Rosenheim – Die Verwunderung bei Werner Rösler war groß, als er vor einigen Tagen mit seiner Frau durch Oberwöhr spazierte. Mitten im Auwald – in der Nähe des Turnerwegs und des MTV-Sportplatzes – klaffte ein Loch in dem kleinen Waldstück. „Es sieht aus, als ob dort eine Schneise in Richtung der Mangfall geschlagen wurde“, sagt der Rosenheimer. Die Bepflanzung war weg, die Erde links und rechts des Grabens aufgeschüttet und ein Bagger stand noch herum. Wirklich einen Reim darauf machen konnte sich Rösler nicht. Vor allem, da sich an der Stelle ein Landschaftsschutzgebiet befindet.
Gerinne soll Wasser
gezielter ableiten
Was an der Stelle passiert, weiß Dr. Tobias Hafner, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes (WWA) Rosenheim. „Im Auwald wird aktuell ein Gerinne für den Augraben hergestellt“, sagt er auf OVB-Anfrage. Das neue Gerinne – ein kleiner, künstlich angelegter Wasserlauf – entsteht direkt am Ende des Rohres, über welches der Augraben unterhalb des Sportplatzes Turneralm verläuft. „Wenn der Augraben Hochwasser führt, soll dieser Abfluss zukünftig besser gebündelt über die neue Rinne in Richtung Mangfall weiterfließen können“, erklärt der WWA-Leiter.
Am Ende der rund 250 Meter langen Rinne befinde sich dann wieder eine kleine Rohrleitung unter dem Weg direkt an der Mangfall. Durch diese könne das Wasser wieder in die Mangfall fließen. Das Gerinne soll so verhindern, dass sich das Hochwasser in den Mulden und Gumpen des Auwaldes sammelt. „Wir wollen das Wasser gezielt von der Bebauung weglenken“, sagt Hafner. Wirklich auffallen werde das Gerinne, wenn es in ein paar Wochen fertiggestellt ist, kaum noch. „Es wird nicht als echter ‚Bachlauf‘ wahrnehmbar sein, sondern es ist eher eine Geländemodellierung in einer Breite von einer Baggerschaufel“, betont der WWA-Leiter. Die Rinne sei auch üblicherweise trocken. Zudem der Boden und die Böschung des künstlichen Grabens wieder bewachsen werden sollen. „Es wird sich ein natürlicher Bodenbewuchs eines Auwaldes einstellen“, sagt Hafner.
Für den Bau der Rinne hätten auch keine „schützenswerten Bäume“ gefällt werden müssen. Die Arbeiten seien eng mit der Naturschutzbehörde der Stadt abgestimmt. „Die Rinne wurde um alle größeren Bäume herumgeplant“, bestätigt Christian Baab, Pressesprecher der Stadt. Zudem erfolge bei einem solchen Projekt immer eine Abwägung zwischen Landschafts- und Hochwasserschutz.
Für Alfred Rechenauer ist der Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet trotzdem ein „Umweltverbrechen“. Das noch viel größere „Verbrechen“ sei für den Anwohner aus Oberwöhr aber etwas anderes. Schließlich werde „bewusst und sehenden Auges“ eine Maßnahme ergriffen, welche einige Menschen schädigen könnte. Er glaubt, dass die neue Rinne die Überschwemmungsgefahr für die anliegenden Straßen vergrößert und eben nicht verringert, so wie das Wasserwirtschaftsamt behauptet. „Durch die neue Rinne kann das Wasser noch schneller zu uns hochdrücken, wenn die Mangfall ein größeres Hochwasser hat“, glaubt er.
Daran ändere auch die Rückschlagklappe des Rohres am Ende der Rinne nichts, die das Zurücklaufen des Wassers aus der Mangfall in das Gerinne verhindern soll. Rechenauer glaubt, dass sich das Wasser – wenn sowohl der Augraben als auch die Mangfall Hochwasser haben – im Auwald staut, da sich die Klappe aufgrund der hohen Mangfall nicht mehr öffnen kann. „Dann kommt das Wasser zu uns aus zwei Richtungen, weil es nirgends abfließen kann“, sagt er.
Der Mann aus Oberwöhr ist ohnehin überzeugt, dass die neue Rinne durch den Auwald nur das Neubaugebiet an der Krainstraße Nordwest schützen soll. Das Bauprojekt bereitet den Anwohnern seit einigen Jahren Sorgen, da sie eine Verschlechterung des Hochwasserschutzes fürchten.
Das kann Tobias Hafner vom Wasserwirtschaftsamt nicht bestätigen. „Die Maßnahmen im Auwald hängen nicht mit dem Neubaugebiet an der Krainstraße zusammen“, sagt er. Die neue Rinne sei Teil des gesamten Hochwasserschutzes entlang der Mangfall. In Oberwöhr sei dieser bis auf ein paar Restarbeiten in Oberwöhr auch hergestellt, betont der WWA-Leiter.
Rückstau bei
Planungen beachtet
Bei den Planungen sei das „Wechselspiel zwischen dem Mangfallhochwasser und der Rückstausituation in den Augraben“ im Falle eines Hochwassers genau berücksichtigt worden. Wie bei allen anderen einmündenden Gewässern in die Mangfall. Hafner erinnert auch daran, dass das Gerinne zudem ein Gefälle in Richtung der Mangfall hat, damit das Wasser nicht zurückfließen kann. Zudem der Teil mit der Rückschlagklappe und dem Rohr am Rinnenende schon „seit Langem fertiggestellt“ ist. Große Überschwemmungen gab es seither nicht. Deshalb versichert der WWA-Leiter: „Die Hochwassergefahr wird nicht verschlimmert.“