Mehr Männer – mehr Vielfalt

von Redaktion

Interview Erzieherschulleiter Thomas Kain über neue Zahlen und Chancen

Rosenheim – Der Start in seinen neuen Beruf hätte besser laufen können. Daraus macht Thomas Kain kein Geheimnis. Er ist Schulleiter an der Fachakademie für Sozialpädagogik, die sich auf dem Kathrein-Werksviertel befindet. Im OVB-Gespräch spricht er über den Wasserschaden, warum sich die Lage auf dem Erzieher-Markt bald entspannen könnte – und wieso der Erzieher-Beruf einer der schönsten ist.

Vor einigen Jahren wurde das Bildungszentrum auf dem ehemaligen Kathrein-Areal eröffnet. Wie gefällt es Ihnen?

Sehr gut, wir fühlen uns sehr wohl. Bereits vor drei Jahren haben wir damit begonnen, unsere Schule zu erweitern. Die Herausforderung war eher, ein geeignetes Areal zu finden, das sich in der Nähe des Bahnhofs befindet. Wir haben viele Schüler, die aus dem Landkreis kommen und denen wir einen langen Anfahrtsweg nicht zumuten wollten. Das Kathrein-Areal war deshalb ideal.

Sie sind noch relativ neu. Wie sind Sie zur Akademie gekommen?

Ich bin ausgebildeter Gymnasiallehrer. Nach mehreren Weiterbildungen habe ich durch Zufall die Stellenausschreibung entdeckt, auf die ich mich sofort beworben habe. Ich bin selbst Rosenheimer und sehr heimatverbunden. Deshalb war der Job für mich wie gemacht.

Wie ist es Ihnen in den vergangenen zwei Jahren ergangen?

Es war ein sehr abenteuerlicher Start. Denn gleich zu Beginn hatten wir mit einem ziemlich großen Wasserschaden zu kämpfen. Vor allem in meinem ersten Jahr als Schulleiter mussten wir deshalb ziemlich improvisieren. Wir sind dann erst einmal wieder zurück in unser altes Gebäude an der Luitpoldstraße gezogen, um dort den Unterricht wieder aufzunehmen. Aber das Gebäude dort ist natürlich sehr klein.

Sicherlich auch ernüchternd für die ganzen Schüler.

Wobei man sagen muss, dass alle Schüler sehr motiviert und verständnisvoll reagiert haben. Aber natürlich ist es nicht so gelaufen, wie wir es uns gewünscht hätten. Aber seit diesem Schuljahr sind wir zurück auf dem ehemaligen Kathrein-Werksviertel.

Wie haben sich die Schülerzahlen über die vergangenen Jahre entwickelt?

Wir hatten lange Zeit nur eine Klasse pro Jahrgangsstufe. 2023 haben wir erstmals zwei Klassen angeboten, im vergangenen Schuljahr gab es drei Klassen. Dieses Jahr hatten wir außerdem zum ersten Mal zwei Berufspraktika. Insgesamt haben wir bei uns 200 Schüler an der Akademie.

Wie sieht so eine Ausbildung aus?

Eine Ausbildung dauert vier Jahre. Nach einem sozialpädagogischen Einführungsjahr gibt es eine zweijährige Ausbildung an der Fachakademie. Anschließend werden Abschlussprüfungen abgelegt. Wer die besteht, kommt ins Berufspraktikum. Das ist ein berufsbegleitendes Jahr, in dem man die meiste Zeit in einer Einrichtung tätig ist. Zwei Tage im Monat ist man zudem bei uns an der Schule.

Welche Fächer gibt es während der Ausbildung?

Beispielsweise Praxis- und Methodenlehre, Psychologie und Pädagogik, Literatur und Medienpädagogik, Naturwissenschaft, Kunst, Werken oder Musik. Erst kürzlich haben wir bei uns einen Brennofen installieren lassen, damit unsere Schüler auch lernen, wie man mit Ton arbeitet, um das später mit den Kindern zu machen.

