Mama Arina leidet: „Bricht mir das Herz“

von Redaktion

Es geht von vermeintlich harmlosen Witzen über Beleidigungen bis zu Morddrohungen: Was die nur vier Monate alte Tochter Yara der Rosenheimer Auswanderin Arina Velikova erleben muss, ist entsetzlich. Jetzt erhebt die 33-jährige Mutter ihre Stimme.

Rosenheim – „Sie ist das schwarze Schaf der Familie“, „Deine Vorfahren sind nicht stolz auf dich“, „Wie kannst du nur mixen und sowas Hässliches produzieren“ – solch rassistische Kommentare muss sich die Rosenheimerin Arina Velikova immer wieder anhören. Noch viel grausamer: Die Menschen, die ihr diese Dinge an den Kopf werfen, beziehen sich auf ihre kleine Tochter – die erst vier Monate alt ist.

Yara erfährt schon
als Baby Rassismus

Arina ist 2022 auf die ostafrikanische Insel Sansibar ausgewandert. Dort fand sie ihre große Liebe. Und vor vier Monaten krönte ihre Tochter Yara das Familienglück. Aktuell ist Arina zu Besuch bei ihrer Familie in ihrer alten Heimat Rosenheim. Dass Rassismus in Deutschland präsenter sei, als beispielsweise in Sansibar, sei ihr bewusst gewesen. „Aber ich hätte niemals gedacht, dass es meine kleine Tochter jetzt schon zu spüren bekommt.“

Selbst in der eigenen Familie erlebt Arina immer wieder Rassismus ihrer Tochter gegenüber. So sei ihr Kind beispielsweise mit dem N-Wort betitelt worden. Sie wurde mit einem negativen Unterton gefragt, ob ihr Vater denn „so richtig schwarz” sei, oder mit Aussagen konfrontiert, wie etwa, dass sie „abgefärbt” habe. Überrascht von diesen Aussagen aus dem weiten Familienkreis war Arina allerdings aufgrund der politischen Einstellung der Personen nicht. „Ich habe keinen engen Kontakt zu ihnen und dachte, dass sie sich die Kommentare aufgrund von Höflichkeit sparen, wenn ich nach Deutschland zu Besuch komme – leider lag ich falsch”, erzählt sie dem OVB. Dass Arinas Erfahrungen kein Randphänomen sind, zeigt auch die Studie „Rassistische Realitäten“ in Deutschland aus dem Jahr 2022 vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Demnach hat mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung (22 Prozent) selbst schon einmal Rassismus erfahren.

„Habe schon oft genug geweint“

„Es verletzt mich sehr. Ich könnte schreien, möchte die Leute schütteln und fragen, was mit ihnen los ist. Ich habe deswegen schon oft genug geweint, weil es mich so traurig macht”, sagt Arina. Sie macht sich Sorgen, wie es ihrer Tochter wohl gehen wird, sobald sie versteht, was die Menschen zu ihr sagen. „Wenn sie Rassismus im Kindergarten, in der Schule oder auf der Straße erlebt, wo ich nicht neben ihr bin und dafür einstehen kann. Das bricht mir das Herz.“

Daher möchte sie darauf aufmerksam machen, wie verletzend solche Kommentare sein können. In zwei emotionalen Videos auf Instagram machte Arina auf den Rassismus, der ihr täglich begegnet, aufmerksam. Neben viel Zuspruch, Menschen, die ihr Mut machen, und Personen, die selbst betroffen sind, folgte auf die Videos zum Thema Rassismus aber auch eine Welle an Rassismus und Hass. Videos mit ihrem Verlobten gingen viral. Immer wieder schreiben Menschen, ihr Mann wolle nur den deutschen Pass und würde sie ohnehin betrügen. In Videos mit der gemeinsamen Tochter schreiben User Dinge wie: „Schmeißt das scheiß Baby in den Müllcontainer.“ Es geht sogar so weit, dass ein Nutzer ihr damit droht, ihren Mann und ihre Tochter auf brutale Art zu töten.

Flucht, Beherrschung und auch viel Wut

Genau wegen solcher Menschen möchte die 33-Jährige aufklären. „Viele sind sich nämlich nicht bewusst, was das alles anrichten kann. Von Trauma bis zu fehlender Selbstliebe, Akzeptanz, Identitätsverlust, Depression und und und“, erklärt sie. Wenn ihr der Rassismus außerhalb sozialer Netzwerke begegnet, steht Arina für ihre Tochter ein. Sie konfrontiert die Menschen damit, macht ihren Standpunkt klar – und wenn er nicht akzeptiert wird, entfernt sie sich. „Ich werde in keinen Kreisen verkehren, wo meine Tochter oder mein Verlobter nur aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Ich versuche, mich anfangs zu beherrschen und nicht emotional zu werden. Aber wenn sie nicht locker lassen, werde ich wütend”, macht sie deutlich.

Die gemeinsame Zukunft mit ihrer Familie sieht Arina nicht in Deutschland. „Jetzt, wo ich sehe, dass sie Rassismus schon so früh erfährt, habe ich regelrecht Angst, was sie erwartet, sobald sie älter ist”, erklärt sie. „Ich möchte, dass sie frei von Urteilen aufwächst, wo sie andere Menschen um sich herum hat, die aussehen wie sie und sie sich nicht für ihre Farbe schämen muss.”

Sie wünscht sich zudem, dass man in Deutschland mehr über Rassismus spricht. „Die Menschen sollten sich endlich eingestehen, dass wir alle rassistisch sind und vieles entlernen müssen.” Schon Kinder müsse man bewusster erziehen und die Menschen sollten sich selbst vergeben, gewisse Denkweisen in sich getragen zu haben und einen Schritt nach vorne zu gehen.

Trotz allem Hoffnung auf eine bessere Welt

Sie wünscht sich, dass man erkennt, wie privilegiert man als weiße Person ist. Und dass man Rassismus nicht ignoriert, sondern anspricht und die Menschen mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert.

Ganz wichtig sei es laut Arina aber auch, zuzuhören, sich zu informieren und Gespräche mit Betroffenen zu führen. „Wenn man genug Empathie und emotionale Intelligenz hat und seine Ignoranz weglässt, erst dann haben wir Hoffnung auf eine bessere Welt.“

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