Das fliegende Stau-Auge des ADAC

von Redaktion

Er hat einen Überblick, den sonst niemand hat: Robert Sandler überfliegt regelmäßig die Autobahnen in der Region. An staureichen Tagen ist er als ADAC-Flugbeobachter unterwegs. Bei einem Mitflug zeigt sich, warum die zweispurige A8 schnell zum Problem werden kann.

Unterwössen – Samstag, 9. August, 9 Uhr: Am Flugplatz in Unterwössen herrscht schon reger Betrieb. Immer wieder starten und landen Segelflugzeuge und kleine Motorflieger. Das Wetter könnte nicht besser sein – dachten sich wohl auch zahlreiche Hobbyflieger an diesem Wochenende. Auch Robert Sandler ist bereits vor Ort. Er steht neben der roten Eurostar EV97 – einem Ultraleichtflugzeug.

Sandler hat einiges im Gepäck. Allerdings nicht für einen Urlaubsausflug, sondern um seinen Job in der Luft zu erledigen. Denn er ist einer von insgesamt vier Flugbeobachtern des ADAC. An stauträchtigen Ferientagen ist er im Einsatz und hat den Verkehr auf den Autobahnen der Region genauestens im Blick.

Informationen aus der
Luft direkt ins Radio

Bevor es in die Luft geht, hat Sandler noch einiges zu erledigen. Damit seine Informationen auch dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden, benötigt er eine Menge an Utensilien. Unter anderem seine „Reporterzentrale“, wie er das große klobige Gerät nennt, über das er seine Infos an den Radiosender Antenne Bayern weitergibt. Aber auch der österreichische Automobilclub und natürlich der ADAC erhalten von ihm Verkehrsmeldungen aus der Luft. Letzterer ist zudem mit einem Auto, das als mobile Zentrale fungiert, und fünf Motorrädern auf den Straßen der Region unterwegs.

Doch warum braucht es solche Experten wie Sandler überhaupt? Schließlich gibt es inzwischen zahlreiche Apps, die auf Staus aufmerksam machen. Doch der ADAC-Beobachter hat aus der Luft einen entscheidenden Vorteil: Er sieht Entwicklungen auf der Straße noch vor allen anderen. Wenn also nach einem Unfall inklusive Vollsperrung die Straßenmeisterei bereits den betreffenden Abschnitt reinigt, kann er melden, dass es wohl bald weitergeht. So können sich die im Stau steckenden Autofahrer schon einmal auf die Weiterfahrt vorbereiten – und es wird klar, dass sich ein Abfahren von der Autobahn auf keinen Fall lohnt.

Durchfahrtssperre:
Jetzt wird es ernst

Ab dem anstehenden Feiertag am 15. August sind diese Ausweichrouten durch die Anliegerdörfer wie etwa Frasdorf oder Rohrdorf ohnehin nicht mehr möglich. Diese sind ab dann für den Ausweichverkehr gesperrt. Ein Problem, das aber auch Sandler kennt: „Die Navis zeigen diese Strecken trotzdem noch als Ausweichrouten an.“ Er weiß: Ein Abfahren von der Autobahn lohnt sich ohnehin nur, wenn man bei einer erheblichen Behinderung einer der Ersten vor Ort ist. „Meist dauert es nur ein paar Minuten, bis dann die Nebenstrecken dicht sind.“ Und das sei nicht nur für die Anwohner eine Belastung, sondern auch eine echte Gefahr. Denn im Notfall gibt es dort meist auch für Rettungskräfte kein Durchkommen mehr.

Zurück zum Flieger: Bevor dieser getankt und in Richtung Rollfeld geschoben wird, packt Sandler seine Schaltzentrale, ein Klemmbrett mit verschiedenen Papieren und Karten, in den Zweisitzer. Dann ruft er bei Antenne Bayern an. „Hier ist der fliegende Robert“, sagt er und gibt den geplanten Startzeitpunkt und die voraussichtliche Flugroute durch. Im Fokus steht die A8, die schon fast berühmt ist für kilometerlange Staus zu Ferienbeginn.

