Zerstörte Lebensträume

von Redaktion

FlexiCamper-Prozess Geschädigte berichten von ihrem Leid

München/Rosenheim – „Na, haben Sie verschlafen?“ Mit diesen Worten wurde Jessica K. am Mittwoch (23. Juli) von ihren Verteidigern im Gerichtssaal am Landgericht in München begrüßt. K.s Transport aus der Justizvollzugsanstalt Stadelheim hatte Verspätung. Die Angeklagte wirkt müde, ihre Augen zeichnen dunkle Ringe. Müde dürften auch ihre Verteidiger sein, denn die müssen sich derzeit durch zahlreiche Seiten an Akten wühlen, da etliche Verfahrensbestandteile per Selbstleseverfahren in den Prozess eingeführt werden.

Der zweite Angeklagte, Siegfried H., hingegen wirkt fit und ausgeschlafen. Blickt immer wieder in Richtung der Zuhörer – hauptsächlich Geschädigte seiner Betrügereien.

Wohnmobil war
ein „Lebenstraum“

Im Flexicamper-Betrugsfall, in dem Jessica K. neben ihrem Lebensgefährten Siegfried H. auf der Anklagebank sitzt, haben über 100 Zeugen ausgesagt. Ein Teil dieser Aussagen wird quasi via Selbststudium der Verfahrensbeteiligten in den Prozess eingebracht. Andere müssen vor Gericht noch einmal persönlich aussagen.

So auch Klaus B. (Name von der Redaktion geändert). Er ist inzwischen Rentner. Das Wohnmobil war eigentlich sein Lebenstraum. Zu Siegfried H. und Jessica K. hat er eine besondere Verbindung. Denn er war bei einer der vielen Banken, bei denen das Flexicamper-Paar Kredite abgeschlossen hatte, für die Geschäfte mit den beiden zuständig.

Er beschreibt das Unternehmen als zielstrebig. „Sie hatten sich in der Region niedergelassen und wollten expandieren“, sagt er aus. Dem sei man zunächst positiv begegnet. Dennoch: H. und K. hatten ihre Erstbankverbindung im norddeutschen Raum. Daher sei man zunächst vorsichtig gewesen, habe Bilanzen abgewartet und nur geringe Kreditsummen genehmigt.

Bei der zweiten Tranche wurde dann bekannt, dass H. der Lebensgefährte von K. ist. Und schließlich wurden die Banken hellhörig. Denn H. war bereits gerichtsbekannter Pleitier. Setzte bereits im Jahr 2016 ein Agrarmaschinen-Unternehmen in den Sand. K. versicherte der Bank allerdings, dass H. nichts mit Flexicamper zu tun habe. Dass das gelogen war, würde sich später erst herausstellen. Für die Mitarbeiter der Bank war er „absolut nicht anwesend“. Die Darlehen seien zurückgezahlt worden und die Beziehung zur Bank habe „sich gefestigt“, so B.

Für B. war das allerdings nicht die einzige „Zusammenarbeit“ mit Jessica K. Er hatte Vertrauen in Flexicamper gefasst. Auch wegen der guten Bilanzen. Erst als Klaus B. von den ersten Kunden hörte, die sich trotz hoher Anzahlung über nicht gelieferte Wohnmobile beklagten, wurde er hellhörig. Denn auch er hatte sich im September 2022 bei Jessica K. den Lebenstraum vom Zuhause auf vier Rädern erfüllt – dachte er jedenfalls.

Betrugsopfer hat
63700 Euro verloren

„Ich habe sie dann angerufen und gefragt: ‚Muss ich mir Sorgen machen, um mein Wohnmobil, meine Anzahlung?‘. Sie war dann sehr entrüstet, dass ich diese Frage überhaupt gestellt habe“, schildert B. Bis zu seinem Renteneintritt im Juli 2023 sollte er sein Wohnmobil erhalten, das versprach ihm K. damals. Doch es handelte sich um eine leere Versprechung.

Er rechnet damit, dass er auf dem vollen Schaden sitzen bleibt. „Das heißt, ich habe 63700 Euro verloren. Und wurde dazu bitter persönlich enttäuscht.“ Nach B.s abschließenden Worten meldet sich die Angeklagte K. noch einmal persönlich zu Wort. Sie beteuert, B.s Wohnmobil auf jeden Fall bestellt zu haben – sogar noch bevor die Anzahlung dafür dagewesen sei. „Es ist nicht so, dass Sie es bestellt haben und ich Sie verarscht habe. Es tut mir wirklich leid“, sagt sie mit brüchiger Stimme. Sowohl B. als auch die Opfer im Zuhörer-Bereich können darüber nur den Kopf schütteln.

K.s Anwältin erklärt zudem, dass K.s Familie Geld zusammengetragen habe und es Klaus B. gerne als Wiedergutmachung des entstandenen Schadens übergeben möchte. Eine konkrete Summe nennt sie nicht. Sie weiß aber auch: „Das ist wahrscheinlich ein Tropfen auf den heißen Stein.“ B. nickt nur und geht nicht auf K.s Entschuldigung ein. Es folgt eine weitere Zeugin: Claudia A. (Name von der Redaktion geändert). Sie war drei Monate lang Siegfried H.s Vorstandsassistentin. „Beim Bewerbungsgespräch habe ich Herrn K. kennengelernt“, sagt sie. Eigentlich meint sie damit Siegfried H., der sich unter dem Namen seiner Lebensgefährtin vorstellte. Während ihrer Anstellung durfte A. dann lediglich E-Mails ausdrucken, kopieren und Kaffee kochen.

Finanzielle Situation
„maximal schiefläufig“

Spätestens als dann bei einem Anruf nach Herrn H. gefragt wurde, war A. klar, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Die finanzielle Situation bewertet sie als „maximal schiefläufig“. Sie beschreibt den kuriosen Büro-Alltag mit einem Riesen-Schredder, „in den man sogar einen Laptop hätte stecken können“, und einem flüchtenden H., wenn es zu Terminen mit der Bank kam.

Wie schwer der Millionenbetrug der Flexicamper wirklich wiegt, hat sich nicht nur an der Aussage von Klaus B. gezeigt. Auch unter den Zuhörern im Gericht sitzen Geschädigte. Sie sind wütend. Das merkt man auch, als K.s Verteidigerin verkündet, dass ihre Mandantin in der JVA 71 handgeschriebene Briefe an die Betrugsopfer verfasst habe. „Ach du liebe Zeit, die kann man auch verbrennen“, sagt eine Dame aus der hinteren Reihe.

Das Vorgehen H.s und K.s hat Lebensträume zerstört. Welche Strafe sie dafür erhalten werden, wird sich erst im August entscheiden.

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