Friedhofscafé: Pietätlos und zu laut?

von Redaktion

Interview Monsignore Thomas Schlichting mit einer klaren Meinung und einigen Ideen

Rosenheim – Zwischen Gräbern und alten Ruhestätten könnte es auf dem Rosenheimer Friedhof bald süße Leckereien geben. Was skurril klingt, ist schon seit Jahren immer wieder mal im Gespräch. Wenn es nach dem Wunsch einiger Rosenheimer geht, soll in der alten Leichenhalle, die schon lange weitgehend ungenutzt ist, ein Friedhofscafé entstehen. Einer der Befürworter ist Stadtpfarrer Monsignore Thomas Schlichting. Zu seiner Zeit in München war er mitverantwortlich für den Bau eines solchen Cafés auf dem Ostfriedhof. Im Gespräch mit dem OVB verrät Schlichting, wie das Friedhofscafé dort funktioniert, welche Schwierigkeiten es in Rosenheim gibt und warum die Idee aus religiösen Gründen nicht pietätlos ist.

Wie schmeckt denn ein Kaffee auf dem Friedhof – Sie sollen das schon ausprobiert haben?

Habe ich. Es gibt ja in Deutschland bereits einige Friedhofscafés, zum Beispiel in Berlin oder Hannover. Im Vorfeld unserer Planungen in München habe ich mir das ein oder andere angeschaut und so auch schon ausprobiert, wie das ist, wenn man am Friedhofsgelände in einem Café ist und dort etwas konsumiert.

Einen Kaffee kann man in Rosenheim aber auch woanders trinken, warum sollte das am Friedhof möglich sein?

Es geht nicht darum, dort ein Café wie zum Beispiel in der Innenstadt zu haben. Auch in München ist es kein reiner Café-Betrieb, sondern ein Ort, wo man sich in der Trauer begegnen kann. Vielmehr geht es darum, eine Oase zu schaffen, in der die Menschen auf dem Friedhofsgelände zur Ruhe kommen können und unter Umständen auch Gesprächsmöglichkeiten finden.

Also ein Ort der Begegnung?

Richtig, ein Ort, an dem sich Trauernde untereinander austauschen können oder wenn gewünscht von Seelsorgern begleitet werden. Einen Kaffee zu trinken ist ja zunächst mal niederschwellig, aber es kann sein, dass sich daraus eine Trauerbegleitung ergibt. Zudem geht der Trend dazu, die Aufenthaltsqualität auf Friedhöfen zu verbessern.

Einige fürchten, dass der Friedhof damit zum touristischen Ziel wird. Ähnlich wie in europäischen Großstädten.

Ich glaube nicht, dass ein Rosenheimer Friedhofscafé ein Ort werden könnte, zu dem die Menschen kommen, weil das Café so schick ist. Außerdem sind auf dem städtischen Friedhof eher lokale Berühmtheiten bestattet und keine weltbekannten Schriftsteller oder Komponisten, deren Gräber in einem Reiseführer erwähnt werden. Ich denke nicht, dass dadurch mehr Menschen auf den Friedhof gehen. Das ist auch nicht Sinn der Sache.

Sehen Sie als Pfarrer bei einem Friedhofscafé Widersprüche zu kirchlichen oder katholischen Werte-
vorstellung rund um den Friedhof?

Einen Ort der Begegnung zu schaffen, ist etwas Urkatholisches. Es gibt Länder, zum Beispiel in Lateinamerika, da ist es ganz selbstverständlich, dass an den Gräbern gegessen oder sogar gefeiert wird. Dort ist der Ansatz, dass die Toten auf diese Weise ins Leben hineingelassen werden. Von daher ist es sicher kein Widerspruch. Aber es muss natürlich in unsere Kultur passen.

Kritiker sagen, dass ein Friedhofscafé pietätlos ist. Was entgegnen Sie?