An diesem zweiten Feriensamstag haben die Reisenden allerdings Glück. Kurz nach dem Start geht es direkt in Richtung Chiemsee. Sandler ist immer mit einem erfahrenen Piloten der Deutschen Alpensegelflugschule Unterwössen (DASSU) unterwegs. Während sich der Pilot auf den Flug konzentriert, achtet der 76-Jährige auf den Verkehr unter ihm. „Man braucht einen gewissen Blick für den Verkehr“, erzählt Sandler, der bereits seit 25 Jahren als Beobachter tätig ist. „Es geht nicht darum, einfach nur zu sehen, dass dort viele Autos auf der Autobahn sind.“ Er sieht, wie lang die Staus sind, wie schnell es vorwärtsgeht – und ob die Rettungsgasse funktioniert.

Ferienwochenende
fast ohne Stau?!

Kaum in der Luft, gibt Sandler seine Informationen per Funk ans Radio durch. Dort wartet man bereits auf seine Einschätzung, die dann pünktlich um 10.30 Uhr in den Verkehrsmeldungen ausgespielt wird. Bei Übersee ist zwar einiges an Verkehr zu sehen – allerdings fließend. Gute Nachrichten für alle Urlauber. Dann geht es weiter in Richtung Salzburg. Auch hier ist es ruhig.

Dafür, dass es an diesem Samstag nicht ganz so tragisch ist mit dem Verkehrsaufkommen, hat der ADAC-Experte eine logische Erklärung: Das Reiseverhalten habe sich deutlich geändert. Viele Urlauber hätten mittlerweile verstanden, dass es sinnvoll ist, nicht an den großen Wechseltagen zu buchen, wenn man Staus vermeiden möchte. „Es ist nicht mehr so, dass am ersten Ferienwochenende alle wie die Lemminge mit dem Auto in den Urlaub fahren“, sagt er und lacht. Zudem beeinflusse auch die demografische Entwicklung den Verkehr. „Es gibt nicht mehr so viele, die aufgrund schulpflichtiger Kinder an die Ferienzeiten gebunden sind. Gerade Rentner und Pensionäre müssen nicht unbedingt während der Ferienzeit oder am Samstag reisen“, macht Sandler deutlich.

Beim Flug über die Autobahn – erst in Richtung Salzburg, dann nach München – sieht man immer wieder stockenden Verkehr. Große Stau-Strecken bleiben aus. Zu diesen kleinen Blockaden komme es meist aufgrund von spontanen „Brems- und Spurwechselmanövern“, erklärt Sandler. Das kommt in der Regel dann vor, wenn sich die Autobahn aufteilt und Fahrer bemerken, dass sie die Spur wechseln müssen.

Nur zwei A8-Spuren:
Problem ist ersichtlich

Bei Sandlers zweiter Flugrunde an diesem Samstag zeigt sich dann, wie schnell die zweispurige A8 bei Frasdorf zum Problem werden kann. Ein Auto ist liegen geblieben. Aufgrund der fehlenden Standspur blockiert das Auto einen der beiden Fahrstreifen. Die Folge ist aus dem Flugzeug besonders gut zu erkennen: Innerhalb kürzester Zeit bildet sich ein langer Rückstau. Glücklicherweise konnte das Problem in diesem Fall schnell gelöst werden. Ein Abschleppunternehmen, der ADAC und die Polizei waren umgehend zur Stelle und brachten den Wagen von der Autobahn.

Doch so zackig geht es nicht immer – und dann ist der Flugbeobachter zur Stelle. Dank ihm erfahren ungeduldige Autofahrer, was los ist, wie lang der Stau ist und vor allem wie lange es wohl noch dauern wird, bis es wieder vorwärtsgeht.

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