Rosenheim – Die anstehende Generalsanierung der Zugstrecken in der Region bereitet Passagieren bereits jetzt große Sorgen – und das, obwohl sie noch nicht einmal in vollem Gange ist. Mit Blick auf die geplanten Vollsperrungen in den Jahren 2026 und 2027 könnte der Schienenersatzverkehr (SEV) auf der Strecke Rosenheim-Kufstein kürzlich als Vorgeschmack gedient haben. Das Ergebnis fiel enttäuschend aus – und führte bei vielen Reisenden zu Frust und Ärger.
Busse teilweise komplett überfüllt
„Der aktuelle Ablauf zeigt, dass dieser Ersatzverkehr in seiner jetzigen Form nicht annähernd geeignet ist, das künftige Fahrgastaufkommen zu bewältigen.“ So lautet das ernüchternde Urteil von Dr. Julia Schmaderer. Die Psychotherapeutin war eine von vielen Berufspendlern, die kürzlich mit den eingerichteten Ersatzbussen von Kufstein nach Rosenheim gefahren sind.
Schon früh nahm das Abenteuer seinen Lauf: Laut Julia Schmaderer wurde als Ersatz für den Regionalzug nur ein einzelner Linienbus aus dem Stadtverkehr eingesetzt. In Kufstein konnten deshalb rund 25 Fahrgäste schon nicht mehr zusteigen, sodass zahlreiche Menschen zurückblieben.
Dies wiederholte sich an allen nachfolgenden Haltestellen bis Rosenheim, da der Bus deutlich überfüllt war. Zu allem Überfluss erfolgte die Busfahrt über die Autobahn – mit der Passkontrolle sämtlicher Passagiere. Die Folge: Statt der üblichen 30 Minuten mit dem Zug dauerte die Ersatzverbindung etwa 90 Minuten und somit 30 Minuten länger als vorgesehen.
Nach diversen Ausfällen und Verzögerungen scheinen die Nerven in der Region allmählich blank zu liegen. Julia Schmaderer möchte das nicht länger auf sich sitzen lassen und teilt ihre Erfahrungen – in der Hoffnung, endlich Gehör zu finden: „Weil das uns in der Region lebende Menschen in den nächsten Jahren alle massiv betrifft – direkt in den Bussen der Bahn oder auf den mehr belasteten Autostrecken.“ Als Hauptprobleme nennt sie unzureichende Kapazitäten, Sicherheitsrisiken durch Überfüllung und Gedränge sowie deutlich verlängerte Reisezeiten. Die Unzuverlässigkeit der öffentlichen Verkehrsmittel habe außerdem „negative Auswirkungen auf die angestrebte ökologische Verkehrswende, da viele Fahrgäste künftig auf das Auto ausweichen werden.“
Noch härter erwischte es Hans-Dieter Budde aus Düsseldorf. Der Journalist im Ruhestand war in der vergangenen Woche am Chiemsee und besuchte Bekannte in Kiefersfelden. Von dort aus sollte er nach der Ankunft des Schienenersatzverkehrs (SEV) in Rosenheim mit dem Regionalzug nach München und anschließend weiter nach Düsseldorf fahren.
Doch die Rückfahrt stand von Beginn an unter keinem guten Stern: Der bereits völlig überfüllte SEV kam laut Hans-Dieter Budde mit 15 Minuten Verspätung in Kiefersfelden an, wo etwa 20 Fahrgäste warteten. Während es dem Großteil gelang, sich in die Menschenmenge zu quetschen, mussten zwei Fahrradfahrer zurückbleiben. Grund dafür war ein Gepäckstapel, wo normalerweise Fahrräder und Kinderwagen stehen und Rollstuhlfahrer Platz finden. Nach dem Stopp stiegen an vier weiteren Stationen noch mehr Gäste zu.
