Rosenheim/Bad Aibling/Wasserburg – Für sein Buch „Der Club“ wurde er gefeiert, für seinen Roman „Stella“ scharf kritisiert: Jetzt stellt der Autor Takis Würger sein neues Werk „Für Polina“ vor. Im Exklusiv-Interview spricht er über Schreibblockaden, unbequeme Stühle und seine Vorstellung von der Liebe.
Sie haben mal gesagt: Schriftsteller zu sein, ist eine Einladung zum Träumen. Welche Träume haben Sie dazu inspiriert, den Roman „Für Polina“ zu schreiben?
Die Fähigkeit zu lieben ist in uns Menschen eine der schönsten und kostbarsten Fähigkeiten, die wir haben, und Liebe ist ja immer fast ein bisschen wie ein Traum, weil es so schön sein kann. Ich habe noch keinen Menschen getroffen – auch die schlimmen Typen nicht – die in sich nicht die Sehnsucht danach tragen, jemanden zu finden, der sie versteht und sie so akzeptiert, wie sie sind. Für mich ist die große Geschichte, die man erzählen kann, eine Geschichte von Liebe.
Und doch stellt sich die Frage, wie man es schafft, sich in diesen turbulenten Zeiten, auf die Liebe zu konzentrieren.
Literatur hat verschiedene Funktionen. Ich bin ein begeisterter Leser von politischer Literatur und setze mich gerne mit zeitgeschichtlichen Themen auseinander. In meiner kurzen Laufbahn als Schriftsteller habe ich zum Beispiel in meinem Buch „Der Club“ über Snobismus und die Klassengesellschaft geschrieben. Aber: Literatur kann uns auch eine Auszeit von den Härten der Gegenwart geben.
Und so ein Buch ist „Für Polina“?
„Für Polina“ ist ein hoffnungsvolles Buch, das den Lesern einen Moment des Innehaltens schenken soll.
Zugleich wird es schon jetzt als der „Liebesroman des Jahres“ betitelt.
Ich bin sehr froh, dass dieser Satz nicht von mir kommt (lacht). Ich denke, es gibt viele Liebesromane des Jahres, aber es freut mich sehr, dass auch mein Buch dazugehört. Dafür bin ich sehr dankbar.
Und dabei geht es in dem Buch ja nicht nur um die Liebe.
Liebe in ihrer schönsten Form ist ja auch so etwas wie Kameradschaft. Und der Protagonist meines Romans, Hannes Prager, ist umgeben von Menschen, die an ihn glauben und die ihm dabei helfen wollen, das zu erreichen, was er sich wünscht. Das ist in meinen Augen so eine Art Gegengift zur Einsamkeit.
Ein Thema, das Sie beschäftigt?
Viele Menschen fühlen sich einsam. Das ist ein großes Unglück. Der Roman „Für Polina“ war für mich lange Zeit so etwas wie ein bester Freund. Diese Geborgenheit, die sich die Figuren gegenseitig schenken, hat auch auf mich als Autor ausgestrahlt. Das ist eine der großen Seltsamkeiten des Schreibens: Die Gefühle, die man sich selber ausdenkt und in sein Werk steckt, geben einem auch selbst etwas zurück.
Was also ist die Botschaft des Romans?
Wenn wir zusammenhalten, aneinander glauben und eine bedingungslose Zuneigung zueinander schaffen, stehen wir besser da, als wenn wir einsam sind.
Wie viele persönliche Erfahrungen und Erlebnisse sind in den Roman geflossen?
Sehr, sehr viele. Die Ideen von der Liebe, über die ich in dem Buch schreibe, sind meine Ideen von der Liebe. Die Figur Fritzi, welche die Mutter der Hauptfigur ist, ist angelehnt an meine eigene Mutter. Und die ganzen skurrilen und verrückten Freundschaften, von denen man meinen könnte, dass es solche verrückten Vögel nicht gibt, sind angelehnt an meine Freunde.
Schön.
Und das Gefühl von Fremdheit, das die Hauptfigur des Buches, Hannes Prager, fühlt, ist auch ein Gefühl, das mir in meinem eigenen Leben immer wieder begegnet ist. Ganz egal ob an der Universität oder als junger Reporter beim Spiegel und im Literaturbetrieb. Ich habe festgestellt, dass ich meine Geschichten im Nachgang dann gerne lese, wenn ich über Dinge, Orte oder Gefühle schreibe, die ich kenne.
