Rosenheim – Dominik Röber hat schon viel gesehen und gehört. Er arbeitet als kriminalpolizeilicher Fachberater beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd und berät rund um die Themen Schockanrufe, Identitätsdiebstahl oder Heiratsschwindel. „Nicht nur Senioren sind betroffen, jeder kann auf die Maschen der Betrüger hereinfallen“, sagt er.
Ein angekündigter
Einbruch
Er erzählt von einem 24-jährigen Studenten, der auf das Haus seiner Eltern in Rosenheim aufpassen sollte. Irgendwann habe das Telefon geklingelt.
Der Anrufer – der sich als Polizist ausgegeben hat – habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass in das Haus seiner Eltern zeitnah eingebrochen werden soll. Der falsche Polizist bat den 24-Jährigen um seine Unterstützung. So müsse man gemeinsam versuchen, die Einbrecher zu überlisten.
Der Vorschlag: Der 24-Jährige sollte alle Wertgegenstände in eine Tüte packen und diese in einem Gebüsch vor der Haustür verstecken. Nur so könne es gelingen, die Täter auf frischer Tat zu ertappen, während die Wertsachen polizeilich verwahrt würden.
Weil im Haus der Eltern kein Bargeld vorhanden war, stellte der 24-Jährige kurzerhand Goldbarren und Schmuck im Wert von rund 30000 Euro vor die Tür. Nach getaner Arbeit habe er sich ins Wohnzimmer gesetzt und abgewartet.
Gold und Schmuck
nicht aufgetaucht
„Als das Adrenalin nachgelassen hat, ist ihm die Situation allerdings komisch vorgekommen“, sagt Röber. Der junge Mann habe die Polizei angerufen, die ihm bestätigte, dass er auf eine Betrugsmasche reingefallen sei. „Gold und Schmuck sind bis heute nicht wieder aufgetaucht“, sagt Röber.
Nur gegen Kaution freigelassen
Dass sich Betrüger als falsche Polizisten ausgeben, sei in den vergangenen Jahren immer wieder vorgekommen. Mal werde ein Einbruch vorgetäuscht, mal heißt es, dass es einen Verkehrsunfall gegeben hat und die Fahrerin – die meist eine Angehörige ist – werde nur gegen eine Kaution freigelassen.
„Häufig ist im Hintergrund dann noch eine weinende Frau zu hören“, sagt Röber. Dabei spielt es ihm zufolge überhaupt keine Rolle, ob die Stimme überhaupt passt.
Verzweiflung
am Telefon
„Man hört nur die Verzweiflung am Telefon und will seinem vermeintlichen Verwandten unbedingt helfen“, erklärt der Polizist. Häufig werde man dann dazu aufgefordert, das Geld zu überweisen – oder das Bargeld von daheim zu einem bestimmten Treffpunkt zu bringen oder es gar vorher noch von der Bank zu holen.
„Mittlerweile gibt es zahlreiche aufmerksame Bankangestellte, die stutzig werden, wenn jemand viel Geld auf einmal abheben will“, sagt Röber. Sie würden im Zweifel die Auszahlung verzögern, um die 110 zu alarmieren, oder aber direkt die Polizei kontaktieren.
Das Problem: Oft werden die Opfer aufgefordert, mit niemandem über die Situation zu sprechen. „Sie wurden quasi einer Gehirnwäsche unterzogen und denken, der Deal erlischt, wenn sie jemandem davon erzählen“, sagt Röber.
Es ist einer der Gründe dafür, warum Betrüger trotz der zahlreichen Warnungen und Aufklärungsversuche immer noch erfolgreich sind. „Hinzu kommt, dass sie richtig gewieft sind“, sagt Röber. So würden auch die Betrüger nicht still stehen und sich ständig verbessern und anpassen.
Ganze Straßenzüge
durchtelefoniert
Während sie bislang meist noch in mehreren Ortschaften nacheinander ganze Straßenzüge durchtelefoniert hätten, setzen sie mittlerweile auf weniger Anrufe, dafür picken sie sich Menschen raus, die – zumindest auf den ersten Blick – aussehen, als ob sie Geld haben. „Umso wichtiger ist es, mit seinen Daten im Internet sparsam umzugehen“, sagt Dominik Röber.
Vornamen
abkürzen
Auch aus dem Telefonbuch sollte man sich – wenn möglich– streichen lassen. Sollte man darauf nicht verzichten wollen, rät der Experte zumindest dazu, den Vornamen abkürzen zu lassen. So könnte es nach und nach gelingen, den Betrügern das Handwerk zu legen.
Schwieriger dürfte es dann schon beim Love-Scamming – dem sogenannten Liebesbetrug – werden. Das ist der moderne Heiratsschwindel. Hier spielen die Betrüger ihrem Opfer die große Liebe vor. „Das geht zum Teil über mehrere Monate“, sagt Röber. Ihre Opfer finden die Betrüger auf Dating-Plattformen oder in den sozialen Medien. „Man lernt sich kennen, tauscht sich über alles aus. Nur das Thema Geld kommt nie zur Sprache“, erklärt der Polizist.
