende Geschichten zu erzählen haben, wie eine Taschenuhr, die genau zum Zeitpunkt des Untergangs stehengeblieben ist. Ihr einstiger Besitzer wurde nach dem Schiffsunglück tot geborgen.
Noch nie ausgestellt wurde ein Rettungsgürtel, den ein Überlebender im Rettungsboot getragen hatte und der erst vor Kurzem der Titanic zugeordnet werden konnte. Ebenfalls herausragend sind die Originalbaupläne der Titanic, die der Lokschuppen exklusiv aus Irland erhalten hat.
Für Florian Englert, Geschäftsführer der Veranstaltungs- und Kongress GmbH Rosenheim, steht die Titanic für viel mehr als eine tragische Schiffsreise. „Sie verkörpert den unerschütterlichen Glauben an den Fortschritt, aber auch an die Zerbrechlichkeit menschlicher Pläne. Ihre Geschichte ist ein zeitloses Symbol für Innovation, Ambition und die Tragik des Scheiterns“, sagte er beim Pressetermin.
Die Gesamtinvestition in die Titanic-Ausstellung beträgt knapp drei Millionen Euro. „Als kommunaler Betrieb ist es unser Ziel, diese Ausgaben zu fast 90 Prozent durch die Ausstellungsgäste zu refinanzieren“, so Englert weiter. Sein Wunschziel deshalb: mindestens 185000 Besucher.
Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 6. Januar 2026. Begleitend ist wieder eine ganze Reihe von Events geplant, beispielsweise „Die Nacht des Untergangs“ am Montag, 14. April, ab 19 Uhr im Ausstellungszentrum Lokschuppen, bei dem die Besucher genau 113 Jahre nach der Tragödie den Untergang in Echtzeit miterleben können – inklusive Konzert des „White Star Line Quintet“ , Lesung und Mitternachtssuppe. Karin Wunsam