Traunstein/Rosenheim – Einen notorischen Betrüger, einen in Deutschland wie Österreich vielfach vorgeahndeten 50-jährigen gebürtigen Österreicher aus Rosenheim, schickte die Sechste Strafkammer am Landgericht Traunstein für insgesamt fünfeinhalb Jahre hinter Gitter – wegen Betrugs mit sechsstelligem Schaden, wegen Computerbetrugs und Urkundenfälschung. Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler bezeichnete den geständigen Angeklagten als „gewohnheitsmäßigen Betrüger“. Staatsanwalt Jonas Kraneburg warf dem 50-Jährigen in der Anklage vor, die Geschädigte Anfang 2023 auf einer Online-Dating-Plattform kontaktiert zu haben.
„Fernbeziehung“ nach
dem ersten Treffen
Nach einem einmaligen Treffen verliebte sich die 60-Jährige in den Mann. Der hielt anschließend Abstand und beschränkte die Verbindung auf das Internet. Mit der Bitte um 503 Euro wegen einer angeblichen „Geldstrafe der Staatsanwaltschaft“, die er ob seines angeblich verlorenen Geldbeutels nicht begleichen konnte und zudem kein Homebanking hatte, fing alles an. Zwischen März 2023 und Oktober 2024 erleichterte er das Opfer um mehr als 141000 Euro. Der 50-Jährige nutzte deren emotionale Abhängigkeit schamlos aus. So erfand er für seine Inszenierungen einen „Nachbarn Herbert“ und seine eigene „Schwester Herta“. Dabei war er laut Anklage „weder in der Lage noch willens“, die Beträge zurückzuzahlen. Anklagen wegen weiterer Vorwürfe wurden im Vorfeld des Prozesses bereits eingestellt. Außerdem musste sich der 50-Jährige wegen Betrügereien im Internet verantworten.
Die 60-Jährige war als einzige Zeugin geladen. Sie nahm dem Angeklagten damals seine Märchen ab. Im Frühjahr 2023 spiegelte er einen „eingeklemmten Arm“ vor, dazu eine Bandscheibenverletzung. Die Behandlung in einer Münchener Klinik sei so teuer, dass er seine Miete nicht bezahlen könne. Die Frau warf ihm mehrmals Geld, insgesamt fast 4000 Euro, in den Briefkasten seiner Wohnung. Einmal führte er einen technischen Defekt am Haus an, weswegen er 3000 Euro an die Stadtwerke überweisen müsse. Etwas später ließ sich der 50-Jährige eine „Krebserkrankung mit einem 1,6 Kilogramm schweren Tumor im Bauch“ einfallen.
Die erste und eine zwingende „zweite Operation, ohne die er sterben würde“, brachten die 60-Jährige um weitere rund 30000 Euro. „Prostatakrebs“, der eine sehr teure Behandlung erfordere, folgte. Der Angeklagte steigerte seine Schilderungen, der Krebs habe „ins Gehirn metastatiert“. Immer wieder reagierte die Geschädigte mit Umschlägen mit Bargeld. Auch auf die Behauptung, die Krankenkasse werde 80 Prozent der Kosten erstatten, fiel sie herein. Im Zeugenstand wirkte die 60-Jährige völlig verzweifelt. Sie habe ihre „gesamten Ersparnisse verloren“, sei jetzt mittellos und wisse nicht, wie es weitergehen solle. Die Übergabe von 7000 Euro in bar durch die Verteidiger konnte sie angesichts eines Gesamtschadens von fast 142000 Euro nicht trösten.
Staatsanwalt Jonas Kraneburg forderte am Mittwoch fünf Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe. Der 50-Jährige habe versucht, sich dem Strafverfahren zu entziehen. Wegen der hohen Fluchtgefahr solle der Haftbefehl bestehen bleiben. Die Verteidiger verwiesen im Plädoyer auf eine Gesamtstrafe von vier Jahren auf die schwierige Kindheit ihres Mandanten. Bei ihm habe sich das Gefühl eingeschlichen: „Wenn ich kein Geld habe, bin ich nichts wert.“ Erstmals versuche er, in einer Therapie während der Haft „das Trauma aufzuarbeiten“.
„Liebe macht blind. Das gilt schon lange und leider auch hier“, merkte die Vorsitzende Richterin im Urteil an. Der 50-Jährige habe „aus Kaufsucht und dem Wunsch, etwas wert zu sein“ gehandelt. Der Angeklagte habe bei den Frauen deren Liebe, ihre Sehnsucht nach einem Partner und nach Zuneigung ausgenutzt. Für den 50-Jährigen spreche sein Geständnis von Anfang an. Dadurch müssten die anderen Frauen nicht als Zeuginnen aussagen: „Sie wären durch die Hölle gegangen. Sie müssen nicht erzählen, welche Verletzungen sie erlitten haben.“
In Österreich wartet
noch mehr Gefängnis
In Österreich erwarte den 50-Jährigen weitere Haft. Er habe sich im Gefängnis in Bayern einer Therapie unterzogen. Ob sie letztlich wirke, sei nicht abzusehen, hob Frau Aßbichler heraus. Negativ wirkten die Vorstrafen in Deutschland und Österreich seit 2016 mit mehreren Freiheitsstrafen. Teils parallel habe er 14 Frauen systematisch betrogen. Der psychische Druck auf die Frauen sei hoch gewesen, etwa durch Vortäuschen von Krankheit oder sogar Tod, wenn nicht bezahlt werde. Das zeuge von einer hohen kriminellen Energie. Die 60-Jährige und andere hätten „keine Perspektive mehr“. Nur wegen des Geständnisses sei die Strafe nicht höher ausgefallen.
Aßbichlers Fazit: „Wir haben an Ihren Vorsätzen gewisse Zweifel. Betrügen ist quasi Ihr Job. Sie haben eine neue Partnerin. Sie war im Prozess anwesend und weiß, worauf sie sich einlässt.“