Rosenheim – Die Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit steht kurz bevor. Auch wenn es sich dabei nur um eine Stunde handelt: Die 60 Minuten haben gesundheitliche Folgen. Um welche es sich handelt und wieso die Zeitumstellung abgeschafft werden sollte, erklärt Chefarzt Dr. Stephan Budweiser vom Romed-Klinikum in Rosenheim im OVB-Interview.
Belastet die Zeitumstellung den Körper?
Ja, definitiv. Die Zeitumstellung führt vor allem in den ersten Tagen nach der Umstellung im Frühjahr zu einer verkürzten Schlafzeit, schlechterer Schlafqualität und damit zu einer verminderten Vigilanz (Anm. d. Red.: Aufmerksamkeit), Reaktionszeit beziehungsweise erhöhten Tagesschläfrigkeit. Dies kann zu mehr Unfällen führen, wobei die Datenlage hierzu nicht ganz konsistent ist. Vor allem aber sind negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System relativ gut belegt.
Welche Auswirkungen hat die Zeitumstellung auf den Körper?
Vor allem die Umstellung von der Standardzeit auf die Sommerzeit im Frühjahr stört die zirkadiane Rhythmik (Anm. d. Red.: den biologischen 24-Stunden-Rhythmus) relevant. Die Folgen der verschlechterten Schlafdauer und -qualität konnten sogar auf zellulärer Ebene belegt werden, beispielsweise werden mehr Entzündungsstoffe freigesetzt. Beschrieben werden auch Auswirkungen auf den Kreislauf mit erhöhtem Ruhepuls und erhöhtem Blutdruck.
Gibt es noch weitere Studien?
In Beobachtungsstudien konnten auch Belege für ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfall und Krankenhauseinweisungen wegen Herzrhythmusstörungen gesammelt werden. Diese Effekte wurden vor allem während der ersten zwei Wochen nach der Zeitumstellung im Frühjahr beschrieben.
Gibt es also tatsächlich so etwas wie die „Störung der inneren Uhr“?
Diese „innere Uhr“, wie Sie sie nennen, wird vor allem über das Tageslicht gesteuert. Durch die Umstellung der Uhrzeit kommt es zur Desynchronisierung zwischen dem Tageslicht und körpereigenen Prozessen. Dadurch, dass die Menschen abends der Helligkeit länger ausgesetzt sind, wird der Körper erst später auf Schlaf programmiert. Der umgekehrte Effekt ergibt sich dagegen morgens. Durch die längere Dunkelheit am Morgen ist unser Körper eigentlich noch auf Schlaf eingestellt.
Wie lange braucht der Körper, um sich an die Zeitumstellung zu gewöhnen?
Studien zeigen, dass diese Umstellung in der Regel bis zu zwei Wochen dauert. Das können viele von uns auch so bestätigen. Es gibt aber auch Studien, die zeigen, dass bestimmte hormonelle Vorgänge – zum Beispiel die normale Cortisol- oder Melatoninausschüttung – sich überhaupt nicht komplett anpassen.
Welche Faktoren können die Anpassung beeinflussen?
Menschen reagieren individuell natürlich unterschiedlich auf diese Zeitverschiebung. Die Anpassung ist für Menschen, die ohnehin schon an Schlafstörungen, Stoffwechsel- oder auch an Herzkreislauf-Erkrankungen leiden, schwieriger. Selbstverständlich hängt es auch davon ab, in welchem Beruf man tätig ist, beziehungsweise welchen Verpflichtungen man zu welcher Tageszeit nachgehen muss. Besonders betroffen sind auch Menschen, die Schichtarbeit nachgehen, oder Menschen an den westlichen Rändern der Zeitzonen.
Gibt es Tipps, wie man sich und seinen Körper schneller an die Zeitumstellung anpassen kann?
Das eigene Verhalten und der Lebensstil spielen eine wichtige Rolle. Das Wissen, dass der Schlaf zeitlich und qualitativ schlechter ist, sollte dazu führen, selbst für ausreichende Schlafzeiten zu sorgen. Ganz wichtig ist vor allem, den Körper abends zur Ruhe kommen zu lassen. Beispielsweise sollte man allzu anstrengende Aktivitäten, wie Sport, nicht in die späteren Abendstunden verlagern.
Welche Zeit ist Ihrer Meinung nach gesünder? Die Sommer- oder Winterzeit?
Meine persönliche Meinung orientiert sich an den wissenschaftlichen Fakten, und die sprechen eine klare Sprache. Es gibt viele negative gesundheitliche Auswirkungen der Zeitumstellung auf den Organismus – vor allem bei der Zeitumstellung im Frühjahr. Die „Standardzeit“, also die „Winterzeit“, sollte unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Aspekte einfach beibehalten werden.
Sollte die Zeitumstellung also abgeschafft werden?
Die meisten medizinischen Fachgesellschaften empfehlen dies. Die gesundheitlichen Aspekte dominieren hier einfach. Als Mediziner schließe ich mich dem an. Trotzdem genieße ich es, wenn es abends länger hell ist. Interview: Anna Heise