Happinger Nahkauf: Das Ende ist kein Ende

von Redaktion

Großer Wechsel in Rosenheim: Nach vielen Jahren hört Paula Bauer mit ihrer Familie im Happinger Nahkauf auf. Seit fast zehn Jahren führte sie den kleinen Supermarkt, den viele als Einkaufsmöglichkeit schätzen. Das Ende für den Markt bedeutet das aber nicht. Warum sie aufhört und wie es weitergeht.

Rosenheim – Der Abschied fällt nicht wirklich schwer. „Lange musste ich nicht darüber nachdenken“, sagt Paula Bauer am Telefon. Ganz im Gegenteil, sie sei sogar erleichtert. Die Frau aus Happing hat zum 1. September das aufgegeben, was fast ein Jahrzehnt lang ihr Leben war – der kleine Supermarkt Nahkauf an der Happinger Straße. Diesen führten Paula Bauer und ihre Familie seit etwas mehr als neun Jahren. Jetzt ist damit Schluss.

Gründe dafür gibt es mehrere, sagt Bauer. „Im Oktober werde ich 75 Jahre alt, irgendwann muss man auch mal aufhören“, sagt sie. Zudem ihre Tochter Ariane Koch, die in all den Jahren ständig im Laden mitgeholfen hat, wieder mehr in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten möchte. „Sie ist Bauingenieurin und beides nebenher geht nicht“, sagt die 74-Jährige. So habe sie schon länger mit dem Gedanken gespielt, in dem Supermarkt aufzuhören. Und diese Entscheidung sei auch wohlüberlegt gewesen. Im Gegensatz zu der, den Laden überhaupt zu übernehmen.

„Vielleicht waren wir damals sehr blauäugig“, sagt Bauer und lacht. Das Haus an der Happinger Straße, in dem sich der Markt befindet, gehört der Familie schon länger. Das hätte ihr Mann Hans zusammen mit einem Partner vor rund 40 Jahren gebaut. Während die Wohnungen und einige andere Ladenflächen verkauft worden seien, hätte die Familie den Bereich im Erdgeschoss behalten. Und dort zog kurz darauf mit Edeka eine große Supermarktkette ein.

Die blieb dann auch die nächsten 25 Jahre. „Allerdings wurde denen der Laden mit seinen rund 500 Quadratmetern Verkaufsfläche zu klein“, erzählt Bauer. Für die großen Ketten sei es nicht mehr interessant gewesen, in kleinere Supermärkte zu investieren, glaubt Bauer. So sei auch das Geschäft an der Happinger Straße ausgeräumt worden und plötzlich leer gestanden. Das blieb auch für die nächsten drei Jahre so.

Da die Suche nach einem Nachfolger für das Geschäft erfolglos blieb, traf die Familie eine Entscheidung: „Irgendwann haben wir gesagt, dass wir es einfach selber machen“, sagt Bauer. Obwohl weder sie, ihr Mann noch die Tochter Erfahrungen im Lebensmittelgeschäft hatten. Paula Bauer arbeitete in der Steuerbranche und ihr Mann als Architekt. „Wir waren absolute Neulinge, keiner von uns hatte Ahnung“, sagt die 74-Jährige und lacht. Sie sagt aber auch: „Irgendwas musste passieren.“ Es brauchte in Happing wieder eine Einkaufsmöglichkeit.

Zu 100 Prozent
privat betrieben

Die Familie bekam den Tipp, dass Rewe ein Konzept mit dem Namen „Nahkauf“ für kleinere Supermärkte anbietet. Dort seien sie auf offene Ohren gestoßen und die Planung für den neuen Supermarkt begann. Von der Kette hätten sie dabei Unterstützung bekommen. Aber nicht überall: „Jeder Nahkauf wird zu 100 Prozent privat betrieben, Rewe gibt da keinen Cent dazu“, sagt Bauer. Man sei zwar an das Kassensystem der Kette angeschlossen und das Warensortiment könne dort bestellt werden, aber sonst müsse man sich um alles selbst kümmern. Hieß für die Bauers: Sie mussten ihr eigenes Geld hineinstecken.

