Rosenheimer Techno-Club schließt

von Redaktion

„Hole“ schließt nach über 18 Jahren – Mitarbeiter Sam Seethaler über Gründe

Rosenheim – Es fühlt sich an, als ob man sein Wohnzimmer verliert. Das zweite Zuhause, ein Treffpunkt für Freunde und Bekannte, ein Ort, an dem man sich immer sicher und geborgen gefühlt hat. So beschreibt Sam Seethaler das, was gerade in ihm vorgeht. Der 29-Jährige sitzt auf einer weißen Couch in einer Ecke des dunklen Kellers und lässt seinen Blick durch das menschenleere „Hole“ schweifen. Auf der Bar stehen noch in Plastik verpackte Getränke, Zitronen für das ein oder andere Mischgetränk, daneben lehnt ein Besen. Statt bunter Partybeleuchtung strahlen grelle Leuchtröhren von der schwarzen Decke. „Wir bereiten uns gerade auf das Wochenende vor“, sagt Seethaler. Zum allerletzten Mal – denn der Club in der Samerstraße schließt nach über 18 Jahren seine Türen.

Rücklagen sind
aufgebraucht

Sam Seethaler selbst ist seit über elf Jahren dabei. Zunächst legte er als DJ auf, inzwischen kümmert er sich um die Bookings der DJs, die Durchführung der Veranstaltungen und arbeitet als Barkeeper in dem Club. „Nach der Corona-Zeit wollten wir als Freundeskreis einfach mithelfen und da bin ich in das ‚Hole‘-Team reingerutscht“, sagt er. Bereits während der Pandemie sei die Zukunft des Techno-Clubs unsicher gewesen. „Da war es schon wegen der Mieten ein wenig wacklig, zudem wussten wir nicht, wann und ob wir wieder aufmachen dürfen“, erinnert sich der 29-Jährige.

Die Zeit nach Corona hätte das Ruder aber nochmal herumgerissen. „Da war richtig viel los, wir konnten uns auch einige Rücklagen schaffen“, sagt Seethaler. Die seien jetzt aber aufgebraucht. Das sei auch der Hauptgrund, warum sich das Team nach vielen Gesprächen und unzähligen Gedankenspielen dazu entschied, den Club zu schließen. „Hauptsächlich ist es eine finanzielle Sache“, betont Seethaler. Die Abende seien mittlerweile „unrentabel“, da die Ausgaben in allen Bereichen in die Höhe geschossen sind.

Von der Miete, über die Kosten für Energie, den Ausgaben für Getränke bis hin zu den Personalkosten der 19 Mitarbeiter. „Die sind am meisten gestiegen“, sagt Seethaler. Genauso wie die Gagen für manche Künstler. „Wir haben sowieso schon immer mehr auf namhafte Bookings oder DJs, die von weiter weg kommen, verzichtet, weil da auch immer Hotel- und Verpflegungskosten dranhängen“, bedauert er. Aber auch den lokalen DJs müsse man etwas bezahlen. Auch das summiere sich an Wochenenden, an denen mal mehrere Künstler am Abend auflegen.

So hätten am Schluss die Einnahmen irgendwann die Ausgaben nicht mehr gedeckt. „Es geht nicht darum, dass wir große Gewinne ausschöpfen wollen, aber wenn es nicht mehr möglich ist, sich Geld für Renovierungsarbeiten, kaputtes Equipment oder neue Boxen zurückzulegen, wird es schwer“, sagt Seethaler. Auf der anderen Seite sei es keine Option gewesen, die Eintrittspreise zu erhöhen. „Die sollten immer fair bleiben“, macht er deutlich. Zumal er glaubt, dass die zusätzlichen Einnahmen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein wären.

Denn dem „Hole“-Team sei in den vergangenen Jahren noch etwas anderes aufgefallen: Die Clubkultur hat sich verändert. „Es gibt eine Festivalisierung der Clubkultur“, sagt Seethaler. Die zunehmenden Großveranstaltungen machten den kleineren Clubs das Leben schwer. „Viele verbringen ihr Wochenende lieber auf einem Festival, anstatt in der Stadt feiern zu gehen“, sagt der 29-Jährige.

Zudem er den Eindruck hat, dass grundsätzlich weniger Menschen feiern gehen. „Es gibt viel weniger Laufkundschaft, ganz wenige gehen am Wochenende noch in die Stadt, wenn sie nicht wissen, was sie sonst machen können“, sagt Seethaler. So sei es bei ihm zumindest gewesen, als er jünger war. „Viele verbringen ihre Freizeit jetzt lieber anders, zum Beispiel auf dem Berg oder eben auf einem Festival“, sagt der 29-Jährige.

