Unfall an Panorama-Kreuzung vor Gericht

von Redaktion

Ein schwerer Verkehrsunfall auf der Miesbacher Straße im Oktober 2023 kurz vor Rosenheim musste vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Es stand der Verdacht im Raum, dass der Crash absichtlich verursacht worden war.

Rosenheim – Gegen 8 Uhr morgens steuerte am 19. Oktober 2023 ein Rosenheimer sein Auto von der Panoramakreuzung kommend in Richtung Stephanskirchen nach der Innbrücke plötzlich auf die linke Straßenseite und rammte beinahe frontal einen Lkw. Dabei wurde sein Fahrzeug zurück auf die andere Fahrbahnseite geschleudert, wo ein nachfolgender Pkw unmöglich ausweichen konnte und in die Fahrerseite des Unfallverursachers knallte. Dabei wurde der Angeklagte selbst schwerstens verletzt und musste aus dem Fahrzeug herausgeschnitten werden. Beide Pkw erlitten Totalschaden. Dem Lkw wurde die linke Vorderachse nach hinten herausgerissen. Ein drittes entgegenkommendes Fahrzeug wurde noch durch herumfliegende Fahrzeugteile beschädigt.

Blick auf die
Lenkaktionen

Weil zunächst nicht klar war, ob der Verursacher den Unfall überleben könnte, wurde die Polizei beauftragt, Verwandte des Angeklagten zu verständigen. Als der Vater des Angeklagten sagte, dass sich sein Sohn a) in finanziellen Problemen befände und b) schon früher einmal geäußert habe, er würde sich unter Umständen selbst das Leben nehmen, kamen erste Vermutungen auf, es könnte sich um einen Selbstmordversuch handeln. Deshalb musste sich der Mann, der den Unfall überlegte, nun vor Gericht verantworten. Denn wenn der Angeklagte mit voller Absicht sein Auto in den Lkw gesteuert hätte, so würde es sich um einen „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ nach Paragraf 315c Strafgesetzbuch handeln. Was mit einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.

Nun haben Gutachter festgestellt, dass keine Defekte an dem Wagen des Verursachers zu dem Unfall führen konnten, auch fanden sich keine Gegenstände wie zum Beispiel ein Handy im Wagen, dessen Benutzung eine fahrlässige Ursache gewesen sein könnte. Auch stellte der Gutachter Frank Schmidinger aus Mühldorf fest, dass es sich nicht um eine allmähliche Fehlsteuerung gehandelt haben konnte, sondern sich um eine Lenkaktion nach links gehandelt hatte. Dies wurde ganz deutlich, als auf dem Bildschirm im Rosenheimer Gerichtssaal eine, anhand der Messdaten nachgestellte Animation gezeigt wurde. Dabei wurde das Unfallgeschehen aus mehreren Blickwinkeln in Echtzeit dargestellt. Auch war zu sehen, wie der Fahrer des Lkw in letzter Sekunde vergeblich versuchte auszuweichen, was zeitlich und wegen der Fahrbahnbegrenzung letztlich aber nicht möglich war.

Der Verteidiger Rechtsanwalt Peter Dürr erklärte, dass sein Mandant an den Unfall aufgrund seiner Verletzungen keinerlei Erinnerung habe. Aber für sich ausschließen könne, dass er einen Suizid begehen wollte. Zunächst schwieg der Angeklagte allerdings.

Nun untersuchte das Gericht mögliche Motive für eine Suizidabsicht. Richtig ist, dass die Firma, die er damals betrieben hatte, in finanziellen Schwierigkeiten war. Allerdings in einem Maße, das nicht zwingend auf eine Aussichtslosigkeit hinweisen musste. Auch der frühere übertriebene Alkoholkonsum des Mannes wurde vor Gericht thematisiert worden. Allerdings war dessen Blutalkoholgehalt nach dem Unfall mit 0,0 Promille gemessen worden. Nicht ausschließen konnte der Sachverständige allerdings, dass Tiere, welche die Straße überquert haben oder gesundheitliche Schäden wie plötzliche Bewusstlosigkeit die Ursache für ein solches Fehlverhalten gewesen sein könnten.

Die Unfallfolgen für den 47-Jährigen waren mehr als erheblich. Die Rippen seitlich mehrfach gebrochen, Unterarme und Handgelenke gebrochen, die linke Schulter schwerst verletzt. Insgesamt acht Frakturen, Bänder- und Muskelrisse führten dazu, dass er körperlich beeinträchtigt und seinem Beruf weitestgehend nicht mehr nachgehen kann. Hauptursächlich für dessen Verletzungen war der seitliche Aufprall durch das nachfolgende Auto.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt in seinem Plädoyer andere Begründungen für nicht stichhaltig. Äußere Einflüsse seien von keinem anderen Unfallbeteiligten bemerkt worden, könnten also ausgeschlossen werden. Auch einen plötzlichen Gesundheitsschaden wollte er nicht gelten lassen. Im Gegensatz zu der Beurteilung durch den Gutachter hielt er das nachgewiesene, dosierte „Gasgeben“ für einen Gegenbeweis.

Weil jedoch der Angeklagte selbst den größten und dauerhaften Schaden davongetragen hatte, beantragte er eine Haftstrafe von 21 Monaten, die das Gericht angesichts der Umstände zur Bewährung aussetzen könne. Der Verteidiger beantragte seinen Mandanten vom Vorwurf der absichtlichen Gefährdung des Straßenverkehrs freizusprechen: Warum, so argumentierte Dürr, legt man in Suizidabsicht einen Sicherheitsgurt an? Ausschließlich Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft gäbe es, die zu dem Vorwurf einer Suizidabsicht führten.

„Falsche
Rückschlüsse“

Dazu argumentiere der Vertreter der Staatsanwalt teilweise ausdrücklich gegen die Beurteilung durch den Sachverständigen. Im Großen und Ganzen handle es sich bei der Argumentation der Staatsanwaltschaft um falsche Rückschlüsse, die nicht beweisbar seien. Insoweit könne es nichts anderes geben als einen Freispruch.

Das Gericht folgte dem und sprach den Angeklagten von der Suizidabsicht frei und damit vom Vorwurf der Straßenverkehrsgefährdung. Die Tatsache, dass sich der Mann angeschnallt hatte und auch die gering gemessene Geschwindigkeit sprächen gegen die Selbsttötungsabsicht.

Anmerkung der Redaktion: Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen, damit solche Fälle mögliche Nachahmer nicht ermutigen. Eine Berichterstattung findet nur dann statt, wenn die Umstände eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren.

Wenn Sie oder eine Ihnen bekannte Person unter einer existenziellen Lebenskrise oder Depressionen leiden, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge unter der Telefonummer 0800/1110111. Hilfe rund um die Uhr bieten auch die Krisendienste Bayern unter 0800/6553000.  Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite www.krisendienste.bayern.