Rosenheim – „Ich fand den Maurer interessant“, sagt Lucie, fügt dann aber nachdenklich bei: „Aber auf den Bau pass ich eher nicht.“ Trotzdem ist die Übungsarbeit mit Ziegelsteinen und Mörtel für die 15-jährige Realschülerin eine „schöne Erfahrung“, weil sie „viel über den Beruf erfahren hat, auch über seine Nachteile.“ Wichtig sei ihr, einen Überblick zu gewinnen. So habe sie beim Kfz-Mechatroniker beispielsweise erfahren, dass der Beruf viel mit Physik zu tun habe.
In einer anderen Gruppe hat sich Emilia über den Beruf des Elektronikers informiert. In der Zimmererwerkstatt stellt sie fest, dass „das Sägen mit der Handsäge anstrengend ist“ und freut sich schon auf die nächste Station: Dort wird sie erfahren, was eine Kauffrau für Büromanagement so macht. Von diesem Beruf hat sie schon klare Vorstellungen. Es sei ein Bürojob, berichtet sie, bei dem man die ganze Palette der Office-Programme einsetze, um Arbeit zu organisieren, Belege zu erstellen und Verwaltungstätigkeiten zu machen. „Ich könnte mir gut vorstellen, in dem Beruf zu arbeiten“, sagt sie, denn: „Ich bin lieber im Büro als auf dem Dachstuhl.“ Ihr Fazit: „Der Tag hat mir viel gebracht“, denn gut sei es auch, die Anforderungen in anderen Berufen zu kennen, auch wenn man selbst sie nicht ausüben möchte.
Die drei haben am „Tag des Handwerks“ teilgenommen, den es seit dem Schuljahr 2022/23 gibt. Diese Schulveranstaltung mit praktischen Übungen bietet die Möglichkeit, eine realitätsnahe Vorstellung von der Arbeit in verschiedenen handwerklichen Berufen zu bekommen. In Rosenheim organisierte die Handwerkskammer für München und Oberbayern in ihrem Bildungszentrum in der Klepperstraße die Veranstaltung für knapp 600 Schüler. Jeder konnte drei von insgesamt acht Handwerken kennenlernen. Auf dem Programm standen die Berufe Zimmerer, Maurer, Kfz-Mechatroniker, Elektroniker, Bürokaufmann, Raumausstatter, Friseur und Schreiner. An kleinen Projekten – bei den Zimmerern war es die Konstruktion eines Dachstuhls – konnten die Jugendlichen ausprobieren, ob ihnen die Arbeit liegt. Die stellvertretende Leiterin des Bildungszentrums, Jennifer Brosche, stellt fest, dass die ursprünglich weit verbreiteten Rollenbilder bei der Berufswahl zwar noch existieren, aber immer mehr durchbrochen werden. Raumausstattung, Büromanagement und Friseur seien immer noch typische Frauenberufe, viele der einstigen Männerdomänen im Handwerk ziehen aber heute auch Frauen an. So wollten immer mehr Schülerinnen den Beruf des Schreiners oder des Elektronikers ergreifen.
Alfred Schubert