Und nach den vier Jahren?

Die Schüler müssen eine Facharbeit schreiben. Neben einem Kolloquium gibt es auch eine praktische Prüfung. Besteht man alles, ist man staatlich anerkannter Erzieher.

Gibt es auch die Möglichkeit, die Ausbildung abzukürzen?

Es gibt die Möglichkeit, das erste Jahr zu überspringen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Also beispielsweise, wenn man ein Fachabitur hat oder eine eigene Familie. Also, wenn man nachweisen kann, dass eine Erziehungserfahrung vorhanden ist.

In der Regel reichen dann ein paar Praktika, bevor man direkt ins zweite Jahr einsteigen kann.

Hat die Zahl der Quereinsteiger zugenommen?

Man kann von einer langsamen, steigenden Entwicklung sprechen. Früher hatten wir vielleicht einen Quereinsteiger in der Klasse, mittlerweile sind es deutlich mehr. Was zudem erfreulich ist: Auch die Zahl der Männer nimmt zu. Es gab Zeiten, da saßen in den Kursen maximal zwei Männer. Jetzt sind über 15 Prozent unserer Teilnehmer männlich. Der Erzieherberuf gilt schon lange nicht mehr als reiner Frauenberuf.

Haben auch Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit, die Akademie zu besuchen?

Selbstverständlich. Zehn Prozent unserer Schüler haben einen Migrationshintergrund. Voraussetzung für eine Ausbildung bei uns sind die mittlere Reife und ausreichende Sprachkenntnisse.

Die Schülerzahlen an der Akademie steigen, trotzdem fehlen in der Stadt Rosenheim Erzieher. Wie kann das sein?

Bei uns an der Akademie haben die Schüler ihre Ausbildung ja gerade erst begonnen. Es dauert dann drei beziehungsweise vier Jahre, bis sie in den Erzieherberuf einsteigen können. Nächstes Jahr werden wir erstmals drei Berufspraktika anbieten – das sind dann 60 Erzieher. Heißt: In den kommenden Jahren wird es eine Erleichterung geben.

Und wird ein Großteil auch in Rosenheim bleiben?

Ein Großteil bleibt in der Stadt oder im Landkreis tätig. Dadurch, dass bei uns auch die fachgebundene Hochschulreife erworben werden kann, gibt es auch einige, die im Anschluss an die Ausbildung noch studieren. In diesem Zusammenhang vielleicht wichtig zu erwähnen: Wir haben eine Kooperation mit dem Campus Mühldorf. Dort gibt es einen ausbildungsbegleitenden Studiengang. Interessierte können Pädagogik der Kindheit studieren und gleichzeitig die Ausbildung zum Erzieher machen. Auch dieses Angebot wird gerne angenommen.

Wie hat sich der Beruf des Erziehers über die Jahre verändert?

Die Belastung durch fehlende Kollegen hat zugenommen. Das ist eine Rückmeldung, die ich immer wieder bekomme. Generell muss man aber auch sagen, dass vielen Schülern, die sich für den Beruf entscheiden, die Arbeit mit Kindern sehr am Herzen liegt. Das ist eine tolle Ressource, die man nutzen sollte.

Haben sich die Inhalte in der Ausbildung geändert?

Wir sind immer darum bemüht, Neuerungen einzuführen. Wir versuchen, unsere Inhalte zu modernisieren. Es gibt beispielsweise Übungen zum Thema Konfliktmanagement, Inklusion oder interkultureller Pädagogik. In nächster Zeit beginnen wir eine Kita-Kooperation. Dadurch sollen unsere Schüler bereits während der Ausbildung einen Einblick in die Kitas erhalten.

Muss ich die Ausbildung eigentlich selber bezahlen?

Nein, wir sind eine staatlich anerkannte Schule, heißt: Schüler müssen kein Schulgeld bezahlen.

Interview: Anna Heise

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