Rosenheim – Die Ausstellung „New Life for Kosovo“ in Rosenheim erinnert nicht nur an die schrecklichen Geschehnisse des Kosovo-Krieges, sondern gibt auch den Überlebenden eine Stimme. Einer von ihnen ist Selami Hoti. Er musste die Gräueltaten des Krieges am eigenen Leib erfahren. Im OVB-Interview spricht er über seine Erfahrungen und die Tatsache, dass noch immer Dutzende Menschen vermisst werden. Mit eindringlichen Worten erinnert er daran, warum es so wichtig ist, über das Geschehene zu sprechen – und welche Verantwortung kommende Generationen tragen.
Wie war Ihr Leben vor dem Ausbruch des Kosovo-Krieges 1998/99?
Das Leben von mir und meiner Familie war recht einfach, aber erfüllend. Es bestand eine enge Verbindung zwischen der Familie, den Freunden und den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiteten. Wir unterstützen einander. Unter der Oberfläche jedoch existierte eine latente Spannung, die viele von uns zu ignorieren versuchten. In der Hoffnung, dass daraus nie ein Krieg entstehen würde.
Wie spürten Sie die ersten Anzeichen oder Warnzeichen des Krieges?
Die ersten Warnzeichen des Krieges gab es schon Jahre zuvor, in den 80er-Jahren, als ich ein Kind war. Es war die Zeit, als die albanischen Studenten mit den ersten Demonstrationen begannen. Sie hofften, dass die Kosovo-Albaner die gleichen Rechte wie die anderen Ex-Jugoslawen erhalten würden. Von diesem Moment an spürten wir die häufigen Belästigungen und Einschüchterungen der Miliz und Anderer gegenüber unseren Eltern, Freunden und Nachbarn, die damals nur deshalb inhaftiert wurden, weil sie nach den Rechten der Kosovo-Albaner fragten. Für mich war das der Anfang, der Moment, in dem ich zum ersten Mal mit diesen gewalttätigen Handlungen konfrontiert wurde.
Gab es einen bestimmten Moment, in dem Ihnen klar war, dass Ihr Leben in Gefahr ist?
Ja, als die damalige Miliz, das Volksheer, in mein Dorf kam und von uns verlangte, still zu sein, während unsere Eltern und Freunde inhaftiert wurden.
Beeinflusst das Geschehen der damaligen Zeit Ihre Denkweise heute noch?
Natürlich waren das einige der schlimmsten Zeiten. Ich bin kein Politiker, ich bin kein Professor, ich bin nur ein Mensch, der versucht, die Familien in dem Dorf zu vertreten, aus dem er kommt. Meine Absicht ist es, über die Geschehnisse im Kosovo zu erzählen. Denn es werden nach 26 Jahren Kriegsende noch immer 64 Menschen vermisst. Und wir müssen versuchen, dies zu ändern.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Land nach dem Krieg?
Der Kosovo hat bedeutende Fortschritte beim Wiederaufbau gemacht. Es gibt jetzt mehr Hoffnung und Chancen, insbesondere für die jüngere Generation. Allerdings sind die Wunden der Vergangenheit immer noch vorhanden, und wahrer Fortschritt erfordert, dass diese ungelösten Traumata angesprochen werden und Gerechtigkeit für die Vermissten gewährleistet wird.
Sind Sie zum ersten Mal in Rosenheim?
Ja, es ist mein erster längerer Aufenthalt in Rosenheim. Zuvor war ich nur für einen Tag hier. Daher bin ich sehr froh, eine solche Gelegenheit zu haben, in Rosenheim zu sein. Damit ich von den Geschehnissen der Vergangenheit erzählen und Teil der Ausstellung „New Life for Kosovo“ sein kann. Denn ich hoffe, dass diese Botschaft an die neuen Generationen und an die Stadt Rosenheim weitergegeben wird.
Welche Botschaft möchten Sie mitgeben?
Unsere zukünftigen Generationen dürfen dunkle Zeiten wie den Kosovo-Krieg nie vergessen, um nicht die selben Fehler wieder zu machen. Sie müssen wissen, was in der Welt alles passiert ist und was passieren kann, wenn kein Frieden im Land herrscht. Seit 26 Jahren werden Menschen vermisst. Die Personen, auf die wir die Aufmerksamkeit richten möchten, sind Menschen, die mit Namen und Adressen gewaltsam entführt wurden und verschwunden sind. Die Familienangehörigen haben das Recht die Wahrheit über ihre geliebten Personen zu erfahren. Deshalb bitten wir alle, die wissen, was mit ihnen geschehen ist, um Hilfe.
Interview: Christina Glanz