Kein gutes Klima für Fahrradfahrer?

von Redaktion

Zufrieden sind die Fahrradfahrer in Rosenheim nicht: Das zeigt das Ergebnis des ADFC-Fahrradklima-Tests, der alle zwei Jahre durchgeführt wird. Die Grünen machen ihrem Unmut in den Sozialen Medien Luft. Die Stadt schießt zurück – auch, weil der Test ihrer Meinung nach nicht repräsentativ ist.

Rosenheim – Überrascht von den Ergebnissen scheint niemand zu sein. Zumindest, wenn man bei den Rosenheimer Grünen nachfragt. „Erwartungsgemäß schneidet Rosenheim beim Fahrradklima-Test vom ADFC nicht gut ab“, teilt die Partei auf ihrer Instagram-Seite mit. Die Politiker gehen sogar noch einen Schritt weiter, sprechen davon, dass sie bei einem Blick auf die Ergebnisse an das Abschneiden Deutschlands beim Eurovision Song Contest erinnert worden seien.

Doch von Anfang an: Alle zwei Jahre führt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) einen Fahrradklima-Test durch, der aufzeigen soll, wie zufrieden Radfahrende in Deutschland mit den Bedingungen vor Ort sind. Teilnehmer müssen also unter anderem darüber Auskunft geben, wie sicher sie sich beim Radfahren fühlen, wie gut die Radwege sind und welchen Stellenwert das Fahrrad in ihrer Stadt hat.

Radler geben eine
Gesamtnote von 4,4

Während Städte wie Tübingen, Ettlingen und Erlangen heuer gute Bewertungen bekamen, schnitt Rosenheim eher schlecht ab und bekam die Gesamtnote 4,4. Damit landete die Stadt auf Platz 104 von 113 – und verschlechterte sich im Vergleich zu 2022 leicht.

Gründe dafür gibt es einige. Das weiß Christof Gebhardt, Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands Rosenheim. So gibt es an vielen Stellen zu schmale Radwege. Er kritisiert zudem die Tatsache, dass viele Autos beim Überholen zu nah an den Radfahrern vorbeifahren. Denn während in der Straßenverkehrsordnung klar geregelt ist, dass der Sicherheitsabstand innerorts anderthalb Meter betragen soll, sieht die Praxis oft anders aus.

„Die gegenseitige Rücksichtnahme fehlt. Das ist meiner Meinung nach einer der Gründe, warum das Fahrradklima schlecht ist“, sagt Gebhardt. Doch es gibt auch positive Dinge. Beispielsweise die Abstellanlagen, die Reinigung der Radwege sowie die geöffnete Einbahnstraße in Gegenrichtung. Auch die Tatsache, dass es einen Radverkehrsbeauftragten gibt, gefalle vielen.

Und doch hagelt es Kritik. Vor allem aus den Reihen der Grünen. „Mit einem Schnitt von 4,4 ist auch Rosenheim fahrradpolitisch durchgefallen. Wenn man sich die Radwege vor Ort anschaut, kann man sagen: Platz 104 von 113 in der Radverkehrsfreundlichkeit haben wir uns gründlich verdient“, kritisierte die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Victoria Broßart (Grüne) direkt nach der Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Menschen fühlten sich – so heißt es in ihrer Stellungnahme – in der Region weiterhin nicht sicher genug, um aufs Fahrrad zu steigen. Noch immer gebe es im Alltag zahlreiche Hürden, das Auto stehenzulassen und einfach zu radeln. Sie plädierte dafür, dass in der Stadt Rosenheim alles dafür getan wird, um die „lokale Fahrradklimakatastrophe zu beenden“.

„Ergebnis überrascht
uns keineswegs“

Dafür plädiert auch Armin Stiegler. Er ist Mitglied im Fahrradbeirat und setzt sich schon seit Langem dafür ein, dass sich die Situation für die Radfahrer verbessert. „Das Ergebnis des Fahrradklima-Tests überrascht uns keineswegs. Abgesehen von einigen Markierungen von Radfahrstreifen und zusätzlichen Fahrradständern ist in den letzten fünf Jahren seit Übernahme der Ziele des Radentscheids kaum etwas umgesetzt worden“, sagt er auf OVB-Anfrage.

Was ihn vor allem stört: Für fast alle wichtigen Straßen in Rosenheim gebe es Vorschläge, Entwürfe und Gutachten. „Sie warten seit zwei Jahren darauf, dass sie endlich vom Stadtrat ernsthaft diskutiert werden, um zumindest Teilbereiche mit moderatem Aufwand einer deutlichen Verbesserung zuzuführen“, fügt Stiegler hinzu. Der politische Wille für Verbesserungen im Radverkehr ist seiner Meinung nach aber „viel zu schwach ausgebildet“.

Und die Stadt Rosenheim? Die weist die Kritik entschieden von sich. „Der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur ist ein steter Prozess und er wurde in den vergangenen fünf Jahren sukzessive verfolgt“, sagt Pressesprecher Christian Baab auf OVB-Anfrage. Das Ergebnis des Fahrradklima-Tests spiegle das ihm zufolge überhaupt nicht wider.

Er weist in diesem Zusammenhang unter anderem darauf hin, dass lediglich 239 Menschen an der Umfrage teilgenommen haben – noch weniger als in den Vorjahren. „Gemessen an der Gesamtbevölkerung Rosenheims sind das 0,36 Prozent, wobei mögliche Mehrfachabstimmungen oder Teilnahmen aus dem Landkreis nicht mit eingerechnet sind“, sagt Baab. Repräsentativ sei die Umfrage in seinen Augen jedenfalls nicht.

Fahrradfreundlichkeit
wird vorangetrieben

Vorangetrieben wird die Fahrradfreundlichkeit in der Stadt trotzdem. Das unterstreicht auch Oberbürgermeister Andreas März (CSU). „In den vergangenen fünf Jahren haben wir ein Fahrradparkhaus errichtet, Servicestationen aufgestellt und mehr Stellplätze geschaffen. Die Eichfeldstraße wird derzeit zur Fahrradstraße umgebaut, spezielle Fahrbahnmarkierungen sorgen für mehr Sicherheit und der Brückenberg ist mit der Hubertus- und der Münchener Straße fahrradfreundlich saniert und ausgebaut worden“, sagt er.

Rosenheim sei zudem Teil der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern und wird März zufolge im kommenden Jahr als fahrradfreundliche Kommune zertifiziert. „Das ist nur ein kleiner Teil unserer Maßnahmen, die auch in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden“, sagt März und fügt hinzu: „Der Fahrradklima-Test verzerrt dieses Bild und gibt die Realität nicht ansatzweise wieder.“

Bleibt die Frage, wie es jetzt weitergeht. „Wir können beliebig viel Geld in die Infrastruktur stecken. Solange die gegenseitige Rücksichtnahme fehlt, wird das Fahrradklima nicht besser werden“, sagt Christof Gebhardt. Er appelliert deshalb, den Fokus „stärker auf ein faires Miteinander im Verkehr“ zu richten. So sollten Radfahrer rote Ampeln beachten, nicht auf Gehwegen fahren und auf eine ausreichende Beleuchtung achten.

Fußgänger sollten die Radwege freihalten und im Straßenverkehr aufmerksam sein. Autofahrern rät der ADFC-Vorsitzende, den vorgeschriebenen Mindestabstand einzuhalten und Radfahrenden – insbesondere beim Abbiegen – den Vorrang zu gewähren. „Statt des Rechts des Stärkeren sollte Verantwortungsbewusstsein für die Schwächeren gelten“, fügt er hinzu.

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