Foto von einem mittel
attraktiven Mann
Nach ein paar Tagen kommt das erste Bild. Bei weiblichen Opfern – die laut Röber oft misstrauischer sind – gibt es ein Foto von einem mittel attraktiven Mann – vielleicht mit einem kleinen Bauch. Mal gibt er sich als Ingenieur aus, mal als Arzt oder Soldat. Irgendwann kommt dann das Thema Geld zur Sprache, manchmal wird es auch nur im Nebensatz erwähnt. Die Studiengebühren im Ausland seien zu hoch, der Einfuhrzoll für den neu erworbenen Perserteppich unvorhergesehen.
Betrüger
unentbehrlich
gemacht
„Die Betrüger fragen nicht selber nach Geld, vielmehr bieten es ihre Opfer an“, sagt Röber. Eben, weil Gefühle im Spiel sind und die Betrüger sich unentbehrlich gemacht haben. Schnell wird das Geld also überwiesen und ein Termin zum Kaffeetrinken vereinbart, bei dem eine Rückzahlung vereinbart werden soll. Erscheinen tun die Betrüger zu diesem Treffen jedoch nicht.
Auch für die Männerwelt gibt es Maschen – meist mit einem hübscheren Foto. „Aber Obdacht: Tatjana heißt nämlich eigentlich Torsten und der zieht die Leute ab“, sagt Röber. Einige seien so schon um ihre komplette Existenz gekommen, hätten Schulden bei Freunden gemacht und eine Hypothek für ihr Haus aufgenommen, um ihre Internet-Bekanntschaft finanziell zu unterstützen. „Jeder kann darauf reinfallen“, unterstreicht Röber und erinnert daran, dass auch der Basketball-Superstar Dirk Nowitzki einem Liebesbetrug zum Opfer gefallen ist.
Hoher Schaden bei
Online-Investionen
Noch schlimmer als Liebesbetrug und Schockanrufe sind Röber zufolge jedoch die vermeintlichen Online-Investitionen in Kryptowährungen. „Die ersten 150 Suchergebnisse, acht bis zehn Trefferseiten der Suchmaschine Ihres Vertrauens zu dem Thema, sind alles Homepages von Betrügern“, warnt der Polizist. Oft werde man damit angelockt, dass man nur wenig Geld – also 250 Euro –- für den großen Gewinn investieren muss.
Plötzlich vervielfacht sich das Geld und die Opfer überweisen noch mehr. Aus den anfänglichen 250 Euro werden schnell 20000. „Gier frisst das Hirn“, sagt Röber.
Kredit in
sechsstelliger Höhe
Noch gut erinnert er sich an eine junge Frau, die sich von ihm – nach Schadenseintritt – hat beraten lassen. Sie habe bei der Bank einen Kredit in sechsstelliger Höhe aufgenommen, um diesen anschließend in Kryptowährungen zu investieren. Sie sei sich ihrer Sache so sicher gewesen, dass sie sogar in ein neues Auto investierte. Auch als der Betrug aufgeflogen ist, wollte sie es nicht glauben. „Sie hat gesagt, dass es wahr sein muss, weil sie sonst ruiniert wäre“, erinnert sich Röber.
Es ist nur eines von zahlreichen Schicksalen, mit denen der Polizist während seiner beruflichen Karriere konfrontiert wurde. „Es gibt für jeden die richtige Masche. Die Betrüger müssen die Opfer nur in einem schwachen Moment erwischen oder im Vorfeld genug Daten über sie gesammelt haben“, sagt der Experte. Trotz allem hat er es sich zur Aufgabe gemacht, aufzuklären.
Vernetzung mit
Seniorenbeauftragten
Er gibt Vorträge, lädt zu Gesprächen ein und verteilt Infomaterial – immer und überall. Wie beispielsweise im April, als es ein großes Treffen des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd mit den Seniorenbeauftragten aus der Region gab. Das Ziel der Veranstaltung: Trickbetrug den Kampf ansagen. „Es war sehr gewinnbringend“, sagt Irmgard Oppenrieder, Vorsitzende des Rosenheimer Seniorenbeirats.
Appell an die
jungen Leute
Auch sie kennt die Geschichten von Menschen, die durch Trickbetrüger um ihr Hab und Gut gebracht wurden. „Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher, weil sich viele schämen“, sagt sie. Doch Grund dafür gibt es keinen, eben weil es so viele Menschen trifft. „Nur, wenn man darüber spricht, kann es gelingen, die Betrüger zu überführen“, fügt sie hinzu. Sie appelliert zudem an die jungen Leute, sich ebenfalls mit dem Thema auseinanderzusetzen – eben weil es nicht nur Senioren treffen kann.