Das zeige sich inzwischen auch bei Besucherzahlen. Während der Club früher an den Wochenenden mit 120 Menschen voll war und immer wieder neue nachkamen, wenn andere rausgingen, seien es heute noch rund 60 oder 70 Gäste. Da einige von denen auch noch weniger konsumieren als früher – vor allem werde deutlich weniger Alkohol getrunken –, seien die Abende vom Umsatz her immer schlechter geworden.

Einfach so aufgeben wollte das Team um Seetahler aber nicht. „Wir haben alles Mögliche nochmal versucht, wir haben das Programm umgestellt und wirklich bis zum letzten Tag gekämpft, dass wir irgendwie weiter machen können“, sagt er. Aber irgendwann sei es eine Frage der Vernunft gewesen, „dass wir einen Schlussstrich ziehen müssen“, betont der 29-Jährige, dem anzusehen ist, wie schwer die Entscheidung gefallen sein muss.

Besonders vermissen werde Seethaler – neben seiner Arbeit bis in die frühen Morgenstunden – die Gemeinschaft im Club, die sich in den fast 19 Jahren gefunden hat. „Wenn du hier reingehst, begegnest du immer jemanden“, sagt er. Und niemand werde für irgendwas verurteilt, es sei egal, wer man ist und wie man aussieht. „Unser Publikum war auch immer komplett durchmischt – von den Anzugträgern, die nach einer Hochzeit kamen oder jemanden in Jogginghose.“ Besonders lustig fand Seethaler, dass im „Hole“ Kulturen vermischt wurden. „Wenn die Leute in Tracht erst auf der Bierbank zu Cordula Grün tanzen und zum Raven zu uns kamen, war das schon kurios“, sagt er und lacht.

Fehlen werde ihm aber auch die Musik. „Das ‚Hole‘ war so ziemlich der einzige Ort in Rosenheim, wo es beständig elektronische Musik gab“, betont Seethaler. Neben Techno wurde hier unter anderem Dub, Drum‘n‘Bass, Hip-Hop oder Reggae aufgelegt. Techno sei für den 29-Jährigen auch eine Säule der Kultur und das „Hole“ demnach eine Kulturstätte. „Wir haben hier unseren dunklen Keller, wo der Bass wummert und ein paar bunte Lichter strahlen, und das reicht aus, um Spaß zu haben“, sagt Seethaler.

Einen anderen Club in der Art gebe es in Rosenheim nicht, der Rest seien eher Bars, in denen getanzt werden kann. „Jetzt gibt es in der Stadt eigentlich keinen wirklichen Club mehr“, sagt Seethaler. Daher sei das Aus auch ein harter Schlag für die Rosenheimer DJ-Szene. Im „Hole“ hätten viele Künstler ihre ersten größeren Auftritte gehabt. „Es gibt keinen anderen Platz hier, wo du als Newcomer einen Anschlusspunkt findest. Wir haben immer jedem eine Chance gegeben, sich zu beweisen oder mal aufzulegen“, sagt der 29-Jährige. Diese „Startrampe“ breche nun weg.

Große Trauer in
sozialen Medien

Wie groß das Bedauern über das Club-Aus bei den Musikern und Nachtschwärmern ist, zeigt ein Blick in die sozialen Medien. Unzählige Menschen haben unter den Abschiedsworten des „Hole“-Teams auf Instagram eine Nachricht hinterlassen. „Danke für unzählige geile Nächte! Werde euch vermissen“, schreibt ein Musiker. Eine Frau fragt, was sie nun mit ihrem „Hole“-Tattoo machen soll. Das „Hole“ sei jedenfalls ein „unvergesslicher Club“ gewesen, schreibt ein DJ, der dort öfter aufgelegt hat, er sei dankbar, dort tolle Menschen kennengelernt zu haben.

Und genau mit diesen will Sam Seethaler und sein Team am Samstag (13. September) noch eine große Abschiedsparty und „einen würdigen Abschluss“ feiern. Danach wolle der 29-Jährige erstmal einen „normalen Alltag ohne Arbeit am Wochenende“ genießen und das Ende des „letzten Stücks Rosenheimer Clubgeschichte“ verarbeiten.

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