Viele Bedürftige, wenig Personal, eine Idee

von Redaktion

In der Region gibt es immer mehr pflegebedürftige Menschen. Und das bei nicht genügend Pflegekräften. Daher warnen Experten seit Jahren vor der Pflegekrise. In Rosenheim versucht man, sich gegen diesen Trend zu stemmen. Jetzt gibt es eine neue Anlaufstelle – die gebührend gefeiert wurde.

Rosenheim – Ohne Johanna Schildbach-Halser hätte es an diesem Vormittag keine Feier gegeben. So viel ist sicher. Die langjährige ÖDP-Bezirksrätin hatte vor 48 Jahren die Idee, einen Verein zu gründen, der Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen unterstützt. Die Motivation dazu entstand aus einer persönlichen Notlage heraus.

Aus der Not heraus ein Angebot für alle

Die Mutter von vier kleinen Kindern war damals erkrankt und auf Hilfe angewiesen. Die Suche nach einer Haushaltshilfe verlief jedoch ins Leere, auch Betreuungsmöglichkeiten für Kinder an Nachmittagen und in den Ferien ließen sich nicht finden. Also beschloss Schildbach-Halser genau diese Versorgungslücken zu schließen und gründete – gemeinsam mit 13 anderen Rosenheimern – einen gemeinnützigen Verein.

Fast fünf Jahrzehnte später ist die Nachbarschaftshilfe aus Rosenheim nicht mehr wegzudenken. „Der Verein ist ein unverzichtbarer Pfeiler in unserer Stadt: unbürokratisch, professionell, überparteilich und menschlich nah – stets mit dem Ziel, das Leben im Alter, bei Krankheit oder in Übergangsphasen stützend zu begleiten“, sagte Oberbürgermeister Andreas März im Rahmen einer Feierstunde.

Er erhielt – wie zahlreiche andere Vertreter der Stadt – bereits vor einigen Tagen eine Einladung. Denn weil Johanna Schildbach-Halser vor fast 50 Jahren eben den Entschluss gefasst hatte, einen Verein zu gründen, gab es an diesem Vormittag eben doch einen Grund zum Feiern. Angestoßen wurde aber nicht auf das anstehende Jubiläum, sondern auf die Gründung der Altenhilfe gGmbH. „Das ist ein weiterer Meilenstein in dieser langen Tradition des Engagements und der Fürsorge“, lobte März.

Etwas mehr Erklärung, was es mit der Neugründung auf sich hat, lieferte Veronika Leidel, Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe. „Die Gründung bedeutet für uns: klare Zuständigkeiten, effizientere Strukturen und mehr Handlungsspielraum.“ Trotz der neuen Struktur liege der Fokus auch weiterhin auf einer engen Beziehung. „Wir sehen die Menschen, nicht nur die Akten. Und genau das wollen wir uns bewahren“, unterstrich Leidel.

Dass dieses Konzept aufgeht, zeigt ein Blick auf die Zahlen. So sei der Pflegebereich in den vergangenen Jahren stark gewachsen – neben der hauswirtschaftlichen Versorgung bietet die Nachbarschaftshilfe auch ambulant betreute Wohngemeinschaften sowie eine Tagespflege an.

„Wir versorgen über 200 Menschen im Stadtgebiet. Wenn man unsere Beratungsbesuche mit einschließt sogar 300“, sagte Leidel. Wie gut Leidel und ihre Kollegen in dem sind, was sie tun, zeigen die Ergebnisse der externen Prüfungen. So habe die Nachbarschaftshilfe in allen Bereichen – ambulant, in den WGs und in der Tagespflege – vom medizinischen Dienst die Bestnote von 1,0 erhalten. „Es gab keine Mängel“, sagte Leidel – und erntete dafür lauten Applaus.

Karl-Heinz Brauner, Vorsitzender der Nachbarschaftshilfe, sprach von einem „besonderen und wegweisenden Moment in der Geschichte“. Für die Nachbarschaftshilfe sei es ein „bedeutender Meilenstein“ – nicht nur organisatorisch und rechtlich, sondern vor allem menschlich. „Wir wachsen mit den Aufgaben und reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen“, fuhr Brauner fort.

Die Nachbarschaftshilfe ist ihm zufolge ein Netzwerk, das Generationen verbindet. Mit der Gründung der Kita GmbH sei man bereits einen Schritt in Richtung professioneller Trägerschaft gegangen, an diesem Vormittag habe man einen weiteren Schritt getan. „Damit können wir die Seniorenarbeit auf ein stabiles Fundament stellen“, sagte Brauner.

„Altenhilfe“-Gründung als ein starkes Zeichen

Mit der Gründung der Altenhilfe gGmbH setze man ein starkes Zeichen. „Wir schauen nicht weg. Wir schaffen Räume für Pflege, Betreuung, Begegnung und Lebensqualität – und das mit einem gemeinnützigen Anspruch.“ Lob für diesen Schritt gab es auch von Oberbürgermeister März. „Die Altenhilfe gGmbH wird es ermöglichen, noch gezielter und professioneller auf die Bedürfnisse älterer Menschen einzugehen und ihnen ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen“, sagt er.

Groß darüber dürfte die Freude auch bei Johanna Schildbach-Halser sein. Sie nahm ebenfalls an der Feierstunde im Restaurant „Cuca“ an der Marienberger Straße teil – und erinnerte sich an den Moment vor 48 Jahren, als sie beschloss, einen kleinen Verein ins Leben zu rufen. Fünf Jahrzehnte später ist der Verein vieles, aber nicht mehr klein.

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