Rosenheim – Günter Bäbler kennt sich aus mit der Titanic. Er besitzt viele seltene Sammlerstücke und ist ein weltweit anerkannter „Titanic“-Spezialist. 1992 hat er – gemeinsam mit zwei anderen Mitstreitern – den Schweizer Titanic-Verein gegründet, der mittlerweile über 200 Mitglieder hat.
Bei der Rosenheimer Ausstellung hat er als Kurator und wissenschaftlicher Berater mitgewirkt. Warum ihn die „Titanic“ so fasziniert – und was die Ausstellung in Rosenheim so besonders macht, verrät er im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Warum fasziniert Sie die Titanic so?
Das hat tatsächlich schon während meiner Schulzeit begonnen. Ein Lehrer hat damals von der Titanic erzählt. Ich habe ihn gefragt, warum die Menschen nicht einfach auf einen Eisberg geklettert sind. Darauf bekam ich keine Antwort. Das hat meine Neugier beflügelt, und das Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Daran hat sich auch Jahre später nichts geändert. Es gibt immer noch zahlreiche Sachen über die Titanic, die ich nicht weiß.
Dabei ist die Geschichte der Titanic ja eigentlich
in wenigen Sekunden erzählt.
Das stimmt. Und doch ist die Geschichte eben nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Es gibt so viele Facetten und endlos viele Geschichten über die einzelnen Passagiere. Dann interessiert mich alles rund um den Schiffsbau von damals, aber natürlich auch das Wrack. Die Geschichte der Titanic ist wahnsinnig vielseitig. Das fasziniert mich.
Also gibt es immer noch Geheimnisse, die Sie nicht kennen?
Auf jeden Fall. Ich entdecke immer noch Themen, mit denen sich niemand vorher beschäftigt hat. Und das, obwohl ich knapp 5000 Bücher zu Hause habe, die sich alle mit der Titanic beschäftigen. Und ich weiß schon jetzt, dass ich bis zu meinem Lebensende damit beschäftigt sein werde, neue Dinge über die Titanic herauszufinden.
Sie waren selbst bei einigen Expeditionen dabei.
Ja, das war 1998. Wir waren mit einem Forscherschiff unterwegs und haben einen Roboter zum Wrack der Titanic geschickt. Der sah ein bisschen aus wie ein Rasenmäher mit Kabel (lacht). Wir haben uns also das Wrack angeschaut, aber auch einige Dinge nach oben geholt, die am Meeresgrund lagen.
Ist Ihnen von diesen Dingen etwas besonders in Erinnerung geblieben?
Ja, das sogenannte ‚Big Piece‘, ein großer Teil des Rumpfs der Titanic. Es ist das größte geborgene Wrackstück und befindet sich derzeit in Las Vegas. Das Teil wiegt rund 15 Tonnen.
Einer der Konservatoren hat mich damals gefragt, ob ich ihn dabei unterstützen kann, ein Fenster dieses Teils zu sichern. Wir haben dann gemeinsam das Fenster zugemacht, das seit 1912 offen stand. Irgendjemand – möglicherweise ein Steward – hat damals an Bord der Titanic dieses Fenster geöffnet. Jahre später hab‘ ich es zugemacht. Und es hat noch funktioniert.
Das war ein unglaublicher Moment, ein Handschlag mit der Geschichte. Und ja: Mich hätte es dafür nicht gebraucht, aber das war ein unbezahlbarer Moment.
In Rosenheim läuft seit einigen Wochen die Titanic-Ausstellung – an der auch Sie maßgeblich mitgewirkt haben. Wie ist der Kontakt entstanden?
Ich habe eine E-Mail bekommen, die ich durch Zufall im Spam-Ordner entdeckt habe. Die Verantwortlichen in Rosenheim waren auf der Suche nach einem Bild, das ich besitze. Ich wurde angefragt, ob ich noch weitere Bilder in die Richtung habe. Ich habe geantwortet, einige Tage später gab es einen Zoom-Call. Uns allen war relativ schnell klar, dass die Vision, die es für Rosenheim gab, und das, was ich anbieten kann, sich sehr gut ergänzt hat. In Rosenheim brauchte man zudem jemanden, der die Szene der „Titanic-Fans“ kennt.
Und das waren Sie.
Ich will nicht arrogant klingen, aber ja, das war ich. Wir sind uns schnell einig geworden und haben kurze Zeit später mit den Vorbereitungen begonnen.
Mittlerweile läuft die Ausstellung schon eine zeitlang. Ihre Meinung?
Ich bin natürlich etwas voreingenommen, versuche aber trotzdem, ehrlich zu antworten. Ich war sicher bei hundert Titanic-Ausstellungen weltweit. Aber die Ausstellung, die derzeit in Rosenheim gezeigt wird, ist Weltklasse. So etwas gab es noch nie.
Was macht die Ausstellung in Rosenheim so besonders?
Im Lokschuppen wurde eine eigene Ausstellung gebaut. Hier werden die einzelnen Exponate zelebriert. Es wurden Vorrichtungen gebaut, und die Beleuchtung ist hochprofessionell.
Da kommt keine Ausstellung hin, die ich mir in den vergangenen 30 Jahren angeschaut habe. Jedes Exponat wurde liebevoll in Szene gesetzt und so aufgestellt, dass es auch Kinder gut sehen können. Das ist eine Qualität, die ich so nicht kenne. Übrigens: Auch für Leihgeber ist die Ausstellung in Rosenheim interessant.
Inwiefern?
Dadurch, dass die Ausstellung in Rosenheim nur für ein Jahr angelegt ist, muss ich als Leihgeber nicht allzu lange auf meine Exponate verzichten. Ganz anders sind es da bei den Wanderausstellungen aus. Da kann es sein, dass ich meine Exponate fünf Jahre oder länger nicht mehr zu Gesicht bekomme. Viele Leihgeber sind dazu nicht bereit.
In Rosenheim haben wir jedoch aufgrund der kurzen Ausstellungsdauer die Möglichkeit gehabt, an Dinge zu kommen, die sonst nicht gezeigt werden. Deshalb haben wir einige Highlights, die es erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen gibt.
Also waren die Reaktionen bisher durchwegs positiv?
Die Reaktionen, die ich bekommen habe, auf jeden Fall. Ich habe am Eröffnungstag ein 20-minütiges Video gemacht, in dem ich einfach nur durch die Ausstellung spaziert bin.
Daraufhin haben mich Freunde und Bekannte angeschrieben – zum Teil auch aus Amerika –, die gar nicht fassen konnten, was wir hier auf die Beine gestellt haben.
Zeitgleich laufen auch Titanic-Ausstellungen in München, Köln und Hamburg.
Ja, aber die können mit der in Rosenheim nicht mithalten. In den anderen Ausstellungen werden beispielsweise Teile gezeigt, die nicht echt sind und sich definitiv nicht auf der Titanic befunden haben.
Viel Effekthascherei und Etikettenschwindel, dafür aber wenige historische Inhalte. Das ist für mich sehr frustrierend. In Rosenheim haben wir keine Fakes, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.
Kann man davon sprechen, dass es derzeit eine Art Titanic-Hype gibt?
Ich glaube, das ist Zufall. Als wir in Rosenheim angefangen haben zu planen, wussten wir nicht, dass noch andere Ausstellungen nach Deutschland kommen. Die Pläne für München oder Hamburg wurden beispielsweise erst in diesem Jahr bekannt gegeben.
Aber prinzipiell glaube ich, dass alles rund um die Titanic einfach ein Thema ist, das die Menschen immer interessiert.
Interview: Anna Heise