Gibt es eine Grenze, die man nicht überschreiten darf, wenn man persönliche Dinge in einen Roman einfließen lässt?
Ich möchte vermeiden, dass jemand, den ich kenne, sich in einer Facette wiedererkennt, die möglicherweise privat oder negativ ist und sich dann bloßgestellt fühlt.
Und bei Ihnen persönlich?
Ich glaube, bereits mit dem ersten Satz, den man schreibt, ist die Grenze zum Persönlichen überschritten.
Nehmen Sie uns mit in Ihren Schreibprozess. Wie entsteht so ein Buch?
Ein Buch entsteht nicht so stringent, wie man sich das als Autor wünschen würde. Was ich wusste, ist, dass ich über Musik schreiben möchte und es eine Liebesbeziehung zwischen Hannes und Polina geben soll. Viele andere Details sind erst beim Schreiben entstanden. Ich habe mich an die Figuren heran geschrieben. Vieles, was ich über die vergangenen Monate geschrieben habe, ist am Ende gar nicht im Buch gelandet.
Hört sich frustrierend an.
Manchmal kann es tatsächlich frustrierend sein. Aber das ist wie bei jedem anderen Beruf: Man hat Momente, die sich sinnlos anfühlen. Aber ich bin jetzt lang genug Schriftsteller, um zu wissen, dass diese Momente Teil des Prozesses sind. Ich muss meinen Figuren auf Irrwegen folgen, um sie besser kennenzulernen.
Haben Sie feste Schreibzeiten?
Ich stehe sehr früh auf, trinke Kaffee und setze mich auf einen unbequemen Stuhl, an meinen einfachen Küchentisch aus Zirbenholz, und schreibe an meinem Laptop. Der steht auf einem dicken Medizinbuch, damit meine Sitzhaltung etwas gesünder ist. Aber ansonsten ist das Ganze recht unspektakulär.
Also müssen Sie sich nicht zwingen, jeden Tag aufs Neue in die Tasten zu hauen?
Zwingen muss ich mich glücklicherweise nicht. Ich empfinde meine Arbeit als Geschenk und bin sehr dankbar, dass es Menschen gibt, die meine Bücher lesen und mir dadurch meine Arbeit ermöglichen. Das und die Tatsache, dass ich so einen tollen Verlag an meiner Seite habe, sind keine Selbstverständlichkeit.
Wie sieht es mit Schreibblockaden aus?
Der Schriftsteller Jonathan Franzen hat einmal gesagt, dass er dann am besten schreibt, wenn er inspiriert ist, und deshalb versucht er bereits, um 9 Uhr inspiriert zu sein. Und das ist ein guter Ansatz, finde ich. Zudem hilft es, wenn man sich daran erinnert, dass man sich am Ende des Tages nicht so wichtig nehmen sollte. Ich versuche, meine Arbeit so gut zu machen, wie es eben geht.
Heißt?
Ich setze mich in der Früh oft ganz vergnügt an den Schreibtisch und schreibe. Und wenn es nicht gut ist, schreibe ich am nächsten Tag einfach weiter.
In einer Welt voller Push-Nachrichten: Wie schaffen Sie es, sich nicht ablenken zu lassen?
Ich verzichte, so gut es geht, auf Social Media. Ich habe zwar einen Instagram-Account, nutze diesen jedoch nur, um Nachrichten zu beantworten. Ich verstehe, dass die digitale Welt für manche Menschen ein Segen ist, ich habe jedoch das Gefühl, dass mein Gehirn dadurch aufgeweicht wird. Mein Handy empfinde ich nahezu als Feind.
Was machen negative Rezensionen mit Ihnen?
Meine Pressechefin paraphrasiert die giftigen Sätze in der Regel nur (lacht). Das schützt mich, auch weil ich in der Vergangenheit gemerkt habe, dass die negativen Sätze lange bei mir hängen bleiben. Das macht das Schreiben schwieriger. Ich möchte nicht an einen Kritiker denken, wenn ich dabei bin, einen neuen Roman zu schreiben.
Sie kommen für Lesungen nach Bad Aibling und Wasserburg.
Das stimmt und ich freue mich sehr auf die Buchhändler, die mich persönlich eingeladen haben. Lesungen, die man gemeinsam mit Buchhändlern gestalten darf, sind meiner Erfahrung nach die besten Lesungen. Interview: Anna Heise