Rosenheim – Es ist ein Schritt in ein ganz anderes Gebiet, den Hannelore Maurer wagt. Die Seelsorgerin der Stadtkirche Rosenheim wagt sich beruflich in ein neues Metier. Ab sofort wird sie als Polizeiseelsorgerin beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd tätig sein. Wie es zu diesem Schritt kam, wovor sie großen Respekt hat – und warum sie der Arbeit in der Kirche trotzdem nicht den Rücken kehrt, verrät sie im exklusiven Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Wie kam es denn zu diesem Schritt zur Polizeiseelsorge?
Der Ursprung war tatsächlich der neue Stellenplan des Erzbistums. Dieser enthält auch viele Kürzungen und daher wurde ich vor drei Jahren bereits aufgefordert, mir Gedanken über meine persönliche Laufbahnentwicklung zu machen. Ich habe mir dann die verschiedenen Arbeitsfelder angeschaut und dann hat sich schnell herausgestellt, dass mein Herz jetzt für die Polizeiseelsorge schlägt.
Gab es einen Schlüsselmoment, bei dem Ihnen das klar wurde?
In der Notfallseelsorge hatte ich immer wieder Kontakt mit Polizeibeamten und deren Familien. Da habe ich schon gesehen, was für großartige Arbeit bei der Polizei geleistet wird – und auch unter welchen Bedingungen. Die verbalen und tätlichen Übergriffe gehen nicht spurlos an den Beamten vorüber. In jeder Uniform steckt ein menschliches Herz.
Das klingt wie eine Art Credo für die neue Aufgabe…
Ja. Ich möchte nun in den letzten 15 Jahren meiner Berufstätigkeit noch einmal ganz an die Ränder gehen. Dahin, wo mich die Menschen brauchen. Unabhängig davon, welcher Konfession sie angehören oder ob sie überhaupt gläubig sind.
Dabei werden Sie wahrscheinlich auch mit schlimmen Schicksalen konfrontiert.
Tatsächlich habe ich einen riesigen Respekt vor dieser Aufgabe. Ich gehe dem mit großer Motivation entgegen und die ersten Begegnungen waren auch schon sehr ermutigend. Aber ich weiß auch, dass da vieles kommt, wo ich Hilfe von oben brauche. Das ist sicherlich keine Stelle für einen Berufsanfänger und ich bin froh, dass ich auf die Erfahrungen aus der Notfallseelsorge zurückgreifen kann.
Gibt es Erlebnisse aus den vergangenen Jahren, die Sie besonders geprägt haben?
Die Dankbarkeit von Menschen zu spüren, die sich oft danach noch einmal melden, war eine schöne Erfahrung. Aber auch das Wissen, dass man Situationen, die einen an die Grenze bringen, gemeinsam bewältigen kann und dass man Menschen nicht alleine lässt. Mein Ansatz war es schon immer, für die Menschen da zu sein.
Haben Sie schon Pläne, wie Sie für die Polizeibeamten da sein wollen?
Im Hinterkopf habe ich schon Pläne, aber ich muss erst einmal hören und sehen, was wirklich gebraucht wird. Die ersten Wochen werde ich also viel nachhaken und viel in Kontakt treten. Es gibt immerhin fast 50 Dienststellen in diesem großen Gebiet.
Und es ist ja auch nur eine halbe Stelle.
Ja. Und es ist mir auch wichtig, dass die Menschen wissen, dass ich mit der anderen halben Stelle weiterhin in St. Nikolaus speziell für Beerdigungen da sein werde.
Wie ist es mit den anderen Themen, wer kümmert sich darum?
Überraschenderweise ist im Februar eine neue Kollegin ins Team gekommen, die die komplette Erstkommunion-Vorbereitung und Kinder- und Jugendarbeit übernimmt. Ich bin weiterhin für die Gottesdienste in den drei Kindergärten und die Schulseelsorge für die behinderten Kinder zuständig. Das ist sicher auch ein guter Ausgleich zur Polizei.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die neue Aufgabe?
Ich bin optimistisch. Natürlich hat man Respekt vor den Ereignissen, die man nicht planen kann. Man weiß am Morgen nicht, was im Laufe des Tages kommen wird – und das kann einen auch an die Grenzen bringen. Aber man muss den Schmerz auch an sich heranlassen.
Wie schafft man es, die schweren Themen aus der Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen?
Man braucht Abstand. Man sollte privat seine Oasen haben. Woran ich auch glaube: Wem Gott eine Aufgabe gibt, dem verleiht er auch die Kraft dazu.
Interview: Patricia Huber