Mini-Klammer schenkt Lebensfreude

von Redaktion

Interview Professor Dr. Christian Thilo über die Herz-OP mit dem MitraClip

Rosenheim – Eine Mini-Klammer, die dem Herzen hilft und ohne große OP eingesetzt wird: Das klingt zunächst absurd. Ist aber inzwischen möglich. Was es damit auf sich hat und welchen herzkranken Patienten damit geholfen werden kann, erklärt der Romed-Chef-Kardiologe Professor Dr. Christian Thilo im OVB-Gespräch.

Wer ist am häufigsten von der Mitralklappeninsuffizienz betroffen?

Das muss ich ein wenig ausführen. Es gibt zwei verschiedene Insuffizienzen – also Undichtigkeiten – einer Mitralklappe. Die primäre und die sekundäre. Die primäre ist direkt auf die Klappe bezogen. Sie ist also geschädigt und wird undicht. Davon sind Frauen auch häufiger betroffen als Männer.

Und was ist bei einer sekundären Mitralklappeninsuffizienz der Fall?

Die sekundäre Mitralklappeninsuffizienz ist mit einer vergrößerten linken Herzkammer oder einem vergrößerten linken Vorhof verbunden. Wenn diese Kammern größer werden, dann zerren sie am Mitralklappenring und die Klappe kann in der Mitte nicht mehr richtig schließen. Es ist ganz wichtig, dass man diese beiden Ursachen der Mitralklappenundichtigkeit unterscheidet.

Kommt die Undichtigkeit ab einem bestimmten Alter häufiger vor?

Es ist schon eher eine Erkrankung des Alters, da zum Beispiel ein Ausriss eines kleinen Sehnenfädchens eher im Alter passiert. Und die sekundäre Mitralklappeninsuffizienz als Folge einer geschwächten Herzleistung tritt natürlich auch häufiger im Alter auf. Man schätzt, dass ungefähr eine Million Menschen in Deutschland an einem relevanten Mitralklappenfehler leiden.

Wie früh wird diese Insuffizienz in der Regel bemerkt?

Leider nicht so früh. Meistens erst, wenn Symptome auftreten. Die Symptome deuten im Grunde schon auf eine Herzerkrankung hin, aber diagnostiziert werden kann es erst mit einer Ultraschalluntersuchung von außen, mit einem ganz normalen Herzecho. Da sieht man, dass die Mitralklappe undicht ist.

Welche Symptome zeigen Betroffene?

Wenn die Mitralklappe undicht ist, geht immer wieder ein Teil des Blutes aus der Herzkammer zurück in den Vorhof und auch in die Lunge. Das verursacht dann Atemnot, Vorhofflimmern, Müdigkeit, Leistungseinbußen und dicke Beine. 

Und der MitraClip hilft bei der primären und sekundären Insuffizienz?

Grundsätzlich ja, wobei die Leitlinien der kardiologischen Gesellschaften uns vorgeben, wann welche Eingriffe indiziert sind. Bei der primären Mitralklappeninsuffizienz, bei der etwas an der Klappe selbst defekt ist, sollte man, wenn der Patient in irgendeiner Weise operabel ist, auch die Operation durchführen. Also den Patienten mit einer sogenannten Mitralklappenrekonstruktion durch den Chirurgen versorgen lassen. Nur wenn der Patient nicht operabel ist, oder wenn er viel zu alt ist oder viele Vorerkrankungen hat, kommt der MitraClip infrage. Bei der sekundären Mitralklappeninsuffizienz sind die Ergebnisse der Chirurgie aufgrund der Erkrankung der Herzkammern nicht so gut. Hier erlauben dann die Leitlinien einen großzügigeren Einsatz des MitraClips.

Mit welchen Risiken war der „klassische“ Eingriff verbunden?

Nun ja, eine OP am Herzen ist immer mit einem erhöhten Risiko verbunden. Die meisten Eingriffe an der Mitralklappe werden inzwischen minimalinvasiv durchgeführt. Aber auch das ist mit einem höheren Risiko verbunden als der Eingriff, den wir über die Leiste mit dem MitraClip machen.

Wieso bekommt dann zum Beispiel ein 50-Jähriger ohne Vorerkrankungen den MitraClip nicht?

Der 50-Jährige hat hoffentlich noch 30 bis 40 Jahre vor sich und über den Langzeiterfolg des MitraClips wissen wir noch wenig. Bei einer regulären Operation kann man die kaputte Mitralklappe reparieren, indem man Fäden und einen Ring einlegt und die Klappe wieder so rekonstruiert, als wäre sie komplett gesund. Wenn die Reparatur nicht möglich ist, kann man die Klappe auch durch eine biologische Klappe ersetzen. Das können wir über die Leiste so nicht. Der Mitra-Clip wird in der Klappe so platziert, dass die Segel an der undichten Stelle wie mit einer „Wäscheklammer“ zusammengerafft werden.

Wie schnell sind die Patienten nach einem solchen minimalinvasiven Eingriff mit dem Clip wieder auf den Beinen?

Das geht erstaunlich schnell. Die Patienten kommen am Vortag, werden dann aufgeklärt und im Heart Team besprochen. Dann wird der Patient am Tag darauf mit dem Mitra-Clip versorgt und muss anschließend noch drei Nächte im Krankenhaus bleiben. Zudem müssen die Patienten auch nicht mehr auf die Intensivstation und brauchen keine Reha. Wenn das alles so gut gelingt, wie wir uns das vorstellen, sind die Patienten dann direkt fitter.

Wie verändert sich der Alltag der Patienten?

Die Patienten merken schnell, dass sie wieder in den zweiten Stock kommen, ohne stehenzubleiben, und dass sie beim Spazierengehen schneller sind.

Gibt es auch Komplikationen?

Komplikationen sind sehr selten. Manchmal wünscht man sich ein noch besseres Ergebnis. Da wird dann aus einer hochgradigen Undichtigkeit lediglich eine mittelgradige Undichtigkeit. Wenn es dem Patienten danach besser geht, hat man trotzdem alles richtig gemacht.

Nun wurde vor Kurzem hier der 100. MitraClip eingesetzt. Ein Meilenstein.

Absolut. Es freut uns sehr, dass das Verfahren unseren Patienten so gut hilft und sich etabliert hat. Und es ist auch wichtig, Routine zu haben und eine gewisse Anzahl dieser Eingriffe regelmäßig durchzuführen.

Interview: Patricia Huber

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