Rosenheim – Appetit weg, Pfunde runter: In den sozialen Medien posten Influencerinnen immer wieder Fotos von ihren schlanken Körpern – und berichten darüber, wie es ihnen mithilfe der Abnehmspritze innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, mehrere Kilos zu verlieren. Denn: Die Medikamente – beispielsweise Ozempic oder Mounjaro –, die in den Spritzen enthalten sind, reduzieren den Appetit und verstärken das Sättigungsgefühl.
„Man ist schneller und länger satt und hat weniger Gelüste zwischen den Mahlzeiten“, bestätigt Dr. Ulla Thomas-Cuntz, Diabetologin und Internistin aus Bad Endorf. Gespritzt werden muss sich der Expertin zufolge einmal in der Woche, immer am selben Tag. „Um eine ausreichende Gewichtsabnahme zu erreichen, ist mit einem Jahr zu rechnen“, sagt Thomas-Cuntz.
Zulassung derweil
auch für Adipositas
In Deutschland gibt es seit gut zwei Jahren drei verschiedene zugelassene Präparate für die Therapie von Patienten mit Adipositas. „Lange Zeit waren dieses Medikament nur zur Diabetesbehandlung zugelassen“, sagt Diabetologin. Doch mittlerweile zeigt sich ein anderes Bild. „Inzwischen haben die Medikamente auch die Zulassung zur Gewichtskontrolle unter ärztlicher Aufsicht bei Menschen mit entsprechend hohem Body-Mass-Index erhalten“, sagt Florian Nagele vom Bayerischen Apothekerverband. Das bestätigt auch Dr. Michael Iberer, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Rosenheim. Auch er hat Patienten mit Adipositas bei sich in der Praxis, die nach der Abnehmspritze fragen. „Viele verlieren damit meist sehr erfolgreich Gewicht“, sagt Iberer. Wenn das Medikament richtig angewendet wird, sei die Wirksamkeit unbestritten. „Allerdings ist eine ärztliche Begleitung wichtig, um beispielsweise Nebenwirkungen im Blick zu behalten“, fügt er hinzu.
Dass diese immer wieder auftreten können, bestätigt auch Diabetologin Ulla Thomas-Cuntz. „Fast immer kommt es zu Beginn der Therapie zu einem ausgeprägten Völlegefühl, so als habe man schon gegessen. Das kann bis zur Übelkeit reichen“, sagt sie. In der Regel werde das nach ein paar Tagen aber besser. Weitere Nebenwirkungen, die auftreten könnten, sind ihr zufolge Durchfall, Verstopfung oder Sodbrennen.
„Schwerere Nebenwirkungen sind möglich, treten aber selten auf. Unter fachärztlicher Kontrolle lässt sich das Risiko gut einschätzen und minimieren“, fügt Michael Iberer hinzu. Ein Problem entsteht laut dem Vorsitzenden des Ärztlichen Kreisverbands Rosenheim erst dann, wenn die Präparate ohne ärztliche Kontrolle bezogen werden. Also beispielsweise über das Internet. „Hier ist nicht sichergestellt, dass es sich tatsächlich um das richtige Medikament in der richtigen Dosierung handelt“, sagt er. Fälschungen oder unsachgemäße Anwendung können ihm zufolge erhebliche gesundheitliche Gefahren mit sich bringen – von schweren Nebenwirkungen bis hin zu einer kompletten Unterversorgung mit dem notwendigen Wirkstoff.
Versuche, zu tricksen
oder zu fälschen
Genau davor warnt auch Florian Nagele. „Es gibt immer wieder Versuche, zu tricksen oder zu fälschen“, sagt er. So gebe es deutschlandweit eine Vielzahl von Menschen, die versuchen, mit gefälschten Rezepten an die Medikamente zu kommen. Auch von einer Bestellung im Internet rät er – ähnlich wie Iberer – ab. „Niemand weiß, was man sich da dann tatsächlich spritzt, und viele solcher Fälle landen im Krankenhaus“, sagt er.
Wie viele Rezepte für Abnehmspritzen in der Region in den vergangenen Monaten eingelöst wurden, weiß Florian Nagele nicht. „Es wird sicherlich in jeder Apotheke mehrmals pro Woche ein Rezept für dieses Medikament eingelöst“, vermutet er. Wohl auch, weil die Abnehmspritze bei zahlreichen Patienten zu funktionieren scheint, zumindest wenn man bei den Experten nachfragt.
„Das Abnehmen funktioniert bei den meisten Menschen sehr gut, vor allem berichten sie, dass sie weniger Heißhunger haben und sich endlich an die Ernährungsempfehlungen, die fast alle Menschen mit Gewichtsproblemen kennen, halten können“, sagt Ulla Thomas-Cuntz, Diabetologin und Internistin aus Bad Endorf. Zusammen mit einer ausgewogenen, kalorienreduzierten Ernährung sei die Gewichtsabnahme für die meisten Menschen sehr befriedigend.
Das Problem: Sobald das Medikament abgesetzt wird, steigt das Gewicht wieder an. „Es kommt zum Rebound“, sagt Thomas-Cuntz. Eine Fortsetzung der Medikation ist deshalb häufig lebenslang nötig. Generell lasse sich aber sagen, dass die Abnehmspritze eine große Hilfe für Menschen mit Übergewicht und Adipositas ist. „Sie funktioniert gut, und noch besser, wenn Betroffene gut geschult sind und beispielsweise wissen, was und wie viel sie essen“, sagt Thomas-Cuntz.
Training sollte fester
Bestandteil sein
Da mit jeder Gewichtsabnahme nicht nur Fett, sondern auch Muskelmasse abgebaut wird, rät die Expertin auch dazu, körperliches Training als festen Bestandteil der Therapie einzubauen. „Entscheidend ist die ärztliche Begleitung. Die Abnehmspritzen sind ein wirksames Instrument in der Behandlung von Adipositas, aber kein Allheilmittel und sicher kein Lifestyle-Produkt“, fügt Iberer hinzu.