Zuerst für den Umbau der Geschäftsräume, später für den Einkauf der ersten Waren. Nachdem die Familie genügend Personal und eine Marktleiterin gefunden hatte, die auch schon bei Rewe gearbeitet hatte, stand im April 2016 die Eröffnung an. Die erste Zeit – vor allem das erste Jahr – sei aber „sehr, sehr schwer“ gewesen, auch finanziell. „Das ist alles wie ein Tsunami über uns gekommen“, sagt Bauer. Aufgeben war trotzdem keine Option für die Familie. „Wenn du einmal die Tür aufmachst, dann kann man nicht mehr zurück“, sagt die 74-Jährige.

Nach und nach passten sie und ihre Tochter das von Rewe zusammengestellte Sortiment an. „Du musst das anbieten, was der Kunde will, sonst kommt er nicht“, sagt Paula Bauer. Schließlich überlebe ein kleiner Supermarkt nicht, wenn die Leute nur das kaufen, was sie beim Einkaufen woanders vergessen haben. „Wenn du bloß Eier, Joghurt oder Milch verkaufst, davon kannst du keine Löhne bezahlen“, macht die ehemalige Inhaberin deutlich.

Nachdem das Sortiment für die Happinger umgestellt, die Frischetheke mit Wurst, Fleisch und Käse angepasst war, hatte die Familie noch eine Idee: im Supermarkt eine Cafeteria einzurichten. „Das haben sich viele Menschen gewünscht, da es in dem Stadtteil kein Café gab“, sagt Bauer. Auch das Eisangebot habe die Familie erweitert, damit die Besucher der nahen Badeseen es nicht so weit bis zum nächsten Eis hatten.

Obwohl der Betrieb des Supermarkts nicht immer einfach gewesen sei, gab es auch viele schöne Momente, erzählt Bauer. „Wenn die Kunden reinkommen und sagen, wie schön es ist, dass es uns gibt, ist das ein tolles Gefühl“, sagt sie.

Der Nahkauf sei neben der Einkaufsmöglichkeit fernab der großen Warenhäuser auch ein Treffpunkt und ein Ort zum Ratschen geworden. Daher wollte Paula Bauer auch nicht aufhören, bevor nicht ein Nachfolger für den Supermarkt gefunden ist.

Und lange suchen musste die 74-Jährige nicht. Da Bauer einen „jungen Menschen mit Elan und Ahnung“ suchte, habe sie von Anfang an an Trim Llugiqi, der an der Prinzregenten- und Ruedorfferstraße einen Rewe führt, gedacht. „Er hat aus den beiden Läden wirklich etwas Schönes gemacht“, sagt sie.

Angerufen
und gefragt

So habe sie dort einfach angerufen und gefragt. Und wenig später hätten sie sich geeinigt, dass Llugiqi auch den Laden an der Happinger Straße übernimmt. Für Trim Llugiqi sei sowieso sofort klar gewesen, dass er den Supermarkt weiterführt. „Der Laden ist gut, die Lage ist top“, sagt er am Telefon. Obwohl ihn der Anruf von Paula Bauer mitten in der Umbauphase in der Ruedorfferstraße erwischte, habe er nach zwei Tagen zugesagt. „Ich hatte keinerlei Zweifel, das Geschäft ist wichtig für Happing“, sagt der Kaufmann, der seit ein paar Tagen nun offiziell den ehemaligen Nahkauf der Familie Bauer weiterführt.

Groß verändern will Trim Llugiqi den Supermarkt aber nicht. „Die Regale und das Warensortiment werden etwas größer, sonst bleibt alles gleich“, sagt er. Nur die Cafeteria wird in Zukunft von einer Bäckerei aus der Region betrieben. Genau dort will auch Paula Bauer in Zukunft noch öfter vorbeischauen. „Ich habe meinen ehemaligen Mitarbeitern gesagt, wenn ich mehr als dreimal die Woche komme, dann dürfen sie gerne Arbeit anschaffen“, sagt Bauer und lacht.

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