Rosenheim – Ein kleiner Fleck im Grünen mitten in Rosenheim, nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt vom Bahnhof: der perfekte Ort, um den Kopf freizubekommen und sich aufs Lernen zu konzentrieren. Hier am Emmy-Schuster-Haus findet zweimal in der Woche ein Deutschkurs für Pflegekräfte statt.
Sprachkurs ist zeit-
und kostenintensiv
Heute sind nur zwei Teilnehmerinnen da. Der Rest musste aus verschiedenen Gründen absagen: wegen Krankheit oder spontaner Schichtwechsel. Im Pflegeberuf gibt es viele Ausfälle und den allgegenwärtigen Fachkräftemangel. Da müssen die Arbeitnehmer flexibel sein. Dann noch einen Deutschkurs zu belegen, weil man die Sprache nicht kann, ist zeitintensiv, kostenaufwendig und oft nicht umsetzbar. Deswegen hat das Katholische Jugendsozialwerk Rosenheim zusammen mit einer Sprachschule ein Angebot für seine Angestellten erstellt. Immer mittwochs und donnerstags gibt es einen dreistündigen Kurs zum Erwerb der Sprachniveaus A1 und B1. Der Kurs wird als Arbeitsstunden anerkannt und ist kostenfrei. Die Schichten werden, so weit es geht, daran angepasst. Um die Fortgeschrittenen, die B1 erreichen möchten, kümmert sich Christina Lux. Die 57-jährige Sprachlehrerin ist zuständig für die „alten Hasen“. „Die schon länger da sind und Deutsch sprechen, aber die Grammatik nicht richtig gelernt haben“, erklärt sie. Bei denen, die B1 anstreben, ist ein relativ großes Vokabelwissen vorhanden, aber sie können zum Beispiel keine Relativsätze bilden oder Ähnliches.
„Es haben sich im Laufe der Zeit viele Grammatikfehler eingeschlichen, die nicht schlimm sind. Aber wenn man auf ein höheres Sprachniveau kommen will, dann muss man die richtige Grammatik lernen“, so Lux.
Gordana Nikolic gehört zu denen, die das B1-Niveau anstreben. Sie ist seit über 30 Jahren in Deutschland. Mit 15 Jahren kam sie nach Deutschland, nach dem Kroatienkrieg (1991 bis 1995).
Geblieben ist sie für die Liebe. „Dann wurde ich schwanger. Nachdem meine Tochter geboren wurde, war ich Hausfrau und Mutter, und bald kam auch das zweite Kind. Ich hatte keine Möglichkeit, die Sprache richtig zu lernen“, erzählt die heute 47-Jährige. Jetzt ist es für sie eine große Umstellung, die deutsche Sprache mit der richtigen Grammatik zu verwenden. „Ich wusste nicht genau, welche Wörter weiblich und welche männlich sind. Und dann gibt es ja auch noch die Vergangenheit“, sagt die zweifache Mutter und muss lachen.
Ihr Gehirn hatte die grammatische Struktur anders gespeichert, so wie sie sie in ihrer Muttersprache gelernt hatte, erklärt die gebürtige Kroatin. „Aber die Lehrerin gibt sich wirklich Mühe und uns viel Zeit. Wir sind alle sehr zufrieden“, sagt Nikolic begeistert.
Der Kurs ist freiwillig. Dadurch sind alle immer fleißig dabei und wollen lernen, hat Lux festgestellt. Dabei orientiert sie sich für den Kurs an erprobten Übungsheften. Aber auch die Kursteilnehmer helfen sich gegenseitig und es gibt ein schönes Miteinander. Im Heft sind auch immer wieder Tests, bei denen alle Teilnehmer ihren Wissensstand prüfen können. Denn am Ende gibt es ein Ziel: das B1 beziehungsweise A1 Sprachzertifikat.
Dass die Teilnehmer Deutsch lernen, hilft ihnen auch bei ihrer Arbeit. Vor allem bei der Kommunikation mit den Patienten helfen bessere Deutschkenntnisse. Aber sie müssen auch immer mehr Berichte und Verwaltungsarbeit übernehmen, selbst als Pflegefachkräfte. „Da ist es wichtig, dass man gut schreiben kann. Es ist ihr Job, und der muss gut dokumentiert werden“, erklärt Lux.
Der Kurs läuft seit März. In der Zeit konnte Nikolic herausfinden, dass der Satzbau ihre größte Schwäche ist. Ihre Kinder sind in Deutschland groß geworden und haben Deutsch als Muttersprache gelernt. Gleichzeitig können sie aber auch Kroatisch, weil Nikolic fast immer in der Sprache mit ihnen kommuniziert. „Ich wollte mit meinen Kindern nicht auf Deutsch reden, weil ich wusste, dass ich es nicht richtig sprechen kann“, erklärt die Pflegehelferin. Jetzt lernt sie, es richtig zu sprechen. „Ich finde es so toll, dass alle unbedingt richtig gut Deutsch lernen wollen“, erzählt Lux. Sie ist begeistert, dass die Kursteilnehmer den Anspruch an sich selbst haben, Grammatik und Sprache richtig lernen zu wollen.
Eine stolze Lehrerin,
die auf Spaß setzt
Natalie Buckowiets zählt zu denjenigen, die das A1- Niveau anstreben. Sie kommt aus der Ukraine und lernt seit zwei Jahren Deutsch. Alles kann sie noch nicht verstehen, aber sie arbeitet auch erst seit eineinhalb Jahren in Deutschland. Ihr Sprachverständnis entwickelt sich kontinuierlich weiter, das sieht auch die Sprachlehrerin so: „Sie sind so alle gut geworden, sie machen die Hausaufgaben. Ich muss meine Schüler loben.“
Lux legt viel Wert darauf, dass der Kurs allen Freude bereitet. Aber auch darauf, dass das Lernen ohne Druck verläuft. Denn sie findet, dass die Teilnehmer in der Arbeit bereits genug Stress ausgesetzt sind. „Das ist ein harter Job, gerade mit Menschen, die krank sind oder eine Behinderung haben“, gibt Lux zu bedenken. Da sieht sie den Kurs als „eine Wertschätzung und tolle Möglichkeit vom Arbeitgeber“, die wichtige Arbeit der Pflegekräfte zu würdigen.