Prozess um Vorfälle bei AfD-Gegendemos

von Redaktion

Hochemotionale Verhandlung vor dem Amtsgericht Rosenheim: Dort war ein Antifa-Aktivist aus Bad Aibling angeklagt. Hat er bei Kundgebungen gegen die AfD in Wasserburg und Grassau Widerstand gegen Polizisten geleistet oder sich mit Recht gegen die Einschränkung seiner persönlichen Freiheit gewehrt? So urteilte nun das Gericht.

Wasserburg/Grassau – Die Widerstandshandlungen waren als vergleichsweise harmlos einzuordnen, doch das Verfahren war hochemotional. Rund 20 Sympathisanten waren jeweils zu den drei Verhandlungstagen erschienen. Ihren Angaben zufolge, um für die Freiheitsrechte einzustehen und den Angeklagten zu unterstützen.

Zwei Vorfälle,
zwei Versionen

Laut Anklage war der Angeklagte am 6. Juli 2024 Teil einer etwa achtköpfigen Gruppe, die versuchte, gegen eine Kundgebung der AfD in Wasserburg zu demonstrieren. Zur gleichen Zeit fand auch eine Gegenkundgebung der Jusos Rosenheim statt. Laut den polizeilichen Einsatzkräften des ZED Bad Aibling sei deshalb eine Polizeikette gebildet worden, um die beiden Lager voneinander zu trennen und die öffentliche Ordnung zu sichern.

Am Einsatz beteiligte Beamte sagten aus, dass der Angeklagte trotz mehrfacher Warnungen und Androhung eines Schlagstockeinsatzes wiederholt versucht habe, die Sperre zu durchbrechen. Er soll mit zügigem Laufschritt gegen die Polizeikette angelaufen sein. Das habe die Beamten dazu veranlasst, ihn zweimal mit einem Schlagstock zurückzudrängen. Beim dritten Versuch, die Sperre zu überwinden, sei er schließlich festgenommen worden. Er sei von zwei Beamten zu Boden gebracht worden. Dabei habe er keinen Widerstand mehr geleistet. Er sei ruhig geblieben, habe sich kooperativ verhalten, so die Aussagen.

Am 30. November 2024 soll der Angeklagte versucht haben, sich Zugang zu einem Gasthaus in Grassau zu verschaffen, in dem ein Vortrag der AfD stattfand.

Schieben, drücken –
dann die Fixierung

Als Polizeikräfte ihn daran hindern wollten, wurde er nach Angaben der Beamten durch leichtes Schieben und Drücken zurückgehalten. Auch hier habe sich der 22-Jährige widersetzt. Deshalb sei er zu Boden gebracht, fixiert und an den Händen gefesselt worden.

Die Polizeibeamten berichteten, dass er sich in dieser Situation gesperrt habe, indem er die Arme vor dem Körper verschränkte, sich schließlich aber ruhig verhalten und keine Gegenwehr mehr gezeigt habe. Anschließend sei er zum Einsatzwagen getragen worden. Es habe keine sichtbaren äußeren Verletzungen gegeben und der Angeklagte sei zu keiner Zeit bewusstlos gewesen, sagten die am Einsatz beteiligten Beamten des ZED Bad Aibling und der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Grassau. Ein kurzes Polizeivideo der Szenerie konnte die Widerstandshandlungen jedoch nicht bestätigen. Darauf ist der Angeklagte zu sehen, der zu Boden gebracht und scheinbar mühelos gefesselt werden konnte. Ob er dabei seinen Kopf an der Mauer gestoßen hat und er dadurch ohnmächtig wurde, war nicht eindeutig zu belegen.

Das behauptete aber der Angeklagte. Sein Verteidiger Mattes Breuer betonte vor Gericht, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit ein hohes Gut sei und grundsätzlich geschützt werden müsse. In beiden Fällen sei dies nicht geschehen. Die Rechte der Demonstranten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die polizeiliche Vorgehensweise sei völlig überzogen gewesen. Besonders, so der Verteidiger, bei der Festnahme in Grassau. Hierbei sei sein Mandant verletzt worden, da er sich den Kopf an der Wand gestoßen und kurzzeitig das Bewusstsein verloren habe.

Verteidiger: Anzeige
als Rechtfertigung

Das Video, das die Polizei vorlegte, sah die Verteidigung als Beweis für eine mögliche übermäßige Gewaltanwendung an. Die Anzeige gegen seinen Mandanten solle als Rechtfertigung für die ungerechtfertigt harte Vorgehensweise der Polizei herhalten, fand der Verteidiger. Er beantragte Freispruch für beide Anklagepunkte und teilte mit, dass er gegen die beiden Beamten Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage bei der Staatsanwaltschaft Traunstein erstattet habe.

Staatsanwältin Bichlmair betonte, dass der Gerichtssaal keine Plattform für politischen Aktivismus jeglicher Art sei. Der Angeklagte inszeniere sich als Opfer eines Recht durchsetzenden Rechtsstaats. Doch das sei nicht Gegenstand der Hauptverhandlung.

Auch wenn politischer Diskurs wichtig und richtig sei, gehe es hier nur darum, Anklagevorwürfe nachzuweisen. Sie erklärte, dass es sich bei beiden Vorfällen um niederschwelligen Widerstand handele, der strafrechtlich relevant sei, und forderte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro.

Richter Hans-Peter Kuchbaur folgte der Anklagevertretung nur im Punkt eins der Anklage. Für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Demo in Wasserburg, die sich im untersten Bereich bewegt habe, verhängte er eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Die Tagessatzhöhe von 40 Euro wurde geschätzt, weil der Angeklagte keine Angabe zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht hatte.

Für die Vorfälle in Grassau sah der Richter keinen eindeutigen Tatnachweis. Das Video zeige den Angeklagten sehr nah an der Wand zu Boden gehen. Es sei keine Widerstandshandlung sichtbar. Selbst der am Einsatz beteiligte Beamte habe ausgesagt, dass der Angeklagte seine Abwehrhaltung schnell aufgegeben habe, hieß es in der Urteilsbegründung.

Verteidigung kündigt
Berufung an

Verteidiger Mattes Breuer hat bereits angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Das Video habe die Aussagen der Hauptbelastungszeugen im Fall Grassau widerlegt. Damit ließe sich auch die Glaubwürdigkeit der Beamten bezüglich der Vorfälle in Wasserburg anzweifeln.

Für ihn liegt die Vermutung nahe, dass es die Anzeige gegen seinen Mandanten nur gegeben habe, um von polizeilichem Fehlverhalten abzulenken, betonte der Verteidiger.

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