Traunstein/Rosenheim – Wegen eines Angriffs am Rosenheimer Bahnhofsvorplatz musste sich ein 26-jähriger Rumäne vor dem Schwurgericht Traunstein verantworten. Der Angeklagte hatte dem Geschädigten, einem 34-jährigen Peruaner, mit einer scharfen Glasscherbe eine vier Zentimeter lange, stark blutende Wunde zugefügt.
Gemäß Anklageschrift begann alles im Salingarten in der Nacht auf den 21. Juli 2024. Eine halbe Stunde vor Mitternacht traf der bereits angetrunkene 26-Jährige dort auf eine Gruppe bestehend aus sechs Personen, die sich schon unter Tags dort aufgehalten und Alkohol getrunken und „Gras“ geraucht hatte. Eine Person aus dieser Gruppe fragte der Angeklagte offenbar nach „Gras“, bekam aber nichts. Anschließend soll der 26-Jährige mit einer herumliegenden Zaunlatte auf den 34-Jährigen eingeschlagen haben.
Das Gericht hörte eine Reihe von Zeugen an. Danach stellte der Vorsitzende Richter fest: „Das Geschehen ist wohl nicht zuverlässig aufzuklären. Es zeichnet sich nicht einmal ab, wie es zu der Verletzung kam.“ Staatsanwalt Wolfgang Fiedler beantragte, diesen Komplex mit Blick auf die zweite Tat einzustellen.
Die Gruppe aus dem Salingarten und der Rumäne sahen sich eine Stunde später am Bahnhofsvorplatz wieder. Dort fuchtelte wohl jemand mit einem Handy herum. Von dem der 26-Jährige dachte, es wäre seines. Schließlich fasste er nach einer Glasscherbe am Boden und stach damit auf den Peruaner ein.
Ein Ersthelfer, zufällig Krankenpfleger, stoppte die Blutung am Hals des 34-Jährigen. Zunächst nur mit der Hand, dann mit einem Druckverband. Das Opfer wurde anschließend im Romed-Klinikum ärztlich versorgt. Noch immer ist eine Narbe von jener Tatnacht zu sehen.
Der Rumäne bedauerte vor Gericht gegenüber dem Geschädigten: „Es tut mir wirklich leid. Ich hatte nicht die Absicht, Sie so schwer zu verletzen. Ich bereue das sehr.“ Der 34-jährige Peruaner akzeptierte die Entschuldigung des Täters.
Die Sachverständige Dr. Kathrin Lauterbach vom Rechtsmedizinischen Institut an der Universität München attestierte zwar eine abstrakte, aber keine konkrete Lebensgefahr für das Opfer.
Dr. Fritz Priemer aus Wonneberg erklärte zur Frage der Schuldunfähigkeit des Angeklagten, dass diese durch vorherigen Alkoholkonsum eingeschränkt gewesen sei. Jedoch hätte dies nicht zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit geführt. Der Grund: Der Angeklagte habe nach der Tat folgerichtig handeln können.
Staatsanwalt Wolfgang Fiedler plädierte wegen gefährlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Obwohl die Bundespolizei am Bahnhof noch einen Warnschuss abgegeben habe, sei der Angeklagte geflüchtet. Anders argumentierte Verteidiger Maximilian Hof aus Rosenheim die Situation. Er hielt maximal ein Jahr und neun Monate Strafe mit Bewährung für angemessen – wegen einer alkoholbedingten Affekthandlung seines Mandanten.
Letztlich wurde der 26-jährige Rumäne wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Bewährung verurteilt.
Der Vorsitzende Richter begründete die Bewährungsstrafe vor allem mit den sehr unterschiedlichen Zeugenaussagen. Und zwar nicht nur von den Aussagen aus der Gruppe des Täters, sondern auch von den neutralen Zeugen.
Dass der 26-jährige Rumäne wegen des ihm nicht verkauften Marihuanas im Salingarten auf die Gruppe losgegangen sei, stehe nach Überzeugung der Kammer fest. Auch, dass der 26-Jährige den 34-Jährigen geschlagen und angespuckt habe, stehe fest. Insgesamt sei aber eher von einem „Gerangel“ auszugehen, betonte der Vorsitzende Richter Volker Ziegler.
Monika Kretzmer-Diepold