„Wir müssen die Schwächeren schützen“

von Redaktion

Obdachlosigkeit in Rosenheim nimmt zu – Neue Notschlafstelle soll helfen

Rosenheim – An die Dellen an der Zimmertür erinnert sich Gabriele Leicht noch ganz genau. „Ich hätte zu dieser Zeit nicht im Zimmer sein wollen“, sagte die SPD-Stadträtin während der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschusses.

Erst vor Kurzem habe sie eine Obdachlosenunterkunft in der Stadt besichtigt. Während ihres Besuchs sei ihr unter anderem auch das Zimmer gezeigt worden, in dem die Frauen untergebracht sind. Noch Wochen später sieht sie die Bilder vor sich. Die Dellen an der Tür, die von Fäusten stammen, die immer wieder gegen die Tür geschlagen haben müssen.

Bestands-Unterkünfte
sind ausgebucht

Umso wichtiger war es ihr an diesem Nachmittag, auf die Notwendigkeit von getrennten Bereichen für Männer und Frauen hinzuweisen. Denn an der Traberhofstraße 48 in Rosenheim soll eine neue Notschlafstelle für obdachlose Menschen errichtet werden. „So tragisch das im reichen Oberbayern auch ist, wir brauchen zusätzliche Plätze. Unsere Obdachlosenunterkünfte stoßen an ihre Kapazitäten“, sagte Oberbürgermeister Andreas März (CSU) während der Sitzung.

Mietpreise führen
zu großen Problemen

Gründe dafür gibt es einige. Das zeigt ein Blick in den Jahresbericht der Wohnungsnotfallhilfe in Rosenheim. „Das Fehlen von Wohnungen im unteren Mietpreissegment sowie die hohen Preissteigerungen machen es für viele Menschen schwierig, sich auf dem Wohnungsmarkt mit Wohnraum zu versorgen“, heißt es. Für Personen, die aus den verschiedensten Gründen ihren Wohnraum verloren haben, sei es nahezu aussichtslos, ein neues Mietverhältnis einzugehen.

Das wiederum hat Folgen. Da eine Fluktuation nicht mehr stattfindet, erhöht sich die Verweildauer in den Unterkünften. „Die zur Verfügung stehenden Plätze sind fast durchgehend belegt. Das führt wiederum zu verlängerten Aufenthalten in der Herberge, die eigentlich nur als Notschlafstelle für bis zu sieben Tage gedacht ist“, heißt es in dem Jahresbericht.

Aus diesem Grund mussten auch die Räume im Kälteschutz temporär geöffnet werden. Hier stehen sechs Plätze zur Verfügung. „Die Herberge war im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 150 Prozent belegt“, so die Wohnungsnotfallhilfe. Aus diesem Grund müssten dringend weitere Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Zusätzliche Plätze sollen aus diesem Grund jetzt an der Traberhofstraße entstehen.

Bürgerpflicht,
zu helfen

Das Grundstück gehört einem Unternehmer aus Schechen, der lieber anonym bleiben möchte. Einer seiner Mitarbeiter habe den Kontakt zur Stadt gesucht und ihr das Grundstück angeboten. Entstehen soll ein zweigeschossiger Bau, der Platz für 20 Zimmer bietet. Neben einem Beratungsraum seien auch zwei Gemeinschaftsbäder vorgesehen.

„Die Pläne sehen vernünftig aus“, sagte Judith Kley-Stephan (Grüne). Gleichzeitig plädierte sie aber auch dafür, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen, ob Frauen und Männer nicht separate Bereiche bekommen könnten. Zumal der Sicherheitsdienst nicht rund um die Uhr vor Ort sei. Gabriele Leicht stimmte ihrer Kollegin zu und erinnerte daran, dass auch Familien von der Obdachlosigkeit betroffen sind.

Ein Blick auf den Jahresbericht der Wohnungsnotfallhilfe bestätigt das. Zwar seien Einzelpersonen die mit Abstand größte Zielgruppe unter den Wohnungslosen, trotz allem brauche es auch Unterkünfte für Familien und Alleinerziehende. Neben Doppelzimmern steige auch der Bedarf an Einzelzimmern – für Frauen oder Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auch für junge Erwachsene und Senioren fehlen derzeit noch geeignete Unterbringungsmöglichkeiten. In dem Jahresbericht ist beispielsweise von barrierefreien Zimmern die Rede.

Abstimmung über Vorbescheid

Ob ein Teil dieser Anforderungen in der geplanten Obdachlosenunterkunft an der Traberhofstraße umgesetzt werden kann, scheint derzeit noch nicht klar zu sein. Auch, weil es in der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschusses vor allem darum ging, über den Vorbescheid abzustimmen.

Lediglich CSU-Stadtrat Josef Gasteiger stimmte gegen das Vorhaben. Er schlug vor, die Pläne vorerst zurückzustellen und sich stattdessen eine andere Lösung zu überlegen. Vorstellbar sei für ihn beispielsweise ein Umbau des alten Schalthauses am Gleisdreieck in Rosenheim.

Zumindest Franz Lukas (Grüne) hielt davon wenig. Er habe selbst lange Zeit in dem Haus gearbeitet, weiß um die hohen Schächte und den Zustand des Hauses. Eine Umnutzung als Obdachlosenunterkunft kommt ihm zufolge nicht infrage.

Zwei getrennte Einrichtungen geplant

Stattdessen unterstrich auch er, wie wichtig es sei, dass es zwei getrennte Einrichtungen gibt – eine für Männer, eine andere für Frauen und Kinder. Möglicherweise sogar mit zwei separaten Eingängen. „Wir müssen die Schwächeren schützen“, fügte Anna Rutz (Grüne) hinzu.

Artikel 9 von 11