Rosenheim – Der kleine, dunkle Punkt auf der Haut fällt oft erst gar nicht auf. Erst wenn er größer wird, zu jucken beginnt oder einen rötlichen Rand bekommt, schauen die meisten genauer hin. Und dann wird klar: Es ist kein Muttermal oder Ähnliches. Sondern eine Zecke, die sich in die Haut gebohrt hat und Blut saugt. Dabei kann das achtbeinige Tier verschiedenste Krankheiten auf den Menschen übertragen. Eine davon hat in Bayern zuletzt stark zugenommen.
Bereits über 500
Erkrankungen mehr
Dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zufolge wurden in diesem Jahr bereits 2940 Fälle der Lyme-Borreliose gemeldet. Im Jahr davor waren es zu diesem Zeitpunkt noch 500 Fälle weniger. Jüngst machte auch Musikstar Justin Timberlake seine Erkrankung öffentlich. Die Borreliose, eine bakterielle Infektion mit beweglichen, spiralförmigen Bakterien, gehört mit der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu den häufigsten von Zecken übertragenen Krankheiten. In der Region Rosenheim sind heuer nicht mehr Menschen als sonst an Borreliose erkrankt. „Es zeigt sich ein relativ konstanter Verlauf der Fallzahlen“, teilt Dr. Wolfgang Hierl, Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt, auf OVB-Anfrage mit. Bis Ende Juli gab es 30 Fälle. „Im Vergleichszeitraum 2024 waren es 26 und im Jahr davor 27 Fälle“, sagt Hierl.
Region gehört zum
Hochrisikogebiet
Insgesamt meldeten in Stadt und Landkreis Rosenheim 2024 48 Personen eine Borreliose-Infektion. Den Höchststand an Erkrankungen gab es vor fünf Jahren mit 130 Fällen. Ansonsten bewegen sich die Fallzahlen in den vergangenen zwölf Jahren – seit Einführung der Meldepflicht – zwischen rund 40 und 100 Fällen im Jahr. Zum Vergleich: FSME-Fälle, für die es im Gegensatz zur Borreliose eine Impfung gibt, gab es in Rosenheim zuletzt zwischen zwei und 13 Erkrankungsfälle. „Heuer wurde noch kein Fall gemeldet“, betont der Leiter des Gesundheitsamts. Dennoch gehört die Region Rosenheim zu den FSME-Risikogebieten. „Das bedeutet, dass es im Vergleich zu anderen deutschen Regionen ein erhöhtes Risiko gibt, sich bei einem Zeckenstich mit FSME zu infizieren“, erklärt Wolfgang Hierl. Die Einschätzung des Erkrankungsrisikos beruhe auf der Anzahl der gemeldeten FSME-Erkrankungen auf Kreisebene.
Welche Zeckenarten dabei inzwischen um Rosenheim heimisch sind, dazu liegen dem Gesundheitsamt keine genauen Daten vor. Allerdings gebe es in Deutschland inzwischen 20 verschiedene Zeckenarten. „Die mit Abstand häufigste ist die Ixodes ricinus, auch als gemeiner Holzbock bekannt, die sowohl Borreliose als auch FSME übertragen kann“, weiß der Leiter des Gesundheitsamts. Häufig seien auch die Auwaldzecke und die Igelzecke, die vor allem Hunde und Katzen stechen – Menschen eher selten. Wer dennoch eine Zecke an sich entdeckt, sollte diese möglichst schnell entfernen. „Die Zecke soll mit einer spitzen Pinzette oder einem geeigneten Zeckenentfernungsinstrument nahe der Hautoberfläche gefasst und langsam und gerade aus der Haut gezogen werden“, betont Hierl. Am besten, ohne das Tier zu quetschen.
Warum nach einem Stich Eile geboten ist, weiß Dr. Michael Iberer, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Rosenheim. „FSME wird sofort beim sogenannten Probebiss übertragen, Borrelien werden erst nach rund 24 Stunden von der Zecke ‚erbrochen‘“, erklärt der Mediziner. Beim Blutsaugen. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung der Bakterien steigt somit mit Dauer des Saugaktes.
Nach dem Entfernen sollten Betroffene die Einstichstelle genau beobachten – ob nicht doch eine Infektion vorliegt. „Das wichtigste Frühwarnsignal ist die Wanderröte“, sagt Michael Iberer. Dabei handelt es sich um eine über fünf Zentimeter große, ringförmige Hautrötung, die in der Mitte in der Regel blasser ist und sich über Tage langsam nach außen verbreitet. Die trete typischerweise zwischen drei und 30 Tagen nach dem Stich auf. Aber: Eine gewisse Rötung an der Einstichstelle in den ersten sieben Tagen sei aufgrund des Zeckenspeichels normal – und keine Borreliose, erklärt der Rosenheimer Arzt.
Schwere Spätfolgen
sind möglich
Weitere Symptome können Fieber, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Gliederschmerzen – ähnlich wie bei einer Grippe – sein. Wenn die Borreliose früh erkannt wird, sei sie meist mit Antibiotika auch gut behandelbar. „Unbehandelt oder verspätet behandelt, kann Borreliose zu chronischen Beschwerden und Organschäden führen, die schwerer zu behandeln sind“, warnt Iberer. Das könnten Nervenentzündungen mit starken Schmerzen, Entzündungen in Gelenken, Herzprobleme oder auch Gesichtslähmungen sein. Spätfolgen seien auch Monate und Jahre nach dem Stich noch möglich. In rund 90 Prozent der Borreliose-Fälle zeige sich die Erkrankung aber nur mit der Wanderröte, ergänzt Wolfgang Hierl vom Gesundheitsamt. Bei rund drei Prozent komme es zu einer Nervenbeteiligung mit einer Entzündung der Wurzeln einzelner Rückenmarksnerven mit starken, brennenden Schmerzen. „Und in etwa fünf Prozent der Fälle können sich schubweise oder chronisch Gelenkentzündungen, häufig am Knie, ereignen“, sagt Hierl.
Deswegen rät der Leiter des Gesundheitsamtes: Bei Wanderungen über Wiesen und durch hohes Gras möglichst lange Kleidung tragen. Und: „Nach dem Aufenthalt in der Natur suchen Sie den Körper immer nach Zecken ab.“