Unter anderen Umständen wäre die Fahrt wohl nicht weitergegangen: „Gott sei Dank kam keine Polizei. Die Reise wäre wohl wegen Blockade und Behinderung der Notausgänge abgebrochen worden”, sagte Hans-Dieter Budde.
Seinen Angaben zufolge kam der Bus schließlich um 13.30 Uhr in Rosenheim an. Die planmäßige Ankunftszeit war um 13.22 Uhr, der Bus hatte somit acht Minuten Verspätung – mit Folgen: Den Regionalzug nach München um 13.32 Uhr konnte Budde nicht mehr erreichen. Laut Auskunft der DB-Mitarbeiter am Servicepoint sei der Zug pünktlich abgefahren. Dass er seinen ICE nach Düsseldorf verpasste, nahm Hans-Dieter Budde mit Selbstironie hin: „Wir genossen die Busfahrt in vollen Zügen und der Gewissheit, dass wir unseren Anschluss nach München verpassen. Aber dafür verkürzt sich ja die Wartezeit auf den folgenden Zug.“
Reisende müssen durch Grenzkontrollen
Größeren Unmut äußert er über die Tatsache, dass die Ersatzbusse aufgrund der Grenzkontrollen häufig im Stau standen und verspätet am Ziel ankamen. „Man muss schauen, dass die Bundespolizei hier eine andere Regelung finden kann, denn das ist ja wirklich eine Katastrophe.“ Für ihn ist das Anhalten der Busse „eine ganz schlimme Geschichte“, die es aufzuarbeiten gilt. Zwar habe er teilweise Verständnis für die schwierige Gesamtsituation im Bahnverkehr, dennoch seien Ereignisse wie zuletzt in Kufstein Nebenerscheinungen, die immer häufiger auftreten würden. Die Bundespolizeiinspektion Rosenheim hat sich zum Sachverhalt geäußert – und stellt klar, dass sie lediglich ihren Aufgaben nachkommt: „Die Bundespolizei ist nicht für die Kommunikation zwischen der Bahn und den Passagieren oder für die Bauarbeiten und den Schienenersatzverkehr zuständig. Sondern wir sind für die Grenzkontrollen zuständig. Und in diesem Fall muss auch der Schienenersatzverkehr durch“, so eine Pressesprecherin der Bundespolizeiinspektion. Grund für die Wahl der Kontrollstelle auf der Autobahn ist, dass diese für den Großverkehr besser geeignet sei als eine Landstraße.
Gleichzeitig versichert die Sprecherin, dass die Bundespolizei um einen reibungslosen Ablauf bemüht ist: „Wir versuchen natürlich, die Auswirkungen der Kontrollen auf den Reiseverkehr so gering wie möglich zu halten.“
Wenig Hoffnung
für die Zukunft
Auch die BRB hat zu der Kritik Stellung genommen – und alle Hoffnungen auf eine baldige Besserung begraben. Laut BRB-Pressesprecherin Annette Luckner seien die Buskapazitäten selbst bei einer geplanten Baumaßnahme nur begrenzt verfügbar. Das Unternehmen führt dies auf limitierende Faktoren wie die begrenzte Anzahl an Bussen und Fahrern zurück. Gerade auf viel befahrenen Strecken werde es daher immer eine Herausforderung bleiben, einen adäquaten SEV zu organisieren.
Auf OVB-Nachfrage zu konkreten Maßnahmen der BRB, um vergleichbare Situationen künftig zu vermeiden, heißt es: „Wir ergreifen alle Maßnahmen, die realisierbar sind, um Verspätungen sowohl im Bus- als auch im Zugbereich zu vermeiden, allerdings kann dies nicht immer sichergestellt werden. Busse stehen ebenso im Stau wie Autos. Wenn Züge auf verspätete Busse warten, können sich diese Verspätungen im Laufe des Tages so aufschaukeln, dass weitere Anschlüsse verpasst werden oder Züge ausfallen müssen. Dies gilt es immer abzuwägen“, teilt die Sprecherin mit.