Scharfe Kritik an „Wehrunterricht“-Idee

von Redaktion

In Lettland gibt es seit diesem Schuljahr den sogenannten „Wehrunterricht“. Dabei werden Schüler unter anderem im Schusswaffengebrauch unterrichtet. Auch in Bayern wird das diskutiert. Rosenheimer Schulen reagieren entsetzt. Auch der Lehrerverband winkt ab.

Rosenheim – Europa rüstet auf: In Lettland gibt es seit diesem Schuljahr Verteidigung als Unterrichtsfach. Dabei lernen Schüler unter anderem, mit Schusswaffen umzugehen und nur mit einem Kompass versteckte Orte zu finden. Der BR sprach mit Simone Fleischmann, der Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, darüber, ob „Wehrunterricht“ auch in Bayern denkbar wäre. Aus den Rosenheimer Schulen hagelt es Kritik für diese Überlegungen.

„Das ist völlig abstrus“, sagt Kai Hunklinger auf OVB-Anfrage. Der Schulleiter der Grund- und Mittelschule Fürstätt versteht zwar die Unsicherheit in Ländern wie Lettland. „Aber bei dem Gedanken daran, Schusswaffengebrauch in den Schulunterricht aufzunehmen, stellen sich mir sämtliche Haare auf“, betont er.

Waffengebrauch „nie
Aufgabe der Schule“

An einer Schule müsse die Grundlage immer sein, Waffengebrauch zu vermeiden und aufzuarbeiten, wie es überhaupt zu solchen Konflikten kommen kann. „So war mir als Geschichtslehrer etwa ein ganz wichtiger Punkt in der Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus die Entstehung“, betont Hunklinger. Schusswaffengebrauch zu lehren, ist in seinen Augen der falsche Weg. „Das kann nie Aufgabe der Schule sein“, so der Schulleiter. Davon, dass der Krieg seine Schüler beschäftigt, merke er wenig. „Hier gibt es keine Konflikte oder Ähnliches“, sagt Hunklinger. Ob es in den Familien der Schüler Thema ist, wisse er nicht. Wenn allerdings Fragen von Schülern auftauchen, arbeite man die natürlich auf. „Dabei wahren wir absolute Objektivität und möglichst hohe Neutralität“, betont der Schulleiter. Hans Elas ist ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern. Auch er sagt: „Das ist absurd. Wir haben ganz andere Probleme.“ Für ihn ist es unvorstellbar, dass sich Kinder und Jugendliche mit militärischen Bedingungen beschäftigen. Stattdessen soll man ihm zufolge eher auf Friedenspolitik setzen. „Also wie kann man untereinander friedlich und vernünftig umgehen?“ Man müsse sich gut überlegen, ob und inwiefern man das Thema Krieg in der Schule behandelt.

Dass Länder wie Lettland jetzt auf Verteidigungsunterricht setzen, kann er nicht nachvollziehen. „Die baltischen Staaten müssen schauen, dass sie mit dem Nachbarn Russland auskommen“, betont Elas. Das funktioniere nicht dadurch, dass man im Unterricht oder in der Schule auf Verteidigung setze.

BLLV fordert mehr
Demokratiebildung

Für Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), ist Wehrunterricht nach lettischem Vorbild kein Thema. „Wir leben nicht in Lettland, sind nicht nahe der russischen Grenze“, sagt sie auf OVB-Anfrage. Ändern soll sich aber dennoch etwas. So sei es unter anderem wichtig, über die Ängste der Kinder zu sprechen. „Es geht nicht darum, die Kinder im Sinne der Militarisierung ans Gewehr zu bringen, sondern ihnen Sicherheit zu geben“, sagt Fleischmann.

Deshalb sollte man ihr zufolge den Fokus eher auf Demokratiebildung setzen. Daraus ein eigenes Fach zu machen, kann sie sich aber nicht vorstellen. „Um Kinder für Demokratie zu sensibilisieren, braucht es keinen Lehrplan und keine Schulaufgabe“, betont Fleischmann. Stattdessen sollen sich Lehrer fachunabhängig die Zeit nehmen, auf Fragen zum Thema Krieg oder Waffen zu reagieren. Es geht also bei der Diskussion nicht um Verteidigungsunterricht wie in Lettland, „sondern um politischen und demokratischen Unterricht im Sinne von Bildung und Sensibilisierung“, betont Fleischmann.

Auch an der Mädchenrealschule Rosenheim stößt der Wehrunterricht auf Kritik. „Schülerinnen im Alter von 15 oder 16 Jahren, womöglich noch im Klassenverband, mit militärischen Inhalten zu konfrontieren, ist für mich völlig unvorstellbar“, sagt Schulleiterin Magdalena Singer.

Entscheidung soll
freiwillig bleiben

Frieden sei zwar nicht umsonst und der Einsatz der Bundeswehr verdiene höchste Anerkennung, doch für ihre Schülerinnen könne sie sich das nicht vorstellen. Zudem entscheiden sich Bundeswehrsoldaten bewusst und freiwillig für den Dienst an der Waffe. „Es ist zu hoffen, dass wir zu diesem Schritt niemals gezwungen sein werden“, betont Singer.

Artikel 5 von 10