Wenn Tracht zu Techno passt

von Redaktion

Einblick in den Rosenheimer Nachtclub „Hole“ – Veranstalter sprechen über Szene

Rosenheim – Das „Hole“ in der Samerstraße sieht von außen unscheinbar aus. Nur ein großer, mit Stickern beklebter Schriftzug verrät, dass sich hinter der schwarzen Tür etwas verbirgt. Und zwar ein Rosenheimer Nachtclub, in dem ein Teil der örtlichen Techno-Szene zu Hause ist. Am Wochenende schallen im „Hole“ laute Beats durch den Raum. Und das ist wichtig für Rosenheim, sagt Sam Seethaler.

Der 28-Jährige ist Teil des Teams im „Hole“, kümmert sich um Technik und Künstler und legt auch selbst auf. „Das ‚Hole‘ ist der einzige Laden, der beständig da ist und elektronische Musik spielt“, sagt Seethaler. Elektronische Musik – das ist ein breites Spektrum. Neben Techno wird hier unter anderem Dub, Drum’n’Bass, Hip-Hop oder Reggae aufgelegt.

Wichtige Säule
der Kultur

„Wir spielen Musik, die nicht standardmäßig in den Clubs läuft“, betont Seethaler. Vor allem nicht in der Region. „Es ist ein starkes Gegenangebot zu dem, was traditionell drumherum stattfindet, wie Fasching oder Herbstfest.“ Techno ist ihm zufolge eine wichtige Säule der Kultur. Deshalb sei es gut, dass diese auch in Rosenheim, „im tiefsten Bayern“, vertreten ist. Eine Sache gebe es deshalb wohl auch nur hier: „Bei uns ist es normal, dass Leute in Tracht zu Techno feiern.“

Was man aber nicht sein will, ist ein Teil des Techno-Trends, der sich in den sozialen Medien größter Beliebtheit erfreut.

In Videos mit teils Millionen Aufrufen feiern Menschen in dunklen Clubs zu Techno. Dieser „Mainstream“, wie Seethaler es bezeichnet, sei nicht das, wofür das „Hole“ steht. „Das sind oft Lieder, bei denen man mitsingen kann“, sagt er. Im „Hole“ laufe so etwas schon auch ab und zu. „Der Fokus liegt aber wirklich auf dem Musikerlebnis und nicht darauf, dass man jedes zweite Leid mitsingen kann“, betont der 28-Jährige. Den Mainstream, den aktuellen Techno-Trend, nachmachen, das kann nämlich Ärger mit sich bringen, wie Justin Stockhammer erklärt. Der 21-Jährige ist eigentlich Erzieher, legt aber unter dem Namen „Basserziehung“ auch im „Hole“ auf. „Manche wollen genau das hören, manche nicht“, sagt er. In dem Rosenheimer Club steht Stockhammer für eine besondere Variante des Technos: den sogenannten Hardtekk. Der kommt aus dem Osten Deutschlands und zeichnet sich durch harte, schnelle Beats aus, die oft stark übersteuert werden.

Doch die Techno-Szene macht mehr aus als nur ihre Musik. „Manche Leute kommen auch, weil sie sich in solchen Clubs wohler fühlen“, sagt Stockhammer. Einen Dresscode gibt es nicht. Jeder kann kommen, wie er möchte.

Das Team achtet aber darauf, dass keiner oberkörperfrei tanzt. Das sei einfach unangenehm für die Gäste. „Man schaut in der Techno-Szene mehr aufeinander“, sagt Sam Seethaler. Wenn es jemandem nicht gut gehe, kümmere man sich – egal ob man die Person kennt oder nicht. Viele Gäste kommen genau deshalb regelmäßig ins „Hole“. „Das ist schon ein familiäres Gefühl“, betont Seethaler.

In den vergangenen Jahren hat sich die Szene aber verändert. „Gerade nach der Corona-Zeit.“ Damals habe es kurz einen richtigen Aufschwung gegeben. „Jeder wollte wieder feiern gehen“, erinnert sich Seethaler. Mittlerweile sei der Ansturm deutlich geringer geworden. Das bedeutet auch weniger Gäste bei steigenden Kosten. „Der Betrieb und das Personal sind teurer geworden“, sagt Seethaler. Richtig wirtschaften werde deshalb immer schwieriger. Dazu kommt, dass viele Künstler inzwischen mehr Gage verlangen. „Wir sind dann schon mal im Bereich zwischen 2000 und 4000 Euro“, betont der Veranstalter. Früher habe man dafür Kosten zwischen 500 und 800 Euro gehabt. „Das ist massiv angestiegen.“ So würden etwa einige junge Künstler mittlerweile das Gleiche verlangen wie etablierte.

Auf der anderen Seite gebe es auch welche, die für einen Auftritt im „Hole“ weniger als sonst berechnen. „Weil sie einfach Lust haben, bei uns zu spielen“, erklärt Seethaler. Gewisse Dinge könne man sich aber schlichtweg nicht mehr leisten. „Wir wollen auch nicht mit den Eintrittspreisen übertreiben.“ Derzeit kostet der Eintritt an normalen Abenden sieben Euro. Eigentlich müsste man Seethaler zufolge aber deutlich mehr verlangen.

Auch die Sperrstunde lässt den Rosenheimer Club im Vergleich zu anderen schlechter dastehen. „Wir haben um vier Uhr schon Sperrstunde“, betont Seethaler. Andere Clubs in München beispielsweise dürften bis fünf oder sechs Uhr morgens noch spielen.

Hinzu kommt, dass nicht mehr so viele Jugendliche und junge Erwachsene nachts unterwegs sind wie früher. „Viele bleiben auch daheim, hocken vor den Bildschirmen“, sagt Justin Stockhammer. Das sei „massiv schädlich“ für kleine Clubs wie den in der Samerstraße. Etwa 80 bis 100 Leute finden hier Platz.

Bei den Gästen, die trotzdem ins „Hole“ kommen, sehen die beiden aber positive Entwicklungen – vor allem, was das Trinkverhalten betrifft. „Es wird auf jeden Fall weniger Alkohol konsumiert. Die Leute gehen nüchterner feiern“, betont Sam Seethaler. Deshalb habe man das Angebot dahingehend angepasst.

Was das Alter der Feiernden angeht, ist das „Hole“ breit aufgestellt. Eintritt ist im Normalfall ab 18 Jahren. „Die Leute kommen bis 40 oder 50 noch hier her“, sagt Seethaler. Justin Stockhammer erzählt, dass sogar seine Mutter schon im „Hole“ war. Er sehe auch immer wieder Eltern, die mal feiern und nicht auf die Kinder aufpassen wollen.

Schwierige
wirtschaftliche Lage

Trotz der teils schwierigen wirtschaftlichen Lage kommt Aufgeben für das Team im „Hole“ nicht infrage. „Man versucht, das so lange wie möglich aufrechtzuerhalten“, betont Sam Seethaler. Auch DJ Justin Stockhammer sagt: „Das ist Kultur. Das muss man unterstützen.“ Gerade, weil der Club mit Herz geführt werde. „Ich glaube, die Leute würden das erst wertschätzen, wenn es nicht mehr da ist“, so Stockhammer.

Das „Hole“ in der Samerstraße gibt es mittlerweile fast 19 Jahre. „Es muss auf jeden Fall noch viel älter werden“, betont er. Die 20 Jahre wollen Justin Stockhammer und Sam Seethaler noch vollmachen. Und vielleicht sogar die 30.

Was im„Hole“ ansteht

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