Rosenheim – Millionen Leser, unzählige Bestseller, zwei Autoren – ein Name: Iny Lorentz. Hinter dem bekannten Autorennamen stehen Iny Klocke und Elmar Wolrath, die seit über 30 Jahren gemeinsam Romane verfassen. Was viele nicht wissen: Die beiden sind nicht nur ein eingespieltes Autorenteam, sondern auch ein Ehepaar. Im Interview sprechen sie über ihre ungewöhnliche Arbeitsweise, ihren Weg vom Programmierer zum Bestsellerautor – und warum kurze Sätze oft die schwierigsten sind.
Wenn ein Ehepaar gemeinsam Bestseller schreibt, über Jahrzehnte hinweg Millionen Leser erreicht und dabei nie den Humor verliert, dann lohnt sich ein genauerer Blick. Iny Lorentz – das ist der Autorenname hinter Iny Klocke und Elmar Wolrath, bekannt vor allem durch ihre historischen Romane wie „Die Wanderhure“ oder „Die Pilgerin“.
Millionen Bücher unter neun Pseudonymen
Millionen verkaufte Bücher, neun Pseudonyme: Iny Lorentz ist nicht nur ein Name, sondern ein ganzes System. „Wir haben mittlerweile rund 22 Millionen Bücher verkauft“, erklärt das Autorenpaar. „Unsere Bücher erscheinen unter neun verschiedenen Pseudonymen – je nach Genre. Von historischen Romanen bis zu Thrillern.“
Der Grund für die Pseudonyme ist pragmatisch: Die echten Namen würden auf dem Buchcover „viel zu wuchtig“ wirken. So entstand ein literarisches Markenzeichen, das Leser weltweit erkennen.
Weder Klocke noch Wolrath kommen aus einem klassischen Schriftstellerhaushalt. Beide arbeiteten in der IT-Branche, sind ausgebildete Organisationsprogrammierer. Was auf den ersten Blick nach einem Kontrast klingt, ist für das Paar stimmig: „Ein Roman muss logisch aufgebaut sein, wie ein gutes Programm.“ Diese Struktur, gepaart mit der Fähigkeit zur Fantasie, hilft ihnen, umfangreiche Geschichten lebendig und lesbar zu machen.
Wer glaubt, ein gemeinsames Schreibprojekt führe automatisch zu Ehekrisen, irrt bei Iny Lorentz. Die beiden trennen Berufliches und Privates konsequent: „Wir behandeln einander beim Schreiben, als wäre der andere eine Supermimose. Kritik wird in Fragen formuliert, nie als Vorwurf“, sagt Klocke.
Die Rollen sind dabei klar verteilt: Wolrath schreibt den ersten Entwurf, Klocke überarbeitet, schleift, verfeinert. Und dann beginnt der Prozess von vorn – mit viel Bleistift, Rotstift und gegenseitiger Kontrolle. Der Schreiballtag ist streng strukturiert: „Wir stehen gemeinsam auf, frühstücken – und dann geht jeder in sein Arbeitszimmer. Etwa zehn bis 15 Manuskriptseiten pro Tag sind unser Ziel. Mehr nicht, wir wollen ja nicht ausbrennen.“ Recherche und Lesearbeit kommen obendrauf. Denn jedes Buch braucht seine Grundlage – auch historisch. Die Fakten werden nicht verbogen. „Warum auch? Die Geschichte bietet genug Stoff, wir müssen nur Figuren hineinsetzen“, so das Duo.
Für Klocke war das Lesen ein Rettungsanker in schwierigen Zeiten: „Ich hatte keine gute Kindheit, war die unerwünschte Tochter. Das Lesen hat mich geistig gerettet.“ Wolrath erinnert sich daran, als Kind die Bibel verschlungen zu haben – aus Mangel an Alternativen, aber mit nachhaltiger Wirkung. Eine evangelische Vikarin versorgte ihn später mit Literatur aus dem 19. Jahrhundert. Diese Sprache, sagt er, inspiriert sie bis heute: „Wir wollen schreiben wie damals – aber im flotten Ton von heute.“
Kennengelernt haben sich die beiden Autoren in den 80er Jahren – über Briefe, ganz ohne Foto. Beide schrieben für ein Magazin eines Fantasyclubs, trafen sich erst nach anderthalb Jahren zum ersten Mal persönlich. Heute schreiben sie Geschichten, die in viele Sprachen übersetzt wurden – und gerade deshalb oft für Menschen empfohlen werden, die Deutsch lernen: „Unsere Sätze sind kurz, klar – und das ist gar nicht so leicht zu schreiben, wie viele glauben.“
Im Schnitt arbeiten die beiden zwei Jahre an einem Roman. Doch es geht auch anders: Für „Die Pilgerin“ recherchierten sie sieben Jahre lang. „Wir wollten den Jakobsweg selbst gehen. Gekommen sind wir bis zu den Pyrenäen – dann forderte der Verlag das Manuskript.“ Santiago de Compostela fehlt bis heute, aber der Roman wurde trotzdem ein Erfolg – und sogar verfilmt.
Herz und Disziplin –mehr als simples Schreib-Handwerk
Iny Lorentz ist mehr als nur ein Name im Bücherregal. Dahinter steckt ein Autorenpaar mit viel Disziplin, großem Herz und einer Geschichte, die selbst ein Roman sein könnte. Ihre Bücher mögen leicht lesbar sein – doch das Handwerk dahinter ist alles andere als simpel.
Was bleibt nach diesem Gespräch, ist Bewunderung für zwei Menschen, die sich über Worte gefunden haben. Die sich gegenseitig Raum geben – zum Schreiben, zum Leben und zum Wachsen. Und die nie vergessen haben, für wen sie schreiben: für ihre Leser.