Ich würde sagen, man kann alles machen, man muss es nur gut machen. Es muss sich vertragen. Also es sollte darauf geachtet werden, dass durch den Cafébetrieb nicht die Totenruhe gestört wird. Da braucht es ein sensibles Vorgehen. Einen Ort, an dem Kaffeetassen und Kuchen inmitten der Gräberfelder eine Rolle spielen oder einen lauten Außenbetrieb, der die Trauernden stört, würde ich auch nicht befürworten.

Wie könnte das Café in Rosenheim demnach umgesetzt werden?

Bis jetzt gibt es ja noch keine konkreten Pläne zum genauen Aussehen oder einer Umsetzung. Bislang besteht nur das Ziel, die leer stehenden Räumlichkeiten in der alten Aussegnungshalle künftig nicht mehr leer stehen zu lassen und den Raum als Oase inmitten des Friedhofs zu ertüchtigen. Ob dies dann mit einer Gastronomie geschieht oder wie eine Möblierung aussehen könnte, steht noch in den Sternen.

In München hatten Sie als Bauherr viel zu sagen beim Bau des Cafés – können Sie davon auch in Rosenheim etwas einbringen?

Die alte Leichenhalle ist kein kirchliches Gebäude, da müsste die Federführung die Stadt übernehmen. Zudem es in Rosenheim ganz andere Voraussetzungen sind. In München gab es die Möglichkeit, das Gebäude neu zu bauen. Das ist natürlich ein bisschen einfacher als ein Bestandsgebäude umzunutzen, noch dazu in dieser sensiblen Weise. Dass die Umnutzung gelingt, ist aber nicht unmöglich.

Wird das Café in München angenommen?

Es wird sehr gut angenommen. Allerdings braucht es sicher eine Anlaufphase, bis das zur festen Institution wird. Aber es ist ziemlich ausgebucht, was mir die Gastronomen gesagt haben. Vor allem bei den Leichenmählern, die dort inzwischen direkt nach den Beisetzungen stattfinden können. Mittlerweile ist das auch mehr ein Restaurant, das von einem kleinen inklusiven Betrieb geführt wird. Es gibt eine feste Karte für Mittag- und Abendessen. Die andere Hälfte der Räume kann für Seelsorge oder auch Seminare und Fortbildungen für Themen wie Sterben, Tod, Bestattung sowie Trauer genutzt werden.

Einige Punkte davon werden in Rosenheim aber nicht machbar sein.

Vermutlich nicht. Wir haben in München aber auch nicht gesagt, wir setzen uns jetzt hin und machen auf dem Tisch einen Plan und der wird dann umgesetzt, sondern während der Planungsphase kamen die Impulse. Da haben wir uns an einem runden Tisch zusammengesetzt und überlegt, was können wir umsetzen, was ist praktisch, was ist realisierbar von den Abständen oder von den Möglichkeiten des Gebäudes her.

Der Abstand des Cafés in München zum ersten Grab beträgt 100 Meter. Auch das könnte in Rosenheim schwierig werden – ist das aus Ihrer Sicht kein Problem?

Ich denke, im Inneren der alten Aussegnungshalle kann man durchaus etwas umsetzen, wo man sagt, da kann auch was gegessen und getrunken werden. Auch draußen kann man etwas machen, aber es sollte vermieden werden, dass ein Trauerzug mit Sarg oder Urne direkt an den Menschen vorbeigeht, die einen Kaffee trinken.

Es scheint also alles nicht so einfach zu sein. Besteht in Rosenheim denn überhaupt Bedarf an einem Friedhofscafé?

Ich glaube, es würde vielen Menschen entgegenkommen. Aber etwas, das es nicht gibt und wo auch die Erfahrung an dem Ort nicht da ist, da kann man sehr schwer einen Bedarf feststellen. Das Interesse müsste erst geweckt werden. Von der Stadt ist jedenfalls ein echtes Interesse da. Allerdings ist die Alternative, in dem Gebäude gar nichts zu machen, auch nicht attrak- tiv. Interview: Julian Baumeister

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