Apotheke am Brückenberg schließt

von Redaktion

Familienunternehmen macht nach 56 Jahren dicht – Experte blickt mit Sorge in Zukunft

Rosenheim – Die Entscheidung ist Alice Pauler-Nwajiaku nicht leicht gefallen. Seit 1969 betreibt ihre Familie die Apotheke am Brückenberg. Erst hatte ihre Mutter das Sagen, vor zehn Jahren übernahm Pauler-Nwajiaku die Leitung. Sie kennt die Stammkunden, weiß, welche Medikamente wer braucht. Doch einfacher ist die Arbeit in den vergangenen Jahren nicht geworden.

Die Schwierigkeiten begannen 2019. Damals verließ der dort ansässige Hausarzt das Mehrparteienhaus an der Hochgernstraße. Mit seinem Weggang blieben auch einige Kunden fern. „Generell sind es über die Jahre weniger Kunden geworden“, sagt Alice Pauler-Nwajiaku. Das liegt ihrer Meinung nach auch an der Einführung des E-Rezeptes.

Kosten steigen
mehr und mehr an

Zudem bereiten der Inhaberin die gestiegenen Kosten Sorgen – bei gleichbleibenden Honoraren. Dabei handelt es sich um die Vergütung, die eine Apotheke für die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente erhält. Zwar soll das Honorar jetzt angehoben werden, für die Rosenheimerin kommt diese Änderung jedoch zu spät.

Denn während ihre Einnahmen in den vergangenen Jahren größtenteils gleich blieben, stiegen die Ausgaben. Strom wurde teurer, außerdem mussten die Löhne der Mitarbeiter angepasst werden. „Unser Glück war, dass die Miete nicht gestiegen ist“, sagt die Apothekerin.

Doch wirklich wirtschaftlich sei der Betrieb der Apotheke nicht mehr. Aus diesem Grund zieht sie die Reißleine. Am Freitag, 27. Juni, wird sie ihre Apotheke für immer schließen – nach 56 Jahren. „Es war eine sehr schwere Entscheidung“, sagt Alice Pauler-Nwajiaku am Telefon. Die Kunden hätten sehr betroffen reagiert, einige seien traurig gewesen. Auch, weil sie seit über 40 Jahren ihre Medikamente an der Apotheke am Brückenberg holen.

Wie es für die Inhaberin selbst weitergeht, kann sie im Moment noch nicht sagen. Sie will weiterhin in einer Apotheke arbeiten, allerdings als Angestellte. Ihre drei Mitarbeiter hätten bereits neue Herausforderungen gefunden. „Apotheker werden zum Glück nach wie vor händeringend gesucht“, sagt Pauler-Nwajiaku.

Wie schmerzhaft der Wegfall einer weiteren Apotheke für die Rosenheimer ist, weiß Florian Nagele. Er ist Sprecher des Bayerischen Apothekenverbands und selbst Inhaber einer Apotheke. „Die Wege werden immer weiter“, sagt er auf OVB-Anfrage. Wenn Apotheken schließen, die Vororte oder Stadtteile versorgen, für die es keine weitere Apotheke gibt – wie es auch bei der Apotheke am Brückenberg der Fall ist – müssten die Patienten weitere und teils beschwerliche Wege auf sich nehmen, um zur nächsten Apotheke zu gelangen. Das werde vor allem dann zum Problem, wenn die Kunden selbst nicht, oder nur eingeschränkt mobil sind.

Nagele macht – ähnlich wie Alice Pauler-Nwajiaku – die problematische wirtschaftliche Lage für die Schließungen von Apotheken verantwortlich. „Seit 2014 hat es keine Anpassung des Apothekenhonorars gegeben. Die Kosten sind jedoch immens gestiegen“, sagt er. Zudem werde es immer schwerer, einen Nachfolger zu finden. Auch die zunehmende Bürokratie und der stetig steigende Arbeitsaufwand seien Gründe dafür, dass Apotheken dicht machen würden.

Wie viele Apotheken in den vergangenen Jahren in der Region geschlossen haben, weiß er nicht. Doch ein Blick auf die bayernweiten Zahlen reicht für die eine oder andere Sorgenfalte. So gibt es in ganz Deutschland inzwischen weit unter 17000 Apotheken. „Somit sind wir auf dem niedrigsten Wert seit 1970“, sagt Florian Nagele. In Bayern gab es Ende 2024 noch 2697 Apotheken – im Vergleich zu 3266 im Jahr 2014. „Das ist ein Rückgang von knapp 20 Prozent in den vergangenen zehn Jahren“, sagt der Sprecher.

Bleibt die Frage, wie sich das Apothekensterben aufhalten lässt. Die Antwort kennt der Apotheker: „Durch eine längst überfällige Anpassung des Honorars wird die Grundlage geschaffen, die Löhne des hoch qualifizierten Fachpersonales anzupassen und die Berufe somit auch wieder attraktiver zu machen.“

Auch ein Bürokratieabbau wäre in seinen Augen wünschenswert, um die „knappe Zeit wieder mehr den Patienten als den Verwaltungsaufgaben widmen zu können“.

Trotzdem gibt Nagele Entwarnung. Zumindest vorerst. „Die Versorgung in der Stadt ist aktuell noch gesichert. Aber man muss den Trend erkennen und gegensteuern, bevor die Versorgung gefährdet ist“, fügt er